So isst du, wenn du den Mount Everest besteigen willst
Alles Fotos: Randi Skaug

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So isst du, wenn du den Mount Everest besteigen willst

Randi Skaug hat die höchsten Berge aller sieben Kontinente bestiegen. Uns verrät sie, warum man nie mit Kerosin "würzen" sollte und warum Pfannkuchen glücklich machen.

Es gibt viele Orte auf der Welt, an denen man mit phänomenaler Aussicht essen kann. Eine Menge dieser Orte sind jedoch von Menschenhand geschaffen. Aber eigentlich sind es doch die Natur und Berge, die uns als Kulisse das Essen erst so richtig versüßen.

Randi Skaug weiß, wo es am besten schmeckt. Die 57-Jährige ist eine professionelle Abenteuerin und die erste Norwegerin, die die "Seven Summits" – also den jeweils höchsten Berg aller sieben Kontinente – bezwungen hat. Außerdem kennt sie sich bestens mit norwegischem Wanderproviant aus und ist beim Essen nicht pingelig.

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Wir haben uns mit Skaug unterhalten. Dabei ging es um den Aufstieg zum Gipfel des Mount Everest, Dünnpfiff auf Spitzbergen, gefriergetrocknetes Essen und lebensrettende Pfannkuchen.

MUNCHIES: Wie wird man eine professionelle Abenteuerin?

Randi Skaug: Als Kind erlebt man doch gerne Abenteuer. Leider geht dieser Wunsch bei vielen Erwachsenen verloren. Ich hingegen habe einfach nie damit aufgehört. Und heute verdiene ich mit Abenteuern mein Geld. In anderen Worten: Ich verbringe zuerst viel Zeit in der Natur und erzähle danach Geschichte darüber. Mein Ziel ist es, Menschen zu helfen und jeden Tag zu genießen.

Ich habe im Norwegischen den Begriff "Kongefølelsen" etabliert, der soviel bedeutet wie "das Gefühl, ganz oben zu stehen". Darauf arbeite ich immer hin. Ich will mit meinen Abenteuern auch andere Menschen dazu inspirieren, raus in die Natur zu gehen und dieses Gefühl selbst zu erleben. Ich bin davon überzeugt, dass Körper und Geist automatisch stark werden, wenn wir viel draußen sind.

Zum Glück verspüre ich kongefølelse nicht ständig, denn sonst würde das Gefühl seinen Zauber verlieren. Man muss es wirklich jagen, denn es ist ja eine Belohnung, sich so zu fühlen, als könne einem nichts und niemand etwas anhaben.

Wann hast du dich das letzte Mal so gefühlt?

Erst vor ein paar Tagen. Mir gehört eine Insel namens Naustholmen im Norden Norwegens. Dort bin ich mit vier Leuten zu einem nahegelegenen Leuchtturm aufgebrochen, was ich vorher noch nie gemacht hatte. Wir saßen dann einfach nur da und haben bei ein paar Bierchen dem Sonnenuntergang zugeschaut. Selbst so etwas Einfaches kann Kongefølelsen verursachen.

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Du bist auf einer Farm großgeworden. Wie hat das deine Beziehung zum Essen beeinflusst?

Viele Leute fragen mich, ob ich deswegen schon früh Kochen gelernt habe. Um mal eine Sache klarzustellen: Ich bin zwar keine begeisterte Köchin, aber gutes Essen ist mir trotzdem wichtig. Und damit meine ich echtes Essen. Ich bereite keine exotischen Gerichte zu, aber das, was ich koche, hat trotzdem Hand und Fuß und enthält nur gute Zutaten. Fertigprodukte kommen mir nicht in die Küche. Das ist wohl wirklich ein Überbleibsel aus meiner Kindheit. Meine Mutter hat nämlich auch nie etwas weggeworfen.


Auch bei VICE: MUNCHIES Guide to Norway – Essen in schneebedeckten Höhen


Was isst du während deiner Expeditionen?

Das kommt darauf an, wo ich bin. In der Antarktis war es zum Beispiel unmöglich, jagen oder angeln zu gehen. Und dort gibt es natürlich auch keine Supermärkte. Deswegen aß ich einen Monat lang gefriergetrocknete Lebensmittel – und das wirkt sich auf den Magen aus. Wenn man dann zum ersten Mal wieder richtiges Essen schmeckt, ist das schon ein ganz besonderes Erlebnis.

Was hast du bei deinen Reisen immer dabei?

