Triff den Vegan-Bro: „Meat is for pussies“

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Vegane Ernährung

Triff den Vegan-Bro: „Meat is for pussies“

Einst das Reich der Hippies ist Veganismus mittlerweile nicht mehr vor „echten Bros“ sicher, was sich vor allem in der Sprache zeigt. Hilft so eine Rhetorik der veganen Bewegung?

Ende letzten Jahres tauchte ein Online-Video einer Frau auf, die sich selbst „The Vegan Swearing Grandma" nannte. Mit Oma-Brille und bezaubernder Kette machte die Rentnerin ihren eigenen Seitan, Fleischesser nannte sie „dumme Weicheier" und ihre Tofu-Marinade war „tittengeil".

Das Video stammte natürlich nicht von einer fluchenden Omi, sondern war Teil einer Weihnachtskampagne von PETA. Die Organisation rief dazu auf, das Video mit „Freunden, Familie und Followern zu teilen und ihnen zu sagen,dass es überhaupt nicht Festlich ist, verfickte Leichen zu essen."

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In bestimmten veganen Kreisen ging die fluchende Oma viral, was nur beweist, dass in letzter Zeit eine neue Sprache in die Bewegung eingedrungen ist. Die der amerikanischen Bros.

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Historisch gesehen bezog sich das Wort „bro" eigentlich auf afroamerikanischer Männer, mittlerweile bezeichnet man damit einen bestimmten Typus weißer Männer. Einen, der Cargo-Shorts trägt, große Plastikbecher zu einer Party mitbringt und für den eine „Männerhöhle" dazu gehört. Bros sind cool, der Star auf jeder Party, sexy, aber meist dumm und ein bisschen arrogant. Diese Merkmale zeigen sich in der oft aggressiven Sprache der Bros, bei der auch Sexismus und Homophobie mitschwingen.

Und es scheint, dass auch Veganismus – einst das Reich der Hippies – nicht vor „echten Bros" sicher ist. Es gibt das Kochbuch Meat Is for Pussies, bei dem im Subtext mitschwingt, dass Weiblichkeit an sich etwas Beschämendes ist und für Schwäche steht. Vegane Barbecues nur für Manner sind in Brooklyn gerade ziemlich in, Veganismus schweißt Männer zusammen. Dann gibt es da noch Thug Kitchen, ein veganer Food Blog von Leuten, die sich die afroamerikanische Umgangssprache zu eigen machen, um dich „mit Beschimpfungen zu einer gesünderen Ernährung zu bringen."

Ich habe mich mit der feministischen Autorin Carol J. Adams, die unter anderem The Sexual Politics of Meat geschrieben hat, über das Phänomen unterhalten. Ihrer Meinung nach gehört die Kultur des Fleischkonsums zur hegemonialen Männlichkeit dazu. Was hält sie von der hyper-maskulinen Sprache der veganen Bros?

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„Salat zum Beispiel: Frauen essen Salat, aber wenn Männer Salat essen, ist das entweder irgendwie falsch oder der Salat ist richtig gut", meint sie.

Anstatt Veganismus für Männer attraktiver zu machen, sollten wir ihrer Meinung nach unser Verständnis von Männlichkeit ändern. Doch das ist so eine Sache, an der vorherrschenden Definition von Männlichkeit lässt sich schwer rütteln, was sich wieder mal gezeigt hat, als ASOS mit seinen samtenen Halsbändern für Männer für Furore sorgte. Als wir uns letztes Jahr damit befasst haben, warum Männer Angst vor vegan haben, haben wir herausgefunden, dass nur 3,2 Prozent der Veganer in Amerika Männer sind. Noch denken viele, dass Veganismus etwas Weibliches ist.

„Salat zum Beispiel: Frauen essen Salat, aber wenn Männer Salat essen, ist das entweder irgendwie falsch oder der Salat ist richtig gut."

„Wer sagt, dass ihm Tiere wichtig sind, zeigt Schwäche und die männliche Geschlechterrolle basiert auf Aggression."

Ich habe auch mit John Joseph gesprochen, der Meat Is for Pussies geschrieben hat. Seit den 80ern lebt er vegan und nutzt seine Popularität – er ist Sänger der Hardcore-Band CroMags und nimmt regelmäßig am Ironman teil –, um für eine fleischfreie Ernährung zu werben.

„Wir werden mit so viel Scheiße verarscht, Fleisch sei männlich und dieser ganze Bullshit", meint John. „Was ist denn so männlich daran, wenn einem Männerbrüste wachsen, wenn man Pillen braucht, um einen Steifen zu bekommen oder wenn man so fett wird, dass man seinen Pimmel nicht mehr sehen kann? Das passiert nämlich, wenn du nichts änderst."

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John Joseph ist sich sehr wohl bewusst, dass er mit Meat Is for Pussies auf Männer abzielt, für ihn hat das allerdings nichts mit Bros zu tun.Er gibt aber auch zu, dass er von feministischer Seite ziemlichen Gegenwind wegen des Buches bekommen hat.

„Ach die haben auch Scheiße über Rory Freedman und Kim Barnouin von Skinny Bitch geschrieben, weil sie die Wörter skinny und bitch verwendet haben. Mir sind solche Leute scheißegal, die verändern nichts", meint er. „Alles, was Typen helfen kann, die festgefahren waren, ist doch gut. Diese ganze Bro-Geschichte hat aber einen negativen Beigeschmack,man denkteben an ein paar Schwachköpfe. Aber hier gibt es einen Bro-Bullshit."

Simon Timony lebt seit drei Jahren vegan. Auf Twitter schreibe ich ihm, um zu erfahren, wie er seiner Meinung nach als männlicher Veganer wahrgenommen wird. Genauso wie Carol Adams Behauptung, dass Veganismus als von vornherein weiblich wahrgenommen wird, glaubt auch er, dass die Leute ihn für anormal halten, weil er Mann und Veganer ist.

„Für die meisten Leute sind Veganer immer Frauen, weil es eben sanfter ist. Bei veganen Männern denken alle, man hätte Eisenmangel und wäre unmännlich", schreibt er. „Frauen sind empfänglicher für Veganismus, während Männer zuerst fragen, wie ich an mein Eiweiß komme. Dann zeig ich ihnen meinen Bizeps."

Ich frage mich, ob diese neue Rhetorik nur dazu dient, das Mittelklasse-Image des Veganismus abzuwehren, wie es in der Clean-Eating-Bewegung vorherrscht. Adams sieht es eher als Mittel,Frauen und Nicht-Weiße innerhalb der veganen Bewegung unsichtbar zu machen, sodass weiße Männer „das Sagen haben".

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„Die Mainstream-Medien zeigen nicht die Vielfalt des Veganismus, sondern nur weiße Männer", sagt sie. „Aber es gibt auch eine Gegennarrative."

Die Bros sind natürlich etwas sehr US-spezifisches, aber auch in anderen Ländern gibt es ähnliches Tendenzen, wenn auch nicht so stark ausgeprägt.

Gareth David, Sänger und Songwriter der britischen Band Los Campesinos! und einmal nominiert als „Sexiest Vegan" von PETA, meint, dass Veganismus in Großbritannien nicht „bro-ifiziert" wird. Allerdings findet er, dass das ein Beispiel für generelle Probleme in der veganen Bewegung ist.

„Diskussionen mit den überzeugtesten Veganern gehen oft in unnütze und unpassende Vergleiche zwischen Sklaverei bei Menschen und bei Tieren oder in Vergleiche mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und Hautfarben", erzählt er mir. „Der Heganism ist ein anderes Beispiel dafür, aber zum Glück ist das noch nicht in dieser Form bei uns angekommen."

Für Gareth David ist der Aufstieg der veganen Bros nur ein Beweis dafür, dass Dinge erst ernst genommen werden, wenn sie auch für heterosexuelle, weiße Alpha-Männchen attraktiv sind.

„Leider braucht man wahrscheinlich genau das", meint er weiter, „damit Veganismus vom Mainstream akzeptiert wird."

Frauen leben immer noch wesentlich häufiger vegan als Männer, es fühlt sich aber manchmal so an, als werden wir für die Bewegung geopfert. Entweder indem Veganismus nur genutzt wird, damit wir uns noch mehr für unseren Körper und unsere Gelüste schämen. Oder indem wir ausgenutzt und zu Objekten degradiert werden werden, um Aufmerksamkeit für Veganismus zu erregen.

„Das zentrale Problem ist", meint Adams, „dass das Töten von Tieren ein Teil des Patriarchats ist. Davon müssen wir uns befreien."