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Rausch

Der schwedische Screwdriver: Desinfektionsgel mit Orangensaft

Weil harter Alkohol in Schweden nur schwer zu bekommen ist, mischen sich Jugendliche in ihren Orangensaft statt Wodka lieber Händedesinfektionsmittel und landen dann mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus.
Hilary Pollack
Los Angeles, US

Sobald man irgendwann mal die Glotze anschaltet, gibt es immer irgendeine Horrorstory in den Nachrichten über irgendwelche verrückten Methoden, mit denen sich rauschverliebte Teenager ordentlich abschießen. Anal-Shots, in Wodka getränkte Tampons, Eyeball-Shots, Jenkem und so weiter.

Und jetzt eben auch das gute alte Desinfektionsmittel. Händedesinfektionsgel besteht ja fast nur aus Alkohol, denn Alkohol tötet Keime. Deshalb werden auch andere Haushaltsmittelchen wie zum Beispiel Mundwasser gern mal zweckentfremdet. Damit das Zeug auch wirkt, muss das Desinfektionsgel mindestes 70 Prozent Ethanol enthalten. Bis jetzt war aber noch nicht so klar, wie wie viel Teenager davon wirklich trinken oder ob das Ganze nur, wie wahrscheinlich bei Jenkem, eher ein Mythos ist.

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Schaut man sich einmal die Statistiken der Krankenhäuser an, dann ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich Jugendliche heute lieber mit Sagrotan als mit Billig-Wodka volllaufen lassen. In den USA hat sich die Zahl der Fälle zwischen 2010 und 2014 vervierfacht.Aber nicht nur auf der anderen Seite des großen Teichs, sondern auch in Schweden.

Die schwedische Polizei hat Apotheken in Värmland, einer Provinz im Westen Schwedens, dazu aufgefordert, Desinfektionsgel nicht mehr im freien Verkauf anzubieten, weil es immer mehr Fälle gab, in denen Jugendliche, nachdem sie das Handgel getrunken hatten, eine Alkoholvergiftung erlitten. An Neujahr gab es sogar einen neuen Notfallrekord, die Behörden sind alarmiert. Jetzt im Winter gehen die Verkaufszahlen für Desinfektionsgel durch die Decke, weil jeder sich vor einer Erkältung oder Grippe schützen will. Daher ist es für Apotheker schwer zu erkennen, warum sich jemand gerade mit Desinfektionsmittel eindeckt: Hypochonder oder Alkoholiker?

ARTIKEL: Kleine Kinder berauschen sich gern mit Händedesinfektionsmittel

Die größte Apothekenkette Schwedens, Apoteket AB, hat ihre Angestellten dazu angehalten, in Anbetracht der steigenden Zahl von Alkoholvergiftungen bei Teenagern, beim Verkauf von Desinfektionsgel vorsichtiger zu sein.

Harten Alkohol kann man in Schweden erst ab 20 Jahren trinken. Die speziellen Spirituosengeschäfte, die Systembolaget, werden vom Staat geführt, daher ist es als Minderjähriger schwer, auf die althergebrachte Art an Alkohol zu kommen: Gefälschte Ausweise oder mal schnell einen älteren Freund bezahlen zu lassen funktionieren nicht so richtig.

Polizeibeamter Stefan Sund meinte im Interview mit dem öffentlichen-rechtlichen Radiosender Sveriges Radio, dass die Teenies sogar eine neue Version des Screwdrivers kreiert haben: Desinfektionsgel mit Orangensaft.

Mmmhh, lecker. Hört sich noch schlimmer an, als Bacardi Breezer gemischt mit 20 Jahre altem Pfirsichlikör aus Opas Schnapsschrank. Ah, das weckt Erinnerungen.