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Popkultur

Koks ist besser als Bodybuilding

Michael Bays 'Pain & Gain' war "billig" und Feuchtgebiete geht sehenswert mit Muschiflora am Finger hausieren.
Screenshots aus den jeweiligen Filmen

Ich äußere hier ohne Zynismus, Übertreibung oder Witz den Wunsch, dass Ben Affleck doch bitte bald sterben soll. Es gibt ein paar Dinge, die sind heilig, wie zum Beispiel der Caped Crusader aus Gotham. Argo fuck yourself! Gerüchten nach will auch Mark Wahlberg, der bei Michael Bays und unserem heutigen Review-Film Pain & Gain einiges an Spaß macht, im Comic-Wunderland mitmischen und die Iron Man Franchise übernehmen um selber als Blechflieger unterwegs zu sein. Es sieht nicht gut aus für die Helden von morgen. Aber zum Glück gibt es heute noch meine ausführliche Liebeserklärung an Feuchtgebiete.

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Pain & Gain: Wir brauchen mehr Filme, in denen The Rock auf Koks durchdreht

Erpressung und Folter können auch lustig sein. Der neueste Film Pain & Gain von Enfant Terrible Michael Bay dreht sich um ein intelligenzbefreites Bodybuildertrio, das endlich den amerikanischen Traum leben will, indem sie ein wohlhabendes Arschloch (Tony „Monk" Shalhoub) entführen und ihn um sein gesamtes Hab und Gut bringen wollen. Der Humor ist dabei genau so subtil wie die Action in den Transformers-Filmen. Aber Subtilität ist sowieso überbewertet! Es ist als wollte Bay sagen „Hey, Ich kann auch für ein Zehntel meines üblichen Blockbuster-Budgets (Anm.: keine Untertreibung) einen brauchbaren Film raushauen." Das ist ihm auch gelungen und die irre Geschichte (noch irrer, aufgrund der Tatsache, dass sie auf wahren Ereignissen beruht) ist fast durchgehend gut und unterhaltsam inszeniert.

Kompetentere Comedy-Schreiber hätten sicher noch mehr rausgeholt aus Figuren wie dem verrückten Over-the-Top Wahlberg, dem gequälten Shalhoub und „The Rock" als Hardcore-Christen. Ich find es jedenfalls beruhigend, dass mittlerweile an einem vierten Transformers gewerkelt wird. Sachen stilvoll explodieren lassen und Robot-on-Robot-Violence kann Bay halt doch am besten. Eines ist nach Pain & Gain aber sicher, nämlich dass wir mehr Filme brauchen, in denen Dwayne "The Rock" Johnson auf Koks durchdreht.

PETER VOGL

Feuchtgebiete: Wenn das richtige Wort noch fehlt

Ein schleimiger Avocado-Kern wird geleckt um zur Eichel umsymbolisiert zu werden, Muschisaft wird zum Parfum und der Anus zum blutigen Schlachtfeld. Die Methoden von Feuchtgebiete, die Verfilmung des Buchs von Charlotte Roche, das ich aus Desinteresse nicht gelesen habe—und ich auch nicht lesen werde, obwohl mir der Film unglaublich gut gefallen hat—sind plakativ und reißerisch und funktionieren vielleicht gerade deshalb so perfekt im Kino. Die Geschichte von der ranzig geilen Helen, die an der Oberfläche mit ihrer jugendlich frechen Anarchiefassade etwas anstrengend rüberkommt, geht mit ihrer ausgezeichneten Muschiflora am Finger in unangenehme psychologisierte Tiefen, so dass einem im Vergleich die Körperflüßigkeits-Verherrlichungen samt Bauchkacken gar nicht mehr so schlimm erscheinen.

Bei der Premiere in Wien letztens war der Hype natürlich groß und interessanterweise schien in der österreichischen Presse/Berichterstattung das Wort "schlüpfrig" zum allgemein anerkannten Modewort geworden zu sein, wenn es um die Beschreibung von Feuchtgebiete geht. Das erinnert ein wenig an den Spruch von WKO-Präsident Leitl, in dem er Österreichs Wirtschaft als "abgesandelt" bezeichnet und diese schlagende Bezeichnung gerade jetzt im Wahlkampfvorfeld permanent die mediale Runde macht. Jedenfalls ist Feuchtgebiete eher noch "abgesandelt" als "schlüpfrig". Wenn sich eine beim Rasieren am Arsch in die Hämorriden schneidet, ist das nicht schlüpfrig, sondern brutal starkes I-Do-What-I-Want-Filmemachen und verdient mehr als ein billiges Schlagwort.

Im VICE-Interview mit Charlotte Roche habe ich es schon erwähnt: Mir hat Feuchtgebiete richtig gut gefallen, wider erwarten haben mich Helen und ihr Ekelfetisch verzaubert. Ich bin skeptisch wie es meinen Mitmenschen und Kollegen dabei ergehen wird, aber ich mache ernsthaft die Vorhersage, dass dieser Film international erfolgreich sein wird, vielleicht nicht unbedingt Preise gewinnt, aber in einen relevanten, allgemein anerkannten Kanon eingehen wird. Was Carla Juri, die ich jetzt leider für immer vergöttern muss, hier an Charakterarbeit abgeliefert hat und wie sie der Geschichte weiterhilft mit dem Ekel schlau zu arbeiten, ist phänomenal. Wie bei einem guten japanischen Torture-Porn schüttelt es einem im Kinositz, aber nichts wirkt lächerlich in Richtung Deutsch-Comedy-Peinlichkeiten a lá Kleinohrhasen oder wie die alle heißen. Die überintellektuelle Method-Herangehensweise, die Hauptdarstellerin Carla Juri in Interviews mit einem prätentiösen Künstlergesichtsausdruck nasal beschreibt, kaufe ich ihr jetzt auch nicht 100% ab. Sie ist nicht Christian Bale. Aber dass sie bei den Dreharbeiten manchmal einige Tage pausieren musste, da die physische und psychische Darstellung der kaputten Helen an die Substanz gingen, glaube ich ihr dann doch.

Feuchtgebiete hat die unangenehmsten Gespräche mit Eltern, interracial Intimrasur und einfach richtig gute Bildanalogien auf Rorschachtest-Niveau, abstrakt und doch eindeutig. Ein stilistisch überzeichneter Drogenausflug darf natürlich auch nicht fehlen. Die Endauflösung der Geschichte ist zwar etwas komisch heile Welt und beinahe surreal, aber verzeihbar. Ich sage nur, der arme Krankenpfleger, Borderline-Mädels sind nicht unbedingt Girlfriend-Material. Spätestens ab der Hälfte des Films kommt raus, dass hinter Helens dominanten, sexuell-aggressiven und superlässigen Skater-Gehabe, eigentlich eine ziemlich kaputte, selbstzweifelnde Hexe steckt. Mir bleibt jedenfalls definitiv eine Obsession mit Carla Juris Vagina und etwas Angst vor Klobrillen. Ich glaube, ich liebe diesen Film, verdammt noch mal.

Wohlsein