An einem Juliabend im Jahr 2016 war Adèle kurz davor, ihre Streaming-Karriere als "Areliann" für immer hinzuschmeißen. Obwohl die Französin schon seit 2014 auf Twitch aktiv war, hatte die damals 20-Jährige die Schnauze voll. Wenige Tage zuvor hatte ein beliebter Streamer sie "geraidet". Raiding bedeutet normalerweise, dass Twitch-User ihre Follower zu einem anderen Channel schicken, den sie gut finden. An sich eine gute Möglichkeit, um auf weniger bekannte Streamer und Streamerinnen aufmerksam zu machen. Leider kann man so aber auch einen wütenden Mob auf jemanden hetzen. In Adèles Fall fielen über 2.000 Leute in ihren Livestream ein, um sie zu mobben – und das zu einer Zeit, in der sie durchschnittlich nie mehr als 15 Zuschauende hatte.
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Es dauerte mehrere Wochen, bis Adèle wieder dazu bereit war, zu streamen und Apex Legends sowie GTA vor einem Online-Publikum zu spielen. Heute, fünf Jahre später, hat sie über 150.000 Follower, die sie auch vor feindseligen Raids beschützen. Um an diesen Punkt zu gelangen, musste Adèle sich allerdings "beweisen". Und das ist leider der Weg, den die meisten Streamerinnen bei Twitch gehen müssen: schnell eine große Followerschaft aufbauen, durch die Trolle dann kaum eine Chance haben. Trolle sind besonders gern bei Twitch aktiv, weil sie die Wirkung ihrer Beleidigungen und Aktionen quasi in Echtzeit beobachten können. "Sie wollen nur Aufmerksamkeit", sagt Adèle, die die gehässigen User so gut wie möglich ignoriert. Denn auch wenn sie es jetzt geschafft hat, wird sie immer noch regelmäßig belästigt. Adèle hat nun aber auch mehrere freiwillige Moderatoren, die solche Trolle bannen und die meisten Hasskommentare abfangen, bevor die Streamerin sie lesen kann. Manchmal wird das allerdings sogar den Moderatoren zu viel.
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Shakaam ist eine französische Streamerin, die sich auf das "Just Chatting"-Format spezialisiert hat. Das heißt, sie redet im Livestream mit ihrer Community, anstatt zu zocken. Dabei geht es oft um sexuelle Themen, damit "junge Leute nicht nur in Pornos etwas über Sex lernen", so Shakaam. Aber bei jedem ihrer Streams wird die Streamerin auch das Ziel von Beleidigungen und Übergriffen.
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Obwohl Shakaam laut eigener Aussage gut mit den Hasskommentaren klarkommt, wird es ihr dennoch manchmal zu viel. Im Januar musste sie einen Livestream abbrechen, weil mehr als 20 Trolle sie gleichzeitig beleidigten. "Mein Tag war eh schon ziemlich beschissen, deswegen konnte ich nicht wie normal einfach darüber lachen", sagt Shakaam. "Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen." Die Streamerin sagt, dass man sich selbst nach Jahren bei Twitch nicht mit sowas abfinde. "Gewöhnt man sich im echten Leben als Frau irgendwann an die abfälligen Kommentare und Übergriffe auf der Straße? Nicht wirklich."In den vergangenen Monaten haben viele beliebte Streamerinnen von mehr Gehässigkeit bei Twitch berichtet. Sie glauben, dass das mit dem Multiplayer-Spiel Among Us zusammenhängen könnte. Es ist während der Corona-Pandemie zu einem Dauerbrenner geworden und kann mit Freunden oder Fremden gespielt werden. Das ermöglicht Twitch-Streamerinnen und Streamern, mit ihren Communitys zu zocken. Mit der steigenden Beliebtheit von Among Us ging allerdings "ein Comeback der schlimmsten Seite von Twitch" einher, wie es Nahomay sagt. Der französischen Streamerin folgen über 46.000 Menschen.
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