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Heulsuse der Woche: Die Fans von Bass Sultan Hengzt vs. die Fanta-Shitstormer

Die Hip-Hop-Fans, die Angst vor sich küssenden Männern haben, oder die Leute, die glauben, dass Fanta mit ihrer Nostalgie-Flasche die Nazi-Zeit verharmlosen will?

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Die homophoben Fans von Bass Sultan Hengzt

Screenshot: Youtube.

Der Vorfall: Auf einem Alternativ-Cover von Bass Sultan Hengzts neuem Album sind zwei küssende Männer abgebildet.

Die angemessene Reaktion: Nichts. (Oder Album kaufen, oder Album halt nicht kaufen, je nachdem, ob man sich eine anregende musikalische Erfahrung davon erhofft oder nicht.)

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Die tatsächliche Reaktion: Hunderte von Fans regen sich tierisch auf und überschwemmen BSHs Twitter-Feed mit homophoben Beleidigungen und panischen #nohomo-Tags.

Dass der Rapper Bass Sultan Hengzt ein kluger Typ ist, wissen wir schon seit der beeindruckenden Demonstration seiner Logik-Skillz in diesem alten Video. Jetzt hat er auch noch demonstriert, dass er auch selbstbewusst genug ist, um es kurz mal mit allen Schwulenhassern unter seinen Fans aufzunehmen. Das ganze ging los, als er ein alternatives Cover für sein neues Album MUSIK WEGEN WEIBAZ auf Twitter postete:

Hier die Premium Edition MUSIK WEGEN WEIBAZ — Bass Sultan Hengzt (@Sultanhengzt)22. Februar 2015

Kurz darauf füllte sich sein Feed mit den Reaktionen seiner Fans—in der Stimmung reichen sie von weinerlich-verzweifelt

— Martin (@RealRecognize92)22. Februar 2015

bis richtig aggressiv.

— 5 €uro Schlaucher (@5EuroSchlaucher)22. Februar 2015

Der Rapper ließ sich davon nicht beeindrucken, stattdessen fing er an, die Kommentare zu sammeln und die Profilbilder der (meistens ziemlich jungen) Jungs als Motiv eines neuen Albumcovers vorzuschlagen:

Gezupfte Augenbrauen, aber #nohomo.

Das Ergebnis: Diese Jungs stehen als Idioten da und denken vielleicht mal über ihr Leben nach, ganz Deutschland spricht über Bass Sultan Hengzt, und die Rap-Szene hat sich ein kleines Stück weiter entwickelt. Win-Win-Win!

Heulsuse #2: Die Fanta-Shitstormer

Bild: Coca Cola | Wikimedia | CC-BY-SA 4.0

Der Vorfall: Coca Cola hat ein Video herausgebracht, in dem der Zweite Weltkrieg nicht erwähnt wird, obwohl Fanta 1940 erfunden wurde.

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Die angemessen Reaktion: Abschalten und was Sinnvolles gucken. Werbung ist nicht dein Freund.

Die tatsächliche Reaktion: Buzzfeed und Leute auf Twitter werfen Fanta vor, der Nazi-Zeit hinterher zu trauern.

Zum 75. Geburtstag der Marke „Fanta" wird die Coca Cola Company eine Nostalgie-Fanta herausbringen („Fanta Klassik") und hat dazu auch eine Art Glückwunschvideo gedreht:

Schockierend, oder? „Molke und Apfelfasern"? Wer will so was trinken? Aber gut, damals hatten die nicht so die Wahl, weil der von Nazi-Deutschland angefangene Krieg sich 1940 auch innerhalb des Reichs schon ziemlich spürbar machte und unter anderem die Hersteller von Cola nicht mehr an genügend Rohstoffe kamen, um Cola zu produzieren. Im Video lässt der Erzähler diesen Zusammenhang allerdings unter den Tisch fallen. Am Ende des Videos wird dann die neue Klassik-Edition angekündigt, die in der klassischen alten Flasche daherkommen wird, und zwar mit den Worten: „Und um das zu feiern, bringen wir das Gefühl der guten alten Zeit zurück."

Tja, das ist peinlich. Dass der Krieg nicht erwähnt wurde, kann man natürlich nachvollziehen: Niemand will seine Zuckerbrause mit dem größten Massenmord der Menschheitsgeschichte assoziiert haben. Nur: Dann sollte man vielleicht keine Geschichtsvideos drehen, wenn einem die Geschichte des Produkts eigentlich peinlich ist. (Man hätte natürlich auch einfach zu der Entstehungsgeschichte stehen können.) Offensichtlich ist das so nicht die glücklichste Entscheidung der Werbemenschen von Coca Cola gewesen. Aber ist das wirklich so interessant?

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Wenn es nach Buzzfeed geht, ja. Dort schrieb Sebastian Fiebrig einen Artikel, in dem er Fanta gleich „Verharmlosung der Nazi-Zeit" vorwirft. Und natürlich regen sich dann alle möglichen Menschen im Internet wahnsinnig auf, wie perfide Fanta doch sei:

WTF?

— Daniel McFly (@chemical_mcfly)26. Februar 2015

Am schönsten machte das aber die Chefredakteurin von Buzzfeed selber:

Ist 1940 in Deutschland die

— Juliane Leopold (@julianeleopold)26. Februar 2015

Die Aussage sollte man sich noch mal auf der Zunge zergehen lassen. Die komische Flasche, in der man die Nostalgie-Fanta wird kaufen können, wurde in den 50ern entworfen. Wenn Fanta von der „guten alten Zeit" spricht, ist natürlich jedem denkenden Menschen klar, dass damit nicht die Nazi-Zeit, sondern eben die Zeit gemeint ist, in der Heinz Erhardt seinen Kindern Fanta in solchen Flaschen kaufte. Natürlich ist das trotzdem witzig, wenn man weiß, dass die Fanta selbst eben 1940 erfunden wurde.

Aber muss man wirklich so tun, als würde man glauben, Fanta wolle damit die Nazi-Zeit verharmlosen? Oder ist das nicht eigentlich total verlogen, wenn man „Fanta glaubt das offensichtlich" schreibt, obwohl man genau weiß, dass Fanta das offensichtlich nicht glaubt, sondern sich bei dem Video einfach nur dumm angestellt hat? Wem bringen solche Shitstorms irgendwas?

Letzte Woche: Til Schweiger wettert gegen Tatort-Twitter-Spackos und Spiegel Online, und die AfD macht „Gender-Quatsch" und „Gesch(w)ule" dafür verantwortlich, dass Kinder nicht mehr auf Bäume klettern.

Der Gewinner: Die AfD!