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Käse

Käsenamen mit Kindersicherung

Wer Käse wie ein Erwachsener Mensch bestellen möchte, der baut sich am besten eine Esels-, Ziegen-, Schafs- oder meinetwegen auch Kuhbrücke und schaut sich an, woher der betreffende Käse seinen Namen hat.

Nicht selten wird man zwischen der Brotabteilung und dem Rotlichtviertel des Supermarkts – der Fleischvitrine – Zeuge einer wundersamen Verwandlung: Senioren, Studenten und Eltern mit quengelnden Bälgern, sie alle werden gleichermaßen wieder zu Kleinkindern, wenn sie an die Käsetheke treten und die Verkäufer ihr geschult höfliches „Was darf's denn sein?" flöten. Eben noch eloquent 200 g Prosciutto, dasselbe von der Schwarzwälder, und einen halben Kilo Wadschinken bestellt, verschlägt es beim Käseordern so manchem die Sprache und der Zeigefinger tappt mit Kurs auf das gewünschte Exemplar hilfesuchend gegen die Glasfront. Zu klein ist die Ahnung davon, wie sich die Bezeichnung auf dem Schild akustisch nachbilden lässt, zu groß die Wahrscheinlichkeit und Peinlichkeit, bei der Aussprache ins 45%-F.i.T.-Näpfchen zu treten. Denn obwohl die moderne Käseindustrie versucht, ihre Schöpfungen mit maximal zweisilbigen Namen (Kiri) und an eingängige Popsong-Refrains à la Beach Boys (ba-ba-ba-ba-Babybel) angelehnten Jingles in unseren Köpfen zu verankern, werden die weltweiten Käse-Charts seit Jahrzehnten von Exemplaren mit im Namen eingebauter Kindersicherung angeführt. Während wir in Europa einen Heimvorteil haben, tun sich unsere amerikanischen Freunde bei der Aussprache der Crème de la Crème besonders schwer, wie die Redaktion von Foodbeast in einem amüsanten Video veranschaulicht hat.

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Wer Käse wie ein Erwachsener Mensch bestellen möchte, der baut sich am besten eine Esels-, Ziegen-, Schafs- oder meinetwegen auch Kuhbrücke und schaut sich an, woher der betreffende Käse seinen Namen hat. Die meisten kompliziert klingenden Bezeichnungen lassen sich nämlich ganz einfach herleiten und bleiben einem daraufhin wie ein guter Refrain ewig im Kopf.

„Da bin i her, da g´hör´ i hin"

Ähnlich wie beim Wein tut man auch beim Käse gut daran, den Ursprung seines Namens zuerst in seiner Heimat zu suchen. Beim französischen Schnittkäse Ossau-Iraty wird man etwa in den Pyrenäen im Tal von Ossau und den Buchenwäldern von Iraty fündig. Auch heute noch wird er am Fuße der Pyrenäen von kleinen Kooperativen aus Schafs-Rohmilch hergestellt.

Manchego ist der Don Quijote unter Spaniens Käsen und die Herleitung seines Namens alles andere als ein Kampf gegen Windmühlen: Sowohl Käse als auch Romanfigur stammen aus der Region Kastilien-La Mancha. Die dort beheimatete Schafrasse hat ebenfalls deren Namen aufgedrückt bekommen und wird Manchega gerufen.

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Als Pasta- und Risotto-Fan kommt man um Parmigiano Reggiano, den italienischen Hartkäse mit mindestens 12 Monaten (besser mehr!) auf dem Buckel, nicht herum. Namensgebend sind italienischen Provinzen Reggio Emilia und Parma. Zusammen mit Modena, Bolognaund Mantua sind sie die einzigen, die den Exportschlager mit DOP-Siegel (Denominazione d'Origine Protetta) offiziell herstellen dürfen. Weitere Ortschaften, Täler und Regionen der Welt legen wir uns übrigens mit Roquefort, Taleggio, Brie, Emmentaler und Gorgonzola auf den Käseteller.

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„This is how we do it!"

Liegt der Name eines Käses im Anschluss an die Frage nach dem woher noch nicht auf der Hand, stellt sich als nächstes die nach dem wie. So wird zur Herstellung von Mozzarella der sehr elastische Pasta-Filata-Käsebruch nach reichlichem Kneten und Ziehen in Stücke geschnitten (mozzare) und anschließend zu Kugeln geformt.

Um zu erraten, für welchen Frischkäse die bei der Käseerzeugung anfallende Molke zusammen mit Milch oder Rahm ein zweites Mal aufgekocht (ricotta) und dickgelegt wird, genügen sogar die Italienischkenntnisse aus dem Lignano-Urlaub. Die erweisen sich auch beim Caciocavallo als hilfreich (Cacio = Käse, Cavallo = Pferd), wenn man erst einmal weiß, dass der birnenförmige Käse zum Reifen in Paaren wie ein Sattel aufgehängt wird.

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Dass sich gegen die Regeln spielen ab und an auszahlt, zeigt die Entstehungsgeschichte des cremigen Reblochon aus Savoyen. Er soll aus der besonders fettreichen Milch vom zweiten Mal melken (reblocher), die der Melkkontrolle unterschlagen wurde, gemacht worden sein.

„Story of my life"

Neben dem Ort, an dem er das Licht der Käsewelt erblickt hat, und dem Prozedere steckt hinter jedem Käse auch eine Story. Manche tragen deren Titel direkt in ihrem Namen.

Stilton darf sich laut Verordnung der geschützten Herkunftsbezeichnung von 1989 nur Blauschimmelkäse nennen, der aus pasteurisierter Milch in einer von drei Grafschaften nach traditionellem Rezept hergestellt wird. Als zwei Käseliebhaber im englischen Nottinghamshire die Version aus Rohmilch neubeleben wollten, musste also ein neuer Name her: Stichelton.

Was es braucht, um einen Käse besoffen zu machen? Die Reifung in gärendem Saft samt der Schalen und Kerne zerquetschter Weintrauben. Auf diese Art des Veredelns sollen Bauern im Krieg zwischen der italienischen und österreichisch-ungarischen Armee gestoßen sein, als sie ihre laibförmigen Schätze vor den Soldaten unter Tresterhaufen versteckten. Heute werden Käse vor allem in Venetien ganz ungeniert mit dem Trester und Most unterschiedlicher Rebsorten abgefüllt und als Ubriaco (Betrunkener) gehandelt.

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Wer mehr über einen Käse erfahren möchte, lässt am besten die Käsetheke im Supermarkt links liegen und wendet sich an den Käseproduzenten bzw. -händler seines Vertrauens. Der bringt einem nämlich nicht nur liebend gerne die richtige Aussprache bei, sondern weiß auch noch allerhand interessante und bemerkenswerte Geschichten dazu aufzutischen.