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Silvester ist für uns Restaurantangestellte der reinste Horror

Während du dir ein Sektchen nach dem nächsten reinkippst und dich auf den Countdown freust, müssen wir in der Küche stehen oder als Kellner deine Suff-Anmachen ertragen. Jahr für Jahr. Prost Neujahr!
Foto von Svante Adermark via Flickr

Willkommen zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.

In der Gastronomie heißt Silvester für gewöhnlich arbeiten müssen – zumindest in London. Auch dieses Jahr hat es mich wieder erwischt. Wie auch im Jahr davor. Und davor. Nur einmal konnte ich mich an Silvester davor drücken, arbeiten zu müssen. Dachte ich zumindest. Ich wolle unbedingt frei haben, weil alte Schulfreunde von mir in der Stadt waren. Doch mein Chef war von meinem Freiheitsbegehren alles andere als begeistert und meinte, ich müsse nicht in der Küche arbeiten. Also Beine hoch und hoch die Tassen? Ihr ahnt es schon: Pustekuchen. Stattdessen musste ich – zur Strafe gewissermaßen – die Garderobe hüten. Lief also gar nicht bei mir.

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Ich kann nicht unbedingt bestätigen, dass die Leute in der Weihnachtszeit mehr essen. Aber ich kann euch versichern, dass sie definitiv mehr trinken. Vor allem zu Silvester, wenn die noch frischen Erinnerungen an leidliche Familienzusammenkünfte erstmal runtergespült werden müssen.

Lasst euch gesagt sein: Die Arbeit im Restaurant ist in der Zeit vor Silvester megaanstrengend, umso mehr wenn man zuschauen muss, wie es sich die Gäste richtig gut gehen lassen. Aber eins weiß ich mittlerweile: Auf betrunkener Leute Mäntelchen aufpassen ist noch frustrierender. Trotzdem haben die letzten Tage des Jahres 2014 auch Spaß gemacht – im Restaurant wurde die ganze Zeit über laute Musik gespielt und wir wurden angehalten, mit unseren Gästen das eine oder andere Glas zu nehmen – es gibt wohl schlimmere Arbeitsaufträge. An Silvester haben wir so lange geöffnet, bis der letzte Kunde sich entschließt, den Heimweg anzutreten. Das kann sich manchmal ziehen. Dieses Jahr war keine Ausnahme.

Zu Weihnachten und Silvester bieten wir immer spezielle Menüs an, die natürlich Extraarbeit bedeuten. Und noch mehr Zeitdruck. Da bleibt dann keine Zeit für Besinnlichkeit. Stichwort Feiertage: Ich kann nicht unbedingt bestätigen, dass die Leute in der Weihnachtszeit mehr essen. Aber ich kann euch versichern, dass sie definitiv mehr trinken. Da sind dann dumme Anmachsprüche keine Seltenheit. Vor allem zu Silvester, wenn der Alkohol in Strömen fließt, weil die noch frischen Erinnerungen an leidliche Familienzusammenkünfte erstmal runtergespült werden müssen.

Wenn du in der Gastronomie anfängst, solltest du von vornherein wissen, dass dich grässliche Arbeitszeiten erwarten, die vor Silvester keinen Halt machen. Irgendwie auch klar, schließlich können da die größten Gewinne eingefahren werden. Ich will mich also nicht beschweren, es gehört zum Job einfach dazu. Das heißt aber nicht, dass es einen nicht ankotzen würde. Vor allem wenn dein Handy am Dauervibrieren ist, weil deine Freunde bei Instagram ein Feierfoto nach dem nächsten hochladen, während du aufpassen musst, dass dir der lüstern-lallende Möchtegern-Rolf-Eden an Tisch 7 beim Abräumen nicht auf den Hintern klatscht. Gott sei dank arbeite ich in der Küche, aber meine Kollegen, die für die Gäste zuständig sind, haben schon mit einigen Horrorgeschichten aufgewartet. Gerade zu Silvester.

Das Restaurant, in dem ich arbeite, ist ziemlich klein. Ach was sage ich, winzig – was ein weiterer Stressfaktor ist. Zudem werden die meisten Vorräte im Keller gelagert. Also heißt es den lieben langen Tag buckeln. Wenigstens kann ich mir die monatlichen Gebühren für die Muckibude sparen, denn sowohl Kondi als auch Bizeps sind in Höchstform. Geschrien wird natürlich auch. Und das nicht nur, wenn man sich an den 1.000.000 Grad heißen Herdplatten verbrennt, die man vor lauter Enge fast zwangsläufig berührt. Zu Silvester sieht das Bild sehr ähnlich aus, nur eben noch Hundert Mal stressiger. Doch alles in allem sind wir fast wie eine große Familie – auch wenn unter den Kollegen ordentlich geflirtet und gedatet wird. Merke: Nicht nur in den Töpfen geht es bei uns heiß her. Wer braucht da noch Tinder??

Zu Silvester war wieder Chaos pur. Erst hat sich eine Kollegin an dem schweineheißen Ofen verbrannt, was sie so sehr aus der Bahn geworfen hat, dass sie mich kurze Zeit später grundlos angeschrien hat. Daraufhin bin ich erstmal in Tränen ausgebrochen. Ihr seht also, der Ton wird hier manchmal ziemlich rau – und das nicht nur feiertags. Aber auch das gehört zur Gastronomie dazu. Trotzdem will ich meinen Job nicht missen. Denn egal, wie stressig es wird und wieviele Geburtstagsfeten man verpasst, als Team hält und wächst man zusammen und trotzt so auch den widrigsten Umständen.

Aufgezeichnet von Helen Nianias