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Drogen

Schweizer konsumieren pro Jahr über zwei Tonnen Heroin

Wenn der Stoff beim Endverbraucher ankommt, beträgt der Reinheitsgrad noch knapp 15 Prozent.

Foto von der KaPo Bern[ ](https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)Den Schweizer Heroinmarkt assoziieren die meisten Leute noch immer mit dem Drogenelend des Zürcher Platzspitz, oder mit der staatlichen Heroinabgabe in grossen Schweizer Städten. Über den Handel und den Konsum des Opioids in der ländlichen Schweiz ist jedoch nicht viel bekannt. Eine neue Studie von Sucht Schweiz, dem Institut für Kriminologie (ESC) der Universität Lausanne sowie dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin (IUMSP) des Universitätsspitals Lausanne, soll dieser Wissenslücke nun Abhilfe schaffen und wirft erstmals systematisch Licht ins Dunkel eines ländlichen Heroinmarkts – anhand des Beispiels Kanton Waadt.

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Untersucht wurde die Qualität des Heroins, die konsumierten Mengen, die Strukturen des Marktes sowie seinen finanziellen Wert. Dazu wurden Abwasseranalysen durchgeführt, Drogenrückstände in gebrauchten Spritzen untersucht sowie Fachpersonen interviewt und bestehende Statistiken und Befragungen ausgewertet. "Wir erhoffen uns damit einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Drogenpolitik und zur Förderung von faktenbasierten Debatten zu leisten", erklärt Frank Zobel, Vize-Direktor von Sucht Schweiz auf Anfrage. Folgende Eigenschaften zeichnen den Heroinmarkt im Kanton Waadt aus:

Das Produkt

Das Heroin erreicht die Schweiz meist in gepressten Packungen von 0,5 bis 1 Kilogramm und weist dabei einen Reinheitsgrad von 40 bis 60 Prozent auf. Bis es den Endverbraucher erreicht, wird es drei- bis viermal mit einer Mischung aus Koffein und Paracetamol gestreckt. Danach beträgt der Reinheitsgrad gerade noch 10 bis 15 Prozent. Für ein 5-Gramm-Beutelchen werden typischerweise Preise zwischen 120 und 200 Franken bezahlt.

Die Händler

Der Schweizer Heroinmarkt ist seit mehreren Jahrzehnten in der Hand der albanischen Mafia. Zobel sieht für diese Vormachtstellung mehrere Gründe: "Einerseits hält die albanische Mafia an einem konservativen, nicht zu ehrgeizigen Businessmodel fest, andererseits sind sie international besser vernetzt als ihre Konkurrenz." Da sie in kleinen, flexiblen und ersetzbaren Einheiten operiert, bildet sie eine für die Polizei sowie auch für Konkurrenten schwer zu bekämpfende Struktur. Ihre Mitglieder halten sich meist bloss mit einem Touristenvisa für drei Monate im Land auf und verschwinden danach wieder. Beim Kanton Waadt handelt es sich jedoch um einen Sekundärmarkt: Ein Grossteil des Heroins wird von den Konsumierenden in Genf und bisweilen im Kanton Bern erworben und dann im Waadtland an Freunde weiterverkauft.

Die Menge

Die Auswertung der Abwasseranalysen sowie die Ermittlung der Anzahl Konsumierender hat ergeben, dass im Kanton Waadt jährlich 205 Kilogramm gestrecktes Heroin konsumiert werden, was je nach Dosis zwischen 1.300 und 2.800 Spritzen, Nasen oder Folien pro Tag entspricht. Zudem beschlagnahmt die waadtländische Polizei jährlich noch rund 18 Kilogramm Heroin. Rechnet man die Menge auf die gesamte Bevölkerung hoch, so kommt man auf eine Gesamtmenge von über zwei Tonnen Heroin, die jährlich in der Schweiz konsumiert werden.

Der Umsatz

Die verkaufte Menge generiert einen Jahresumsatz von acht bis elf Millionen Franken pro Jahr. Die Urheber der Studie gehen davon aus, dass davon rund vier Millionen auf den Primärmarkt der albanischen Mafia entfallen, während der Rest aus dem Wiederverkauf zwischen Endkonsumenten entsteht. Monatlich geben Konsumierende zwischen 400 und 1.700 Franken für ihre Sucht aus.

Die Konsumierenden

Anders als in Zürich, gibt es im Kanton Waadt keine staatlichen Konsumräume und auch keine ärztlich kontrollierte Heroinabgabe. Gemäss Zobel befänden sich aber die meisten Konsumierenden in einer Substitutionsbehandlung und hätten zudem Zugang zu Spritzenabgaben und Anlaufstellen. "Das grösste Problem bleibt weiterhin die soziale Integration, also Jobs und Wohnungen", so Zobel. In den nächsten Monaten soll in Lausanne ein Konsumraum sowie eine kontrollierte Heroinabgabe eingeführt werden.

Die Studie liefert also viele Antworten auf bisher ungeklärte Fragen. Einige bleiben jedoch offen. Zum Beispiel die Frage, wie genau der Import des Heroins und der Streckmittel von statten geht und inwiefern die einzelnen Gruppierungen, die im Handel aktiv sind, miteinander kooperieren, respektive konkurrieren. Zobel hofft, in Zukunft mit einer grösseren, nationalen Studie näher darauf einzugehen. Momentan fehle es jedoch noch an Finanzmitteln, so der Vize-Direktor von Sucht Schweiz.

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