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Papst Franziskus hat die Jungfrau Maria als "Influencerin" bezeichnet

Und das war ein verdammt schlauer Move.
Papst Franziskus, die Jungfrau Maria und ein Tweet
Bild: Shutterstock | Giulio Napolitano | Praweena Style || Screenshot | Twitter || Collage: Motherboard

Menschen einen anderen Glauben aufzwingen und Frauen den Zugang zu Macht verweigern – die katholische Kirche hat sich in ihrer Geschichte schon als Expertin für vieles erwiesen. Inzwischen auch für Social Media, wo der Papst am Sonntag Mutter Maria als "Influencerin Gottes" bezeichnet hat. Damit bringt der Chef von über 1,2 Milliarden Katholiken Religion und Meme-Kultur geschickt zusammen.

Und siehe da: Sogar auf Motherboad wird heute ausnahmsweise mal über Religion gesprochen. Aber wie meint der Papst das genau? Was macht Maria zur Influencerin? Und stimmt das überhaupt?

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"Durch ihr 'Ja' ist Maria die Frau, die die Geschichte am meisten beeinflusst hat", heißt es in dem päpstlichen Tweet. "Ohne soziale Netzwerke war sie die erste Influencerin, die 'Influencerin' Gottes." Offensichtlich stand der Papst, als er das schrieb, unter dem Einfluss all der jungen Menschen um ihn herum auf dem Weltjugendtag in Panama. Und Statements wie diese gefallen den Followern des Papstes: Über 52.000 Likes sammelte der Tweet im Verlauf des ersten Tages. 11.000 Accounts retweeteten die Aussage sogar. Doch das eigentliche Geheimrezept des Tweets ist: Man kann und sollte darüber streiten.

Franziskus als Meme-Meister

Die über 3.000 Kommentare zum Tweet beweisen: Selbst wenn man Maria nicht als Influencerin bezeichnen kann – der Papst ist auf dem besten Weg, selbst einer zu werden. Und zwar ein geschickter. Er, oder vermutlich eher ein Social-Media-Team, beherrschen die hohe Kunst der Provokation. Mit seiner fragwürdigen Aussage triggert er nicht nur Meme-Meister, die freche Bild-Antworten posten, nicht nur Hardcore-Katholiken, die auf jede Frage ein Bibelzitat zur Hand haben, sondern vor allem auch Menschen, die sich sonst keine großen Gedanken über Religion machen. Jetzt führen sie eine richtige Unterhaltung darüber und arbeiten sich an einer Frage ab, der sich Religion im Jahr 2019 endlich stellen muss.

War Maria wirklich die Frau, die unsere Geschichte am meisten beeinflusst hat? Selbst wenn man Heldinnen wie Rosa Parks, Marie Curie und Ada Lovelace zugunsten der Bibel vernachlässigt und man sich an den Erzählungen einer Religion orientiert: Warum ist nicht Eva die wichtigste Frau? Immerhin brachte sie, so die Bibel, Wissen und Erkenntnis über die gesamte Menschheit. Props dafür! Aber: Gleichberechtigung ist in der katholischen Kirche eher nicht so angesagt.

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Doch viele Twitter-Nutzerinnen finden noch weitere Kritikpunkte im Tweet. Während manche das "Ja" als Solidarisierung mit #MeToo verstehen, halten andere dagegen. Ob Maria zur Schwangerschaft mit Jesus wirklich "Ja" gesagt hat, so wie der Papst behauptet, ist zweifelhaft. Schließlich hätte sie vor einer Zustimmung erst einmal gefragt werden müssen. "Könnte mich kurz jemand daran erinnern, in welchem Kapitel und Vers Maria *gefragt* wurde, ob sie Jesus zur Welt bringen will?", bittet Nutzerin Siobhan O'Flaherty deshalb um Bibel-Nachhilfe.

Andere Nutzerinnen wie Tracy Culleton sind da noch direkter. "Es war natürlich nicht einvernehmlich", erklärt sie. Gabriel habe Maria nicht gefragt, sondern ihr lediglich mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Maria habe das dann zwar akzeptiert, "aber kommt schon, eine junge, ungebildete jüdische Frau steht hier gegen einen Engel. Die ungleiche Machtverteilung war so groß, es konnte gar kein echtes Einvernehmen geben."

Und dann ist da noch ein Nutzer, der sich – na klar – Jesus Christus nennt, und das alles auf den Punkt bringt: "Mom war 12, Alter. Ich weiß, du und deine Priester, ihr denkt, dass das ein angemessenes Alter für einvernehmlichen Sex sei, aber das ist es mit Sicherheit nicht." Tatsächlich geht die aktuelle Wissenschaft davon aus, dass Maria zur Zeit der Geburt Jesu zwischen 12 und 14 Jahren alt gewesen sein müsste.

Auf eine andere Weise genial ist der Tweet trotzdem, und das liegt daran, dass er sofort Bilder hervorruft: Maria, die Influencerin – eine Frau mit Baby im Arm, die fröhlich vor der Kamera eine Einkaufstüte aus der Drogerie präsentiert, #HolyHaul, die in Reaction-Videos auf Bibelverfilmungen reagiert oder ihre Fans in ASMR-Videos mit sanftem Flüstern segnet. Der Influencer-Vergleich löst mehr aus als Fotos von niedlichen Kindern. Die Beiträge zu Taufen auf dem Instagram-Account des Papstes bekommen nur die Hälfte der Kommentare wie der zu Maria.

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Kann man mehr von einem Papst verlangen?

Der Papst hat eine Diskussion angestoßen. Er hat dafür gesorgt, dass Menschen sich austauschen und sich dabei erstaunlicherweise nicht wüst beschimpfen. Wem gelingt das schon? Wann sonst kommt es vor, dass gläubige und nicht-gläubige Menschen, konservative und liberale Katholiken über ihre Auffassung von der Welt und ihren Eindruck von der Kirche miteinander reden und sich zuhören? Mehr kann man nicht von einem Papst im Internet verlangen.

Wird der Papst bald eigene Memes basteln und selbst mitdiskutieren? Wohl eher nicht. Jedenfalls hat er sich in der Vergangenheit immer zurückgehalten, wenn es um Antworten auf Twitter geht. Aber vielleicht kommen ja bald noch mehr Beiträge wie dieser.

Wie wär's mit einem Tweet, der die Evangelisten mit Battle-Rappern gleichsetzt? Oder einem 'Minecraft'-Let's-Play, in dem der Turmbau zu Babel nachgestellt wird? Auf die Memes, die dann entstehen, würden wir uns extrem freuen.

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