FYI.

This story is over 5 years old.

Sex

Ich habe Experten gefragt, warum ich bei Sonnenschein Lust auf Alkohol und Sex kriege

Warum werden Leute bei Sonnenschein ganz wuschig? Woher kommt mein unbändiger Alkoholdurst? Ich habe bei einem Psychologen, einem Sexologen und einem Chronobiologen Antworten gesucht.
Ein Paar im Wald
Foto: Rogier Alexander

Foto: Javier Izquierdo

Die meisten Menschen lieben den Sommer. Und wieso auch nicht? Der Sommer ist die Jahreszeit, in der du so ziemlich nackt rumlaufen, dich jeden Tag berauschen und Geschlechtskrankheiten sammeln kannst. Diese Dinge gehören schon seit grauer Vorzeit zum menschlichen Dasein, aber trotzdem frage ich mich, warum das so ist. Warum werden Leute bei Sonnenschein ganz wuschig? Und sind die sommerlichen Trinkgelage das Ergebnis eines genetisch vorprogrammierten Drangs, oder kann ich mich nächstes Jahr vielleicht einfach entscheiden, es langsamer angehen zu lassen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, habe ich einen Psychologen, einen Sexologen und einen Chronobiologen befragt. Folgendes habe ich dabei herausgefunden:

Anzeige

Toine Schoutens ist in psychiatrischer Krankenpflege ausgebildet und arbeitet aktuell als Direktor einer niederländischen Forschungsstiftung für Licht und Gesundheit, SOLG. Er ist der Meinung, dass unsere Sommergeilheit nicht von dem Vitamin D kommt, das wir im Sonnenlicht bilden. „Die biologische Erklärung ist eigentlich ganz einfach", sagt er. „Menschen und andere Tiere waren es ursprünglich gewohnt, im Freien zu Leben und sich an den Wechsel von Tag und Nacht anzupassen. Vor ein paar Tausend Jahren—was aus evolutionärer Sicht nicht besonders lange ist—lebten wir also hauptsächlich im Freien, und unser Fortpflanzungsrhythmus war daran angepasst. Wenn man im Sommer Sex hat, kommt das Baby im Frühling. Dann hat man eine ziemlich lange Wärmeperiode, in der das Baby wachsen und seine Überlebenschancen für den Winter maximieren kann."

Roelof Hut ist Chronobiologe und doziert an der Reichsuniversität Groningen. Er sagt, viele Tiere hätten solche jahreszeitenabhängige Fortpflanzungsstrategien, doch von allen Tieren treffe das auf Menschen am wenigsten zu. „Im Vergleich zu anderen Tieren haben Menschen einen sehr schlechten Jahresrhythmus. Zum Beispiel wollen Rehe sich ausschließlich im Sommer paaren, während wir Menschen es das ganze Jahr über tun." Das bedeutet aber auch nicht, dass Schoutens Erklärung total daneben liegt. „Unser Jahreszeitenrhythmus mag schlecht sein, aber im Frühling verzeichnen wir trotzdem durchschnittlich 20% mehr Geburten als im Winter", sagte Hut VICE gegenüber. „Vor dem modernen Zeitalter waren diese Unterschiede noch deutlichen, aber mit all dem künstlichen Licht, das wir heute haben, ist der Kontrast zwischen den Jahreszeiten aus biologischer Sicht geschrumpft."

Anzeige

Foto: Rogier Alexander

Ich bin erleichtert zu hören, dass meine sommerlichen Eskapaden zur Erhaltung unserer Art gehören und nicht nur dumme männliche Geilheit beweisen. Leider ist das aber auch nicht die einzige Erklärung. Schoutens: „Es gibt auch die psychologische Erklärung, und die ist wirklich simpel: Wenn das Wetter gut ist, geht man raus, wird braun und sieht einfach insgesamt besser aus. Die Leute tragen deutlich weniger Kleidung, was die Figur preisgibt. Man braucht keinen Master in Psychologie, um zu verstehen, dass das sexuelle Impulse auslösen kann."

Mark Spiering ist Psychologe mit dem Schwerpunkt Sexualwissenschaft an der Universität Amsterdam und er stimmt der psychologischen Erklärung zu. „Ich denke, die spärliche Kleidung ist der Hauptgrund für den verstärkten Sexualtrieb." Die Tatsche, dass wir die meiste Zeit auch noch betrunken sind, trägt auch dazu bei. „Alkohol verursacht eindeutig erhöhtes Interesse an Sex", sagt Spiering. „Das liegt hauptsächlich daran, dass Alkohol die Testosteronwerte erhöht. Allerdings wird davon der eigentliche Sex nicht wirklich besser, denn es ist viel schwieriger, einen richtigen Orgasmus zu kriegen. Doch der anfängliche Trieb nimmt zu."

VIDEO: Drunken Glory — Der göttliche Rausch

Die Intuition lässt einen vermuten, dass Sonnenlicht die Stimmung grundsätzlich verbessert und dass gute Laune auch Geilheit wahrscheinlicher macht. Doch überraschenderweise hält diese These der wissenschaftlichen Untersuchung nicht stand, wie Spiering anmerkt. „Ich habe das einmal im Labor getestet und dabei herausgefunden, dass positive Emotionen nicht unbedingt zu einem Anstieg des Sexualtriebs oder der Erregung beitragen." Er fügt hinzu; „Auch wenn man meinen könnte, negative Emotionen würden zu schlechterem Sex führen, kann ein wenig Stress tatsächlich auch die Qualität des Geschlechtsverkehrs erhöhen. Es ist nicht bewiesen, dass eine bessere Stimmung automatisch zu mehr oder besserem Sex führt."

Munchies: Das Prosecco-Ende ist nah.

Es gibt also bestimmte Faktoren, die das Balzverhalten im Sommer beeinflussen—aber was ist mit dem Verlangen, ständig zu trinken? Toine Schoutens: „Ich denke nicht, dass es eine direkte Korrelation zwischen besserem Wetter und Alkoholkonsum gibt. Ich denke, solche Dinge hängen größtenteils von der Situation und der Trinkkultur ab." Eine wichtige Nuance, doch Schoutens sieht dennoch einige nützliche Parallelen: „Die nordischen Länder sind da vielleicht ein gutes Beispiel. Die Feierlichkeiten zum Mittsommer könnte man als so eine Art hypomanische Phase sehen, in der die Skandinavier so viel wie möglich tun wollen, um die dunklen Wintermonate auszugleichen." Eine ähnliche Logik könnte sich vielleicht auch für unser Trinkverhalten bewahrheiten: Unser Sommerdurst ist das Gegengewicht zu der kalten, trüben Routine des restlichen Jahres.

Foto: Florida Young Naturists | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Diese Erklärung ist zwar eine ansprechende, doch es scheint keine biologische Tendenz in diese Richtung zu geben. Roelof Hut: „Menschen und Fruchtfliegen teilen ein Enzym, das uns sehr gut darin macht, Alkohol abzubauen. Doch das funktioniert das ganze Jahr über." Mark Spiering erwähnt noch etwas: „Im Sommer wird es wärmer und man wird meist durstig, wenn es warm ist." Ich schätze, es ist eine vernünftige Annahme, dass unser Wunsch, uns zu betrinken, daher kommt, dass wir trinken, wenn es etwas zu feiern gibt, und im Sommer gibt es einfach mehr zu feiern—und sei es auch nur der viel häufigere Sex.