Ich nehme immer etwas traditionell konserviertes aus Norwegen mit – beispielsweise getrocknetes Rentierherz, was zu ungefähr 80 Prozent aus Proteinen besteht. Oder Tørrfisk, also Trockenfisch, der in der Nähe meiner Insel produziert wird. Der wiegt kaum etwas und hält sich lange. Deswegen gehört er zu meinen Expeditionen einfach dazu. Ich finde es toll, wenn ich mich mal hinsetzen, mein Messer auspacken und ein fettiges Stück vom Rentierherz abschneiden kann. Das schmeckt übrigens nach Nüssen.

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Du hast schon die höchsten Berge aller sieben Kontinente erklommen. Was hast du während der Besteigung des Mount Everest gegessen?

Die dünne Luft in hohen Höhen verursacht Übelkeit und Appetitsverlust. Es ist jedoch ungemein wichtig, dass man trotzdem weiter isst. Die ganze Zeit. Abwechslung ist hier Trumpf, sonst wird es schnell langweilig. Deswegen habe ich viele kleine Snacks wie Mandeln oder Rosinen gegessen. Ergänzt wurde das Ganze mit Lebertran, getrockneter Lammkeule und viel Käse.

Zum Frühstück gab es Haferbrei. Selbst mit lauwarmen Wasser ging das klar, denn in einer solchem Umgebung wie dem Mount Everest kann man sowieso nicht wirklich kochen. Je höher man kommt, desto weniger Sauerstoff ist in der Luft und desto kälter wird die Flamme. Da kann es auch schon mal 20 Minuten dauern, ein Ei zu kochen. Außerdem ist es unmöglich, sich eine heiße Tasse Kaffee zuzubereiten.

Makrelen in Tomatensoße waren auf dem Mount Everest jedoch mein Lebensretter. Superfood aus der Dose mit viel Fett und Proteinen. Der letzte Aufstieg zum Gipfel dauerte zwölf Stunden und das Wetter war richtig beschissen. Deswegen verbrachte ich auch nur zehn Minuten auf dem Dach der Welt. Der Abstieg nahm dann noch mal zehn Stunden in Anspruch. Während dieser 22 Stunden aß ich nur ein Stück Schokolade und trank nur einen halben Liter Wasser.

Was war das Extremste, das du jemals durchmachen musstest?

Zusammen mit drei Kollegen war ich auf der norwegischen Insel Spitzbergen Ski fahren. Leider hatten wir aus Versehen unsere Lebensmittelvorräte bei den Kerosindosen gelagert, die wir zum Anfeuern der Öfen brauchten. Wenn man Kerosin trinkt, muss man viel rülpsen und bekommt Durchfall. Und natürlich kam es so, wie es kommen musste: Eine der Dosen lief aus und tränkte unser Essen in Kerosin. Wir wussten also, worauf wir uns einstellen konnten.

Das Ganze passierte gegen Ende unseres Trips und wir hatten dementsprechend auch nichts mehr anderes zu essen. Die letzten beiden Tage hieß es also: entweder kerosingetränkte Lebensmittel oder gar nichts. Wir bissen in den sauren Apfel, aber das kann ich wirklich niemandem empfehlen. Als wir dann zufällig auf eine russische Siedlung stießen, fielen wir vor den Menschen dort auf die Knie und flehten sie an, uns etwas zu kochen. Sie sprachen natürlich kein Wort Englisch, aber sie verstanden zum Glück, dass wir hungrig waren. Deswegen bereiteten sie uns Suppe und Pfannkuchen mit Pflaumenmarmelade zu. Diese Mahlzeit werde ich nie vergessen.

Wow. Und was war das Angenehmste, das du je erlebst hast?

Einmal bin ich die Nordküste Norwegens im Kajak entlanggefahren. Es herrschten ungewöhnlich warme Temperaturen, weswegen wir nur nachts paddeln konnten, weil es da kühler war. Eines Morgens legten wir dann an und bauten unser Lager auf. Nach einem erholsamen Schlaf krochen wir aus den Zelten und bemerkten, dass wirklich überall kleine Brombeeren herumlagen. Es fühlte sich fast so an, als würden wir auf Luftpolsterfolie herumlaufen. Schließlich entschieden wir uns dazu, Pfannkuchen mit Brombeermarmelade zuzubereiten. Richtig lecker. Wir machen uns oftmals viel zu viele Gedanken darüber, was gesund ist und was wir essen sollen und was nicht. Ab und an ist es jedoch vollkommen in Ordnung, einfach mal zu entspannen und ein paar Pfannkuchen zu verdrücken. Mann, ich liebe Pfannkuchen.