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Syrien

Aus Aleppo in den Pott: Ein Herzchirurg und sein syrisches Restaurant in Duisburg

Der deutsch-syrische Arzt versucht von Aleppo zu retten, was noch zu retten ist: Heimat ist in der Not da, wo dein Essen ist.
Abdulhai Abo-Alhar kocht im Lamées in Duisburg. Alle Fotos von der Autorin

2017 hat sich Dr. Mahmoud Naheel, ein Herzchirurg aus Duisburg mit syrischen Wurzeln, eine ungewöhnliche Auszeit genommen.

"Obwohl ich Arzt bin, habe ich schon immer davon geträumt, ein Restaurant zu eröffnen", erzählt Naheel. Im Januar hat er sich dann endlich seinen Traum erfüllt und das Lamées eröffnet.

Mahmoud Naheel ist zwar in Syrien aufgewachsen und studierte dort, geboren ist er allerdings in Deutschland, wo er auch die meiste Zeit als Erwachsener lebte. Der 33-jährige Arzt vergaß jedoch nie seine Wurzeln und blieb mit seiner Kultur verbunden – vor allem durch syrisches Essen.

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"Wir Syrer sind Foodies. Essen der einfachste Weg, mit der Heimat verbunden zu sein, wenn einen das Heimweh packt", erzählt er.


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"Bei Restaurants und dem Essen war ich schon immer sehr wählerisch. Mit dem Essen hier in Deutschland war ich nicht immer zufrieden. Mit der Zeit kam mir der Gedanke, dass die Food-Szene in Duisburg ein paar der weltberühmten Kebabs aus Aleppo vertragen könnte", meint er lachend.

Dr. Mahmoud Naheel hat das Lamées im Januar eröffnet. Alle Fotos von der Autorin

Doch weil er selbst so viel beschäftigt war, schob er seinen Traum eines eigenen Restaurants weiter auf. Dann brach der Krieg in Syrien aus und seine Heimatstadt Aleppo wurde zerstört, was dazu führte, dass viele seiner Freunde und Verwandten aus dem Land flohen. Einer seiner Onkel aus Aleppo, der zufälligerweise in seiner Heimat als Koch für Fünf-Sterne-Hotels gearbeitet hat, floh und kam nach Deutschland.

"Da wurde mir klar, dass jetzt der beste Zeitpunkt war, um das Restaurant meiner Träume zu eröffnen", meint Mahmoud Naheel weiter. Er arbeitet weiter als Herzchirurg in einem Duisburger Krankenhaus, hilft aber im Restaurant, wann immer er kann.

Während der Bürgerkrieg in Syrien weiter wütete und sich die Flüchtlingskrise weiter zuspitzte, füllten negative Berichte und Vorurteile gegen syrische Flüchtlinge die europäischen Medien. Das störte Naheel. Er vertraute auf die kulinarischen Fähigkeiten seines Onkels und seinem Sinn für Gastronomie, um eine anderes Bild von Syrien zu vermitteln.

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Also wagte er den Sprung ins Ungewisse und eröffnete das Lamées. Er stellt ausschließlich Flüchtlinge ein, die versuchen, ein neues Leben in Deutschland zu beginnen.

Das Restaurant bringt Gerichte aus Aleppo nach Duisburg

Das Restaurant läuft gut, vor allem dank der kulinarischen Fähigkeiten von Naheels Onkel, Abdulhai Abo-Alhar.

"In den Neunziger- und Nullerjahren habe ich im ganzen Nahen Osten als Fünf-Sterne-Koch für berühmte Hotels und Scheichs gearbeitet", erzählt der 52-jährige Koch. "Ich war dabei, mir einen Namen zu machen, doch dann bekam ich Heimweh und entschloss mich, nach Aleppo zurückzugehen."

2005 kehrte er nach Aleppo zurück und fing noch mal bei Null an. Er eröffnete sein eigenes Gourmetrestaurant, das, so erzählt er, gut lief und regional bekannt war.

Doch wie Tausende andere aus Aleppo musste er die Stadt verlassen, weil es nicht mehr sicher war. Er war am Boden zerstört, als er sein Restaurant über Nacht hinter sich lassen musste, als der Krieg ausbrach. Er machte sich allein auf den Weg nach Berlin, seine Familie kam später nach.

Als sie als Flüchtlinge in Deutschland ankamen, hatten sie nichts. All ihre Dokumente und ihr ganzes Geld wurden auf der Reise hierher gestohlen. Jetzt fängt Abdulhai Abo-Alhar wieder von vorn an und ist fest entschlossen, sich ein noch besseres Leben hier in Deutschland aufzubauen.

"Essen ist mein Leben", meint Abdulhai Abo-Alhar – er schwärmt von der syrischen Küche. "Niemand verlässt freiwillig sein Land und den Alltag, den man sich aufgebaut hat." Er hat immer noch Heimweh und vermisst sein Restaurant in Aleppo schmerzlich.

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"Aber jetzt habe ich eine neue Aufgabe gefunden. Ich möchte den Leuten hier zeigen, wie Syrien schmeckt; ihnen zeigen, dass wir nicht alle Terroristen und Fanatiker sind, sondern dass wir eine unglaublich vielfältige Kultur und eine beeindruckende Küche haben. Ich werde ihnen mein bestes Essen kochen."

"Wir Syrer sind Foodies. Essen der einfachste Weg, mit der Heimat verbunden zu sein, wenn einen das Heimweh packt", sagt Dr. Naheel.

Abdulhai Abo-Alhar kämpft immer noch mit den Herausforderungen, die ein neues Land und eine bekanntermaßen schwierige Sprache mit sich bringen. Aber er ist zuversichtlich, dass er das meistern wird.

"Am liebsten würde ich eines Tages zurück nach Aleppo gehen und meinen alten Laden wiedereröffnen. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das so schnell möglich sein wird", sagt er mir. Wenn er nicht nach Aleppo zurück kann, hofft er, wenigstens in Duisburg bleiben zu können und ein Kette von Restaurants in ganz Deutschland eröffnen zu können.

"Ich bin zwar neu hier, aber habe eine Menge Erfahrung", sagte er selbstbewusst. "Ich kann wieder von vorn anfangen und etwas richtig Gutes aufbauen. Ich habe es einmal geschafft und kann es wieder schaffen."