Dieser Typ verwandelt die Einkaufslisten vom Fremden zu surrealen, halbessbaren Gerichten

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Kunst

Dieser Typ verwandelt die Einkaufslisten vom Fremden zu surrealen, halbessbaren Gerichten

Der Fotograf Tom Lakeman sammelt Einkaufslisten Fremder und kreiert aus den Artikeln die verrücktesten Gerichte. Die Resultate reichen von eigenartig appetitlich bis wunderbar unessbar. Seine Fotos wurden kürzlich in einem Buch veröffentlicht.
Phoebe Hurst
London, GB

Ob es ein verknittertes Post-it oder eine hastig getippte iPhone-Notiz ist, man kann von den Artikeln auf einer Einkaufsliste viel über eine Person lernen. Die poetische Melodie von „Grüntee, Mandeln, Schnittblumen, brauner Reis" ist genug, um Visionen von einer gesundheitsbedachten Göttin heraufzubeschwören, die meditativ an ihrem Kuli nagt, während sie über ihre minimalen Nahrungsmittelbedürfnisse nachdenkt. Je weniger man von „Katzenfutter, Wattestäbchen, WEIN" schreibt, desto besser. Ja, sogar Britneys gekritzelte Erinnerung, die „Babypizza" nicht zu vergessen, hatte eine hemingwayartige Schönheit.

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Der Fotograf Tom Lakeman kennt den Reiz einer Sammlung von komplett unzusammenhängenden Lebensmitteln. (Wie kommt man von „Abflussreiniger" zu „Marmelade" in fünf Schritten?) Seit fünf Jahren sammelt er weggeworfene Einkaufslisten und kreiert aus den zusammengewürfelten Waren Gerichte. Dabei verwendet er jeden Artikel auf der Liste—egal ob Nahrungsmittel oder nicht—, was bedeutet, dass Lakemans Kreationen zwar nicht immer essbar, dafür aber umso interessanter sind: Burger mit Batterien, Mäusegift-Bolognese und Nudeln mit Hygieneartikeln.

SILK-CUT-SALAD

Silk Cut-Salat. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Tom Lakeman.

Lakemans Rezepte wurden kürzlich gesammelt in einem Buch veröffentlicht. Wir haben uns mit dem Künstler in Verbindung gesetzt, um mehr über die Person herauszufinden, die Dinge wie „Silk Cut" und „Salat" als eine Einladung zur Fusionsküche sieht.

MUNCHIES: Hallo Tom, wieso hast du angefangen, Einkaufslisten zu sammeln? Tom Lakeman: Ich habe immer schon Dinge gesammelt, die Leute weggeworfen haben. Es fing mit Listen, Fotos, Notizen und Zeichnungen an, die ich auf dem Boden fand. Ich klebte sie in Fotoalben und fragte mich, wem sie wohl gehörten. Später fing ich an, das verlorene Gepäck von Reisenden an Londoner Flughäfen zu kaufen und damit auf Urlaub zu fahren. Ich fotografierte dann die herrenlosen Kleider und Besitztümer an dem Ort, von dem sie kamen.

In meiner Arbeit geht es immer um persönliche Identitäten und deren Rekonstruktion. Als ich auf die Einkaufslisten von Leuten in Einkaufskörben oder -wägen stieß, war das für mich wie Weihnachten. Ich ging dann in den Supermarkt und kaufte all die merkwürdigen, wundervollen und alltäglichen Artikel, die die Leute aufgeschrieben hatten. Ich habe bestimmt mehr als 400 Einkaufslisten.

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Wow. Wie kam es, dass du die Artikel auf den Listen dann zu echten Gerichten verwandelt hast? Ich war fasziniert von den Listen und wie einzigartig sie alle waren. Eines Tages kam mir plötzlich die Idee, ich kann mich noch an den genauen Moment erinnern. Das sind keine Einkaufslisten—das sind Rezepte.

Ich habe eine Weile an vier Rezepten gearbeitet, die ich perfektionierte. Manche enstanden sehr natürlich und das Fotografieren verlief mühelos. Andere wiederum überzeugten mich nicht und ihnen fehlte das gewisse Etwas. Es war ein schmaler Grat zwischen Brillanz und Blödsinn.

JAPANESE-COTTON-NOODLES

Japanische Watte-Nudeln.

Zu diesem Zeitpunkt holte ich die Food-Stylistin Caterina Gobbi ins Boot. Da sie aus Italien kommt, plante sie ihre Tage rundum das Essen. Zwischen den Mahlzeiten unterhielten wir uns über die letzte und planten die nächste. Sie war perfekt für diese Serie. Sie gab den Gerichten einen sehr unkomplizierten und natürlichen Touch und sie hatte eine große Leidenschaft für Essen. Sie sorgte also nicht nur dafür, dass der Teller hübsch aussah, sondern wusste genau, was sie tat.

Wie sieht der Prozess aus, wenn du eine Liste von oftmals unzusammenhängenden (und nicht essbaren) Dingen zu einem Gericht verwandelst? Das erinnert mich ein bisschen an das Kochduell. Es ist großartig. Dinge wie Klopapier werden zu Blätterteig. Batterien werden zur fleischigen Füllung eines Burgers und Wattestäbchen werden zu japanischen Nudeln. Für einen kreativen Foodie wie mich war das wie im Kindergarten. Es macht so viel Spaß. Ich habe heute einen ganz anderen Blick auf alltägliche Waren im Supermarkt.

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Erzähl mir etwas über die Gerichte, die in deinem Buch vorkommen. Welches ist dein Lieblingsgericht? Der Katzenfutter-Cupcake war das beste Gericht, weil die Zutaten nicht besser funktionieren hätten können, auch wenn ich das Rezept selbst geschrieben hätte. Die Wattepads dienten als Topping, der Teig ist aus einer Mischung aus Gurke, Zuckermais und Katzenfutter und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, stand eine einzelne Kerze auf der Liste. Das ergab einfach den perfekten Cupcake.

CAT-FOOD-CUPCAKE

Katzenfutter-Cupcake.

Der Silk Cut-Salat war aber auch super zu machen. Der Salat befindet sich in so etwas wie einem Aschenbecher. Das Bild spielt mit der Wahrnehmung einen Streich. Es sah recht lecker aus!

Hatten Bompas und Parr etwas mit dem Buch zu tun? Sam Bompas war die erste Person, die ich kontaktierte, um über das Buch zu sprechen, als ich damit anfing. Er ist supertalentiert und weiß extrem viel. Er hat mir tolle Ratschläge gegeben, er war begeistert von diesem Projekt und er war eine große Unterstützung. Er schrieb ein sehr unterhaltsames Vorwort für das Buch, was großartig war. Ich bin ein großer Fan aller ihrer Arbeiten und deshalb hat es mich besonders gefreut, dass er Teil meines Buches ist.

Du beschreibst die Gerichte als „wunderbar ungenießbar". Ist das ein Kommentar über unsere Besessenheit, ständig unser Essen zu fotografieren? Instagram-Fotos sind schön anzusehen, aber lenken schon ein bisschen davon ab, dass Essen eigentlich zum Essen da ist. Absolut. Es ist ein Kommentar auf die gesamte Welt des Essens unserer Zeit. Mode und Kunst sind zu sehr mit Essen verschwommen. Die Leute sind nur noch daran interessiert, wie ihr essen aussieht. Hört auf, euer Essen zu fotografieren und esst es!

MAKI-TOILET-ROLLS

Maki Toilet Rolls.

Weise Worte. Hattest du jemals das Bedürfnis, eines der Gerichte zu probieren? Die Maki Toilet Rolls sehen auf eine eigenartige Weise appetitlich aus … Ich habe den koffeinfreien Blumenshake probiert—er roch super. Frische Blumen vermischt mit Joghurt, frischem Obst und einem Beutel koffeinfreier Tee. Es schmeckte furchtbar. Das war das Erste und das Letzte, was ich probiert habe.

Das ist wahrscheinlich eine gute Entscheidung. Vielen Dank fürs Gespräch, Tom!