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Wettbewerbsverzerrung

Wie die Bundesliga die Bayern zum Titel durchwinkte

Stell dir vor, Bayern wird Meister und keinen interessiert's. Die Liga muss sich endlich zusammen reißen und den Bayern Paroli bieten. Sonst droht der Bundesliga auf Jahre hinweg ein Imageverlust.
Fotos: Imago

Es fühlt sich an wie eine Randnotiz, doch so viel Zeit muss sein: Herzlichen Glückwunsch, FC Bayern München, zur 25. Meisterschaft in der Fußball-Bundesliga. Ich frage mich, mit welchem Gefühl die Bayern am Sonntag Abend vor dem Fernseher saßen und sahen, wie Max Kruse kurz vor Schluss das 1:0 der Gladbacher gegen Wolfsburg machte und damit Bayern zum Titel schoss. Oder haben sie das Spiel überhaupt gesehen? Vielleicht hatte man ob der Gleichgültigkeit was besseres vor.

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Wahrscheinlich wird man auch da nichts dem Zufall überlassen haben. Philip Lahm wird seine Mannschaft zusammengetrommelt und auf's sich selber abfeiern eingestimmt haben. „Da können wir stolz drauf sein, Männer. Aber jetzt schauen wir nach vorne und hauen die Dortmunder weg."

Ob sich Bayern-Spieler wirklich über eine Meisterschaft freuen, oder fühlt sich das eher wie eine Erleichterung an, dass die Pflicht erfüllt wurde. Sind manche gar so weitsichtig und machen sich Sorgen, dass durch die verfrühte Meisterschaft wie im letzten Jahr die Luft für die Champions League raus sein könnte?

Es scheint, als ob die Bayern die Liga fest im Würgegriff haben und keine Anstalten machen, loszulassen. Wolfsburg, Dortmund, Gladbach und Leverkusen werden die Münchner künftig vielleicht ärgern können, aber über einen Zeitraum von 34 Spielen gibt es eigentlich niemanden, der Paroli bieten kann. Zu übermächtig ist die Qualität der Spieler und die spielerische Anlage von Pep Guardiola, als dass die restlichen Teams eine Chance hätten.

Und so hat man das Gefühl, dass Teams wie Paderborn oder Hannover nach München fahren um sich freiwillig auf die Schlachtbank zu legen. Die Mannschaften ergaben sich reihenweise im Vorhinein. Wenn nichts zu holen ist, dann macht es auch keinen Sinn sich zu zerreißen und eine Verletzung in Kauf zu nehmen. Die Saison ist schließlich noch lang genug.

Das Spiel gegen Hertha war typisch für die ganze Saison. Bayern spielte mit Gaudino, Dante und Weiser, irgendwann wurde sogar Sinan Kurt gebracht. Jedem musste klar sein, dass die Münchner auf dem Zahnfleisch gehend zwischen Champions League-Viertelfinale und Pokal-Halbfinale kein Feuerwerk abbrennen würden. Trotzdem stellte sich Hertha mit zwei defensiven Vierer-Ketten hinten rein, mit der Hoffnung durch Konter irