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Wie die Premier League auf ihr Trikot-Abkommen mit den Fans scheißt

Jedes Jahr ein neues Trikot, dass sich nur minimal vom Vorgänger unterscheidet—die Premier League weiß, wie sie Fußball-Fans das Geld aus den Taschen zieht. Dabei hatte man eigentlich eine andere Abmachung.
PA Images

Nach seinem überwältigenden Wahlsieg 1997 rief Tony Blair und seine Labour Partei die imposant klingende „Football Task Force" ins Leben. Mit dem früheren Parlamentsabgeordneten David Mellor als Vorsitzenden hatte sich die Gruppe zum Ziel gesetzt, Strategien und Maßnahmen gegen die um sich greifende Kommerzialisierung im englischen Fußball zu formulieren. Auch wenn sie nur eingeschränkte Befugnisse hatte, was die Umsetzung ihrer Vorschläge betraf, hatte die Task Force doch zumindest den Segen und Rückhalt der neugewählten Regierung im Rücken, ganz abgesehen von der Unterstützung tausender verärgerter Fußballfans. Denn nach fünf Jahren Premier-League-Ära war unverkennbar, dass die Ticketpreise stetig stiegen und Unternehmenspraktiken auf dem Vormarsch waren. Fußball wurde allmählich zu einer Marketingmaschinerie, weswegen beschlossen wurde, dass die Vereine zur Verantwortung gezogen werden müssen.

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Die Task Force hat in ihren Anfangsjahren einige Siege erringen können, darunter Zusagen vonseiten der Premier League, Breitenfußball zu fördern, die Verteuerung der Ticketpreise zu bremsen und für Transparenz in Sachen Klubeigentümerschaft zu sorgen. Zudem wurde die Gründung von Fan-Organisationen gefördert und ein Dialog zwischen Vereinen und Anhängern angeregt.

Im Jahr 2000 sah es so aus, als hätte die Task Force den EPL-Clubs auch in einem anderen Punkt einen wichtigen Kompromiss abringen können: bei der Häufigkeit von Trikotveröffentlichungen. Nachdem man vorgeschlagen hatte, dass die Vereine nur alle zwei Jahre ein neues Heimtrikot auf den Markt bringen, wurde genau dieser Vorschlag in die sogenannte „Premier League Charter" aufgenommen. Diese sollte als allgemeiner Verhaltenskodex für Vereine dienen und wurde von allen 20 Mannschaften der höchsten englischen Spielklasse unterzeichnet.

Auch wenn die Häufigkeit neuer Trikotveröffentlichungen nicht unbedingt zu den dringlichsten Sorgen von Fußballfans gehören mag, ist die Praxis, jede Saison ein neues Trikot vorzustellen, doch Ausdruck einer Unternehmenskultur, die den Fans auch den letzten Penny aus der Tasche ziehen möchte. Vor allem Eltern trifft diese Praxis hart, die am Ende die Rechnung für die Wünsche ihrer Kinder übernehmen müssen. Das Ganze ist auch deswegen so ausbeuterisch, weil die Trikotpreise in den letzten Jahren stetig angestiegen sind. Ein durchschnittliches Heimtrikot kostet in der Premier League knapp 58 Euro. Und Kindertrikots sind nur unerheblich günstiger. Genau aus diesem Grund ist es ein Unding, dass Trikots Jahr für Jahr nur minimal verändert und dann als *neu* vorgestellt werden.

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Die Football Task Force sah schon vor fast zwei Jahrzehnten die Notwendigkeit, sich der Häufigkeit von Trikotveröffentlichungen anzunehmen. Zu einer Zeit, als Trikots noch viel günstiger waren. Die Charter, die in Absprache mit Fans formuliert wurde, sollte einige Beschränkungen in Stein hauen. Darunter auch das Versprechen, dass „alle Replica-Trikotdesigns eine ‚Mindestgültigkeit' von zwei Spielzeiten haben sollen."

Stellt sich die Frage, warum dieses Versprechen so konsequent mit den Füßen getreten worden ist.

Erst einmal muss man wissen, dass die Charter nie gesetzlich bindend war. Es war eine freiwillige Vereinbarung und damit vom guten Willen der Klubs abhängig. Und genau dieser gute Wille ist irgendwann in den letzten zehn Jahren abhanden gekommen. Die meisten Premier-League-Klubs bringen mittlerweile pro Saison ein neues Heim- und Auswärtstrikot raus, dazu kommen dann noch Ausweich- und Vintagetrikots. Und die Designs unterscheiden sich zu den Vorgängermodellen in vielen Fällen nur minimal. So minimal, dass man sagen könnte, dass den Designern augenscheinlich die Ideen ausgegangen sein müssen.

Dass die Charter fallengelassen wurde, wird auch dadurch deutlich, dass sie sogar auf der Website der Premier League gänzlich verschwunden ist. Als wir im Suchfenster ‚Premier League Charter' eingegeben haben, gab es keinerlei Verweis auf die Vereinbarung.

Darum bekommt man auch den Eindruck, dass das Fan-Manifesto stillschweigend unter den Teppich gekehrt worden ist, weil es für die Vereine eine nervige Hürde darstellt, die einem ordentlichen Abkassieren im Wege steht. In einer Zeit, wo Vereine alles dafür tun, neue Sponsoren anzulocken und glücklich zu stimmen, ist es nur folgerichtig, jedes Jahr ein neues Trikot rauszuhauen. Wie sehr die Liga mittlerweile auf Totschweigen gepolt ist, wird durch unsere E-Mail-Kommunikation mit der Premier League deutlich. Es gab nämlich keine. Eine Anfrage bezüglich der in Vergessenheit geratenen Charta blieb leider unbeantwortet. Und auch als wir alle 20 EPL-Vereine angeschrieben haben und mit ihnen über die Häufigkeit ihrer Trikotpräsentationen sprechen wollten, bekamen wir bis auf vier Ausnahmen keinerlei Antwort. Und der Inhalt der vier Antworten lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: „No comment."

Wenigstens eine Organisation war willig, uns eine echte Antwort zu geben: die Football Supporters' Federation, die wichtigste Interessengemeinschaft britischer Fußballfans. Der Sprecher räumte ein, dass Trikotveröffentlichungen nicht wirklich zu den Prioritäten zählen, weil Fans Themen wie Ticketpreise, Stehplätze oder Polizeigewalt mehr am Herzen liegen. Gleichzeitig ist der FSF durchaus bewusst, dass Trikots „sehr teuer" sein können, weswegen man den Vereinen schon einige Vorschläge unterbreitet habe. Zum Beispiel habe man dafür plädiert, dass Trikots mit einer Art „Verfallsdatum" bezüglich ihrer Aktualität versehen werden, um so für mehr Langlebigkeit und Gegenwert zu sorgen. Ob die Vereine darauf reagieren werden, bleibt abzuwarten. Wenn man sich anschaut, was aus der Charta geworden ist, sollte man vielleicht nicht allzu optimistisch sein.

Übrigens sind ständig neue Trikots kein exklusives Problem der Premier League. Auch Bundesliga-Fans wissen nur zu gut darum, wie lange ein heute gekauftes Trikot noch aktuell ist. Es gibt jedoch einen kleinen, aber feinen Unterschied. Deutsche Vereine haben (leider!) keine Vereinbarung mit der DFL abgeschlossen, die sie mittlerweile mit den Füßen treten. Wortbrüchig wurden einzig und allein die Vereine aus der Premier League. Und die Kosten dafür müssen die Fans übernehmen.