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Hat eine Schweppes-Dose den russischen Metrojet-Airbus zum Absturz gebracht?

Wir haben einen Sprengstoff-Experten zu der Bombe befragt, die der IS an Bord des abgestürzten Metrojet-Airbus geschmuggelt haben soll. Angeblich versteckte sich der Sprengsatz in einer Softdrink-Dose.
Screenshot: Motherboard

Eine Dose könnte ausgereicht haben, um ein Flugzeug der russischen Airline Metrojet mit 224 Menschen Ende Oktober in die Luft zu sprengen—damit brüstet sich zumindest die Terrororganisation „Islamischer Staat" (IS) in der aktuellsten Ausgabe des Propagandamagazins „Dabiq". In dem englischsprachigen Magazin ist ein Foto abgedruckt, darauf zu sehen sind eine Dose Schweppes Gold, daneben ein Zünder und ein Kippschalter. Ob es sich dabei um die Bombe handelt, die den Airbus über dem Sinai mit überwiegend russischen Passagieren zum Absturz brachte, ist bislang unklar.

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Jörg Rennert ist Geschäftsführer vom deutschen Spreng-Verband e. V., mit ihm schaue ich mir das Bild an. Im Boden der Dose ist ein Loch gebohrt, dahinter eine weiße Masse erkennbar.

„Zunächst ist es schwierig, sich aus der Distanz dazu zu äußern. Bei der weißen Masse in der Dose könnte es sich um plastischen Sprengstoff handeln." Plastischer Sprengstoff ist ähnlich einer Knetmasse formbar und könnte so in einer entsprechenden Dose eingepasst worden sein. Ob er aber hier zum Einsatz kam, lässt sich anhand der nun veröffentlichten Bilder nicht erkennen—mehr Aufschluss wird womöglich die noch andauernde Untersuchung der Wrackteile geben, die in Russland durchgeführt wird.

Einer der Flugschreiber des abgestürzten Airbus A321. Eine Audiountersuchung hatte bereits ergeben, dass es vor dem Absturz zu einer Explosion an Bord gekommen sein musste. Bild: Imago.

„Auch zu der Sprengkraft so einer Bombe kann man nichts sagen, das hängt schließlich vom verwendeten Sprengstoff ab. Neben der Dose liegt ein typischer Zünder in einer Aluminium-Hülse. Daneben ein verdrahteter Kippschalter", erklärt Rennert.

Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen möchte sich zu dem aktuellen Fall nicht äußern. Allerdings bestätigen die LKA-Experten auf dem Gebiet Sprengstoff, dass die Menge Sprengstoff, die in eine Cola-Dose passt, durchaus ein Flugzeug zum Absturz bringen kann, vorausgesetzt, es handelt sich um die entsprechende Sorte Sprengstoff, die an einem dafür geeigneten Ort in einem Flugzeug platziert wird.

Warum konnten die Geheimdienste trotz strenger Überwachungsgesetze den Anschlag von Paris nicht vereiteln?

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Doch wie kann Sprengstoff durch die Sicherheitskontrollen gelangen? Bereits im Jahr 2001 gelang es dem Briten Richard Reid, einen äußerst kleinen Sprengsatz an Bord zu schmuggeln. Auf einem Flug von Paris nach Miami hatte er mit Streichhölzern versucht, den Sprengsatz, der im Absatz seines Schuhs versteckt war, zu zünden.

Er konnte von Passagieren und der Besatzung rechtzeitig daran gehindert werden. Vor Gericht gab Reid an, im Auftrag von Al-Qaida zu handeln und die Vereinigten Staaten zu hassen. Der 29-Jährige ist in den USA zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden.

In der Propagandazeitschrift des IS heißt es, den Dschihadisten sei es bereits vor einiger Zeit gelungen, einen Weg zu finden, um die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen Scharm al-Scheich zu überwinden. Aufgrund der Bombardements durch Russland auf IS-Stellungen in Syrien, habe man sich dann ein russisches Flugzeug ausgesucht, um dort eine Bombe zu platzieren. Diese sei dann an Bord geschmuggelt worden—Ermittler haben sich bisher nicht dazu geäußert, wie eine Bombe an Bord gekommen sein könnte.

Auf einem weiteren Foto im Magazin ist die Absturzstelle des Airbus mit Wrackteilen zu sehen. Daneben angeblich die Ausweise von Passagieren, die an Bord der abgestürzten Maschine waren. Ob tatsächlich IS-Anhänger an der Absturzstelle waren, um persönliche Gegenstände der Opfer einzusammeln, lässt sich derzeit nicht bestätigen.

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Bereits am Montag Abend hatte der Leiter des Geheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, auf einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates erklärt, dass ein selbstgebauter Sprengsatz mit einer Sprengkraft von bis zu einem Kilogramm TNT an Bord detoniert sei. Der Geheimdienst glaubt, dass die Bombe direkt neben einem Sitz in Fensternähe platziert worden sei, der sich im hinteren Teil des Rumpfes befand. Die New York Times berichtet in ihrer Analyse des Bildes, dass die Menge an Sprengstoff, die in der Getränkedose untergebracht werden könnte, größer sei, als die der Handgranaten, die 2004 zwei russische Passagierflugzeuge zum Absturz gebracht haben sollen.

Ägyptische Krankenwagen und offizielle Fahrzeuge parken in der Nähe eines Trümmerfelds des abgestürzten Airbus. Bild: ITAR/TASS; Imago.

Damit steht laut Bortnikow fest: Es handelte sich eindeutig um einen Terroranschlag. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte an, die Terroristen „überall zu suchen, wo sie sich auch verstecken. Wir werden sie an jeder Ecke des Planeten finden und bestrafen." Für Hinweise auf die Täter ist eine Belohnung von umgerechnet 47 Millionen Euro ausgesetzt.

Das Vorwort des nun veröffentlichten IS-Propagandamagazins beschäftigt sich nicht weiter mit dem mutmaßlichen Angriff auf den russischen Ferienflieger. Stattdessen widmet man sich Anschlägen in Paris, die in martialischer Sprache verherrlicht werden—Informationen über Attentäter und Hintermänner werden jedoch ausgespart.

Die Fotos der angeblichen Bombe wurden bereits gestern auf Twitter von IS-Sympathisanten geteilt. Einige der Posts und Konten sind inzwischen gelöscht.

Wir haben am Mittwochabend Anfragen an verschiedene Behörden zur Flugsicherheit und dem Vorfall gestellt, haben uns aufgrund der Aktualität des Themas aber bereits jetzt für eine erste Veröffentlichung des Artikels entschieden. Sollten wir neue Informationen erhalten, werden wir den Text entsprechend aktualisieren.