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Wirres Deutschland

Schleswig-Holstein hat eine erfolgreiche Methode gegen "Reichsbürger" gefunden

Und die wird für Reichsbürger richtig teuer.
Fotos: imago | Westend61;Guilmann | Wikimedia Commons | gemeinfrei || Collage

Ein selbsternannter Reichsbürger stampft in eine deutsche Behörde und übergibt angewidert seinen Personalausweis. Er schlägt die Hacken zusammen, dreht sich auf dem Absatz um und marschiert heim ins Fantasia-Kaiserreich. Zurück bleiben genervte Beamte und ein unangenehmer Sauerkrautgeruch. So ähnlich dürfte sich diese Szene auf Ämtern abspielen, wenn Reichsbürger feierlich ihren Austritt aus der "BRD GmbH" verkünden, die angeblich hinter Deutschland steht. Ihrer Überzeugung nach sind Behörden genauso wie der deutsche Staat nur Marionetten geheimer Mächte, die uns alle unterjochen. Das Spiel mit den Ausweisen ist nur eine von vielen Methoden des Nervkram-Arsenals, mit dem Reichsbürger Behörden terrorisieren. Doch nun terrorisieren die Ämter zurück.

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Das schleswig-holsteinische Innenministerium hat jetzt einen erfolgreichen Weg getestet, um "Reichsbürgern" zu zeigen, wer die mächtigere Gang im Land ist. Behörden dürfen abgegebene Ausweisdokumente nicht einfach vernichten, sondern müssen sie in Tresoren lagern. Zusätzlich zum Verwaltungsaufwand kostet das Geld, welches sich das Innenministerium seit letztem Jahr von den Ausweisallergikern zurückholt.

Fünf Euro kassieren die Behörden dort von jedem, der seinen Personalausweis oder Reisepass bei ihnen einlagert – und das pro Tag. Die Gebühr richtet sich nicht nur gegen Reichsbürger, auch wenn diese wohl einen Großteil der Kundschaft stellen. Alleine in Schleswig-Holstein leben derzeit 178 Menschen, die das Innenministerium der Szene zuordnet. Seit Einführung der Gebühr haben knapp 70 Prozent der Leute, die ihren Reisepass oder Personalausweis abgeben wollten, ihn wieder mitgenommen.

Weil Reichsbürger Ausweisdokumente anscheinend ungefähr so ungeil finden wie Vampire Nippelklemmen aus Feinsilber, haben wir als kleinen Service zusammengerechnet, wie viel es kosten würde, für längere Zeit ganz sorgen- und ausweislos durch die "Besatzungszone" zu wandeln. Ein Monat kostet ungefähr 150 Euro, für ein ganzes Jahr erhebt die BRD GmbH 1.825 Euro. Wäre da nicht die Strafe von bis zu 5.000 Euro, die bei Verstoß gegen die Ausweispflicht fällig wird, wäre das doch ein ziemlich guter Deal, oder? Wie ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber der SHZ mitteilte, überlegen nun auch Behörden anderer Bundesländer, das Erfolgsmodell zu übernehmen.

Schleswig-Holstein folgt damit den erfindungsreichen Behörden in Thüringen im Kampf gegen staatenlose Querulanten. Ein Amt in Thüringen hatte Anfang dieses Jahres mit einem Mann zu tun, der seine Nummernschilder mit schwarz-rot-weißen "Reichsflaggen" beklebte. Weil er sich mit preußischer Standhaftigkeit weigerte, etwas daran zu ändern, erklärte die Behörde den Mann für offenbar psychisch gestört und nahm ihm alle Führerscheine weg, samt Motorrad- und LKW-Führerschein. Wenn die deutschen Behörden weiterhin so effizient arbeiten, leben Reichsbürger bald führerscheinlos und pleite in ihren selbsternannten Republiken.

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