Kimchi ist Liebe, aber Kimchi ist nicht gleich Kimchi

FYI.

This story is over 5 years old.

koreanische Küche

Kimchi ist Liebe, aber Kimchi ist nicht gleich Kimchi

Es geht nicht ohne einen schrägen Grammatik-Vergleich: Kimchi ist ein Verb mit tausend Konjugationen.

Die endlose Berichterstattung über die Schließung des Four Seasons im Juli, eines 57 Jahre alten Relikts und das Restaurant der Reichen und Mächtigenin Midtown Manhattan, habe ich nur wenig verfolgt, es interessierte mich einfach nicht sonderlich. Den New York Times-Artikel von Tejal Rao über den letzten Abend habe ich dann aber doch gelesen und dabei stach mir ein Satz ins Auge: „Kala Sung, Souschefin aus Südkorea, machte für das Personal Schweinerippe, Bulgogi und frisches Kimchi", schrieb Rao. Scheint so, als hätte das Kimchi dem gut durchchoreografierten Rummel von Besitzer Julian Niccolini ein bisschen die Show gestohlen—was mich extrem glücklich machte. Aber das Kimchi von Sung war nicht das, was man üblicherweise mit Kimchi assoziiert—fermentierter Kohl, eigentlich baechu kimchi genannt. Sie machte ihr Kimchi mit Pfirsichen, die sie noch in einer Ecke des Kühlraums gefunden hatte. Pfirsich-Kimchi: Südkorea küsst Südstaaten. Das hörte sich fantastisch an.

Anzeige

Ob Restaurantkritiker der New York Times wie Pete Wells und Anthony Bourdain oder Instagrammer weltweit: Es scheint so, als springt gerade jeder auf diesen Zug auf. Und das ergibt auch Sinn.Eine Armada junger koreanisch-amerikanischer Köche, die sicher vorher der klassischen europäischen und der japanischen Küche widmeten, schauen jetzt mehr in sich hinein und servieren Gerichte, die ihre Wurzeln auf der ostasiatischen Halbinsel mit 75 Millionen Einwohnern haben. Statt aber einfach nur koreanische Klassiker wie galbi jjim (Rippchen mit Sojasauce und Gartenfrüchten) oder frittierte mandu zu servieren, verpassen sie diesen Gerichten einen eigenen kreativen Stempel. Dabei eröffnen sie dann noch einige der originellsten und bedeutendsten Restaurants des Landes.

kimchi-is-a-verb-image-one

Das Han Oak in Portland, Oregon. Foto mit freundlicher Genehmigung des Autors

„Für mich ist das die kosmische Sauce." Ein paar Wochen nach dem letzten Dinner im Four Seasons rief ich Kala Sung an, um mehr über ihr Pfirsich-Kimchi herauszufinden. Dabei stellte sich heraus, dass sie schon einmal eine Art Einsteigerkurs für Kimchi geleitet hat—und im Kühlraum immer eine Portion ihrer Kimchi-Paste (die kosmische Sauce) parat hat. „Ich ,kimchisiere' Bärlauch, Mangos, Kräuterseitlinge oder Portulak", meint sie und erklärt Kimchi zum „neuen Sushi". Sung macht ihre Paste mit traditionellen Kimchi-Zutaten, wie Gochugaru (fein gemahlene koreanische Chiliflocken), Ingwer, viel Knoblauch und Nashi-Birnen-Püree. Manchmal gibt sie Steinpilzpulver dazu, damit es ein bisschen mehr umami schmeckt. Fischsauce und Garnelenpaste nimmt sie nur für Kimchi mit Chinakohl. „Ich mag mein Kimchi mit reinem Geschmack", erklärt sie ihre Abwandlung.

Anzeige

Die Pfirsiche, die sie dem Dutzend Angestellten zusammen mit Rippchen, geschmort wie beim klassischen koreanischen Eintopf gamjatang, serviert hat, waren hart (die Pfirsichsaison an der Ostküste war nicht gerade die beste). Doch sie hat das, flexibel wie sie ist, zu ihrem Vorteil genutzt. „Die Pfirsiche waren steinhart, eine Konsistenz wie Rettich", erinnert sie sich. „Nach ein paar Tagen im Kühlraum waren sie perfekt."

Für Koreaner überall auf der Welt ist Kimchi so etwas wie eine Religion, ähnlich wie Tomaten in Italien. Laut des Kimchi-Museums in Seoul gibt es über 200 verschiedene Arten von Kimchi. In jeder Provinz von Korea wird es anders gemacht: Im bergigen Gangwon-do an der Küste des Pazifiks wird das Kimchi mit wilden Bergkräutern und Fisch und Meeresfrüchten gemacht, in Jeolla nimmt man Rettich. Doch nicht jedes Kimchi ist scharf, das kam erst, als portugiesische Händler im 17. Jahrhundert die Chili nach Korea brachten.

han-oak-29

Zu Besuch im Han Oak. Foto mit freundlicher Genehmigung des Autors

Mehr und mehr wird mir klar, dass Kimchi eher eine Kochtechnik ist und dass es dabei immer auch ums Ausprobieren geht. Man kann zwar aus allem Kimchi machen, aber das muss nicht immer gut schmecken. Das weiß Peter Cho nur zu gut. „Es gab schon viele missglückte Versuche", meint er, der einst die rechte Hand von April Bloomfield war und mittlerweile in Portland, Oregon, sein eigenes Restaurant hat. Letztes Jahr probierte er es mit Winterkürbis, Fehlschlag. Er versuchte sich auch an kkakdugi, traditionellem Rettich-Kimchi, nur stattdessen mit Kohlrabi. Auch kein Erfolg.

Anzeige

In seinem Pop-up-Restaurant Han Oak serviert er verschiedene Kimchi als banchan (man könnte sagen koreanische Tapas). Je nach Saison gibt es andere Kimchi-Varianten—Gurke, Chinakohl, Frühlingszwiebeln. Und oft weiß er schon bei der Ernte, dass daraus Kimchi wird: Ein Bund Frühlingszwiebeln aus seinem Garten machte er Anfang des Jahres zu einem erfrischenden „Kimchi-Salat". Für ihn hat sich Kimchi in Restaurants in den letzten Jahren stark verändert: Köche machen immer eigenwilligere Versionen, von extrem scharf bis extrem salzig. Im Han Oak hat jedoch seine 67-jährige Mutter das Kimchi-Sagen und macht, wie sie es nennt, ein old school Kimchi, so wie sie es noch aus Seoul kennt.

Processed with VSCO with a6 preset

Foto mit freundlicher Genehmigung des Autors

„Wir nehmen nur wenig Garnelenpaste und Fischsauce, außerdem lassen wir es nur ein paar Tage gären", sagt er. Einige Kimchi-Sorten lässt er jedoch über einen Monat stehen und nimmt diese dann zum Kochen. Zum Brunch gibt es bei ihm Waffeln aus Mungobohnen-Mehl—eine Abwandlung von bindaeddeok, koreanischen Pfannkuchen—und darin verarbeitet sein überreifes Kimchi. „Gekocht verliert Kimchi an Geschmack, also braucht man dafür das richtig stinkende Zeug, damit die Aromen auch durchkommen", erklärt er.

REZEPT: Kosmische Kimchi-Paste

Als ich dieses Jahr mit Deuki Hong auf Promo-Tour für unser Buch Koreatown war, haben wir selbst ein bisschen mit Kimchi herumexperimentiert. Die Herausforderung: An jedem Tourstopp haben wir versucht, „Kühlraum-Kimchi" zu machen. Deuki hat sich vom Kühlraum der Restaurants inspirieren lassen, genauso wie Kala Sung. Manchmal ging das in die Hose: Die Version mit Rosenkohl fanden die Gäste nicht so toll, die Teller waren noch fast voll. Doch Kimchis mit Kartoffeln, Ananas, verschiedenen Rettichsorten oder, ja, gegrillten Pfirsichen waren ein durchschlagender Erfolg. Was wir daraus gelernt haben: Kimchi ist ein Verb mit tausend Konjugationen.