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Innenminister plaudert geheimen Polizeieinsatz aus

Die Polizeigewerkschaft ist sauer: "Vielleicht senden wir den Medien auch gleich noch die Bilder unserer verdeckten Ermittler."
Foto: imago | Sven Simon

In der schwäbischen Kleinstadt Sigmaringen muss die Lage im Februar dramatisch gewesen sein. So dramatisch, dass der Bürgermeister, Thomas Schärer (CDU), einen Brief schrieb. Das Schreiben ging an den Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl, und den Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Darin klagte er über eine kleine Gruppe Geflüchteter, die immer wieder Straftaten begingen und der die örtliche Polizei nicht beikommen könne. Ladendiebstahl, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Fahren ohne Fahrschein, Körperverletzungen: All das habe deutlich zugenommen, sagte der Bürgermeister. Rund um den Bahnhof hätten sich immer wieder Geflüchtete betrunken und rumgepöbelt, die Deutsche Bahn habe daraufhin die Öffnungszeiten der Bahnhofshalle verkürzt, so der Bürgermeister weiter.

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Innenminister Thomas Strobl von der CDU nahm den Hilferuf ernst und kündigte am vergangenen Freitag öffentlich an, was er gegen die Probleme in Sigmaringen tun wolle: Er wolle verdeckte Ermittler des Landeskriminalamtes in die Stadt schicken, wenn es ein bisschen wärmer wird. Außerdem wolle er eine Einsatzgruppe mit acht Beamten stellen, die die Stadt unterstützen sollen. Die Informationen über immer wieder auffällig werdende Straftäter sollen an eine landesweite Stelle weitergegeben werden, die Baden-Württemberg erst Ende 2017 gegründet hatte: den "Sonderstab gefährliche Ausländer".


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Besonders die öffentliche Ankündigung, verdeckte Ermittler einzusetzen, erboste die Polizeigewerkschaft DPolG. "Verdeckte polizeiliche Maßnahmen in der Presse ankündigen, führt dazu, dass die Kollegen erheblichen Gefahren ausgesetzt sind. Das ist ein Skandal", sagte der Landesvorsitzende Ralf Kusterer. Bis spät in die Nacht am Freitag hätten ihn Kollegen angerufen, die wütend auf den Innenminister gewesen seien. Auch Kusterer wirkte daraufhin ziemlich wütend: "Wo leben wir denn? Vielleicht senden wir den Medien auch gleich noch die Bilder unserer verdeckten Ermittler." Die Operation dürfe so nicht stattfinden. Der FDP-Fraktionschef in Baden-Württemberg, Hans-Ulrich Rülke, spricht gar von einem "ungeheuerlichen Vorgang". Das sei Geheimnisverrat auf höchster Ebene.

Das Innenministerium wollte die Aufregung nicht verstehen. Schließlich habe solch eine Ankündigung auch einen abschreckenden Charakter, so eine Sprecherin.

In der ehemaligen Graf-Stauffenberg-Kaserne im Ort war eine von vier Landesaufnahmestellen aufgebaut worden, darin waren etwa 500 Geflüchtete untergebracht. Die Schwäbische Zeitung berichtet, dass die Zahl der Straftaten im Ort, an denen Geflüchtete beteiligt waren, tatsächlich gestiegen sei: von 226 Straftaten 2015 auf 391 Straftaten 2016. Trotzdem seien die geplanten Maßnahmen der Polizei übertrieben, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Uli Sckerl. Das Problem lasse sich nur lösen, wenn alle Parteien eingebunden würden: Bürger, Interessenvertreter, Politiker und die Polizei. Verdeckt sollte die Polizei nämlich nur dann arbeiten, wenn es darum geht, schwerste Straftaten zu verhindern.

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