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Marokko

Arganöl ist das Beste, was aus dem Hintern einer Ziege kommt

Von all den Touristenattraktionen rundum Marrakesch ist ein Besuch bei einem Arganölkollektiv eines der erfüllendsten Ausflüge. Dort gibt es ein Zauberelixier für dein sonnenverbranntes Gesicht und Nussbutter, die leider nicht so gut ausschaut, wie sie...

Ich wusste, dass da Ziegen im Spiel sind.

Es war einer der letzten Tage meines kurzen Aufenthalts in Marokko, einem Land, in dem Arganöl —angepriesen für seinen köstlichen, nussigen Geschmack und seine verjüngenden Eigenschaften—ein großes Geschäft ist. In größeren marokkanischen Städten kannst du nicht mit einem Tajine um dich werfen, ohne dabei einen Arganhändler zu treffen. Die jubeln unwissenden Käufern auf der Suche nach Schnäppchen oft gepanschtes oder gefälschtes Öl unter.

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Das richtige Zeug, so wurde uns gesagt, kann man auf der langen Straße zwischen Marrakesch und der winddurchpeitschten Stadt Essaouira am Atlantik finden. Dort klettern diese paarhufigen Komposter auf die dornigen Äste und mampfen die gelben Früchte der Arganbäume.

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Naschende Ziegen.

Die Ziegen sind traditionell ein wichtiger Teil der Arganölgewinnung: Die Tiere fressen die Früchte und ein Kern mit Samen, der reich an Öl sind, kommt am hinteren Ende wieder heraus. Scheinbar soll im kulinarischen Produkt durch die traditionelle Methode ein bisschen der „Ziegigkeit" erhalten bleiben.

Die Ziegen haben sich aber weitgehend aus dem Argangeschäft zurückgezogen. Heute sind es Frauen aus der Umgebung, die diese Kerne in flüssiges Gold verwandeln.

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Eine Arbeiterin des Marjana Collective bricht einen Argan-Kern auf.

Auf der Straße Richtung Essaouira gibt es zahlreiche Stützpunkte von Arganölkooperativen, wo ausschließlich weibliche Arbeitskräfte die Kerne mit bloßen Händen aufbrechen und zu Öl weiterverarbeiten. Die Früchte werden getrocknet, entkernt und das Fruchtfleisch als Tierfutter verwendet. Mit zwei Steinen brechen die Arbeiterinnen den mandelförmigen Kern aus der Schale, der bis zu 60% Öl enthält. Die Schalen werden gemahlen und als natürliches Körperpeeling und in der Töpferei verwendet. Die Samen werden entweder kalt gepresst, um ein Öl für Kosmetikbehandlingen herzustellen, oder sie werden geröstet und zu Öl für kulinarische Zwecke weiterverarbeitet. Dieses findet man beispielsweise in einem leckeren Brotaufstrich, der sich amlou nennt; eine Art Mandelbutter mit Honig und Arganöl, die definitiv Suchtpotential hat. Mehr als nur eine Person bezeichneten es als „Marokkos Version von Nutella".

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Wie viele andere Kooperativen in der Umgebung, führt die Coopérative Marjana in der Nähe von Ounagha ihre Besucher durch den Produktionsprozess. 50 Mitarbeiterinnen, aufgeteilt auf zwei Schichten, verarbeiten jeden Tag hunderte Kilo Argankerne. In Intervallen führen die Arbeiterinnen jeden der Arbeitsschritte im Laufe ihrer Schicht durch, weil jeder auf eine andere Weise körperlich anstrengend ist. Laut der britischen Firma Arganic werden 30 kg Arganfrüchte und 15 Arbeitsstunden benötigt, um einen Liter Öl herzustellen.

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Argankerne.

Die Berber-Frauen produzierten schon seit langem in kleinem Rahmen Arganöl. Erst in den 1990er Jahren wurde die Arganölindustrie mit Hilfe von Zoubida Charrouf, einer Chemieprofessorin und Aktivistin aus Rabat, der Hauptstadt Marokkos, revolutioniert. Sie gründete das erste weibliche Kollektiv, bei dem Frauen für ihre Arbeit bezahlt wurden.

„Als ich verkündete, die erste Kooperative zu gründen, waren die Männer nicht besonders glücklich darüber, dass ihre Frauen so selbstständig sein sollen", sagte Charrouf zu magharebia.com im Jahr 2006. Dennoch, stellt die Arbeit bei den Argankollektiven eine wichtige Einkommensquelle für Familien in der Region dar, mit Hilfe derer sie Haushaltswaren, Schulartikel, öffentliche Verkehrsmittel und andere Dinge bezahlen, und auf die nicht verzichtet werden will.

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Eine Marjana-Arbeiterin mahlt die Argansamen zu Butter.

Das Marjana-Kollektiv arbeitet immer noch mit den Händen, Charrouf hingegen hat bei ihren Kooperativen Maschinen eingeführt. Ein großer Teil des Öls, das mit der Hilfe von Maschinen erzeugt wird, landet in Kosmetikprodukten für den Westen, wo es zu einem der Hauptinhaltsstoffe von Feuchtigkeitscrèmes und Haarbehandlungen wurde.

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Die Nachfrage kann nicht unendlich bedient werden. Die langsam wachsenden Arganbäume, die bis zu 50 Jahre brauchen können, bis sie Früchte tragen, gelten mittlerweile als gefährdet. Die Ziegen hemmen das Wachstum der Bäume und Einheimische schneiden manchmal Äste ab, die sie als Brennholz oder zum Schnitzen verwenden. Während der 70er- und 80er-Jahren wurden hunderte Hektar Arganbäume gefällt, um für andere Nutzpflanzen Platz zu schaffen. (Obwohl es in Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits Bemühungen gab, Arganbäume anzupflanzen, wachsen sie am Besten in der dürren Landschaft Marokkos). Um die derzeitig bestehenden Nutzpflanzen zu schützen, ernannte die UNESCO einen 26 000 km2 großen Landstrich Marokkos zum „Biosphärenreservat" und stellt finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Arganbäume in ihrem natürlichen Habitat zu erhalten.

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Eine weitere Arbeiterin, die das Öl aus den Kernen.

Der Argan-Boom sorgt für einen Ansporn unter den Marokkanern, den Wald zu erhalten und auszuweiten—besonders in Anbetracht der steigenden Arganöl-Preise.

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Amlou: so lecker.

Amlou schmeckt am besten mit einem Stück Brot und in diskreter Gesellschaft, die für sich behält, dass du dir davon gerade wie löffelweise in den Mund gestopft hast. Der Geschmack erinnert fast ein bisschen an Sesam (so habe ich es zumindest in Erinnerung), oder geröstete Haselnüsse mit Gewürzen. Mit einer leichten Ziegennote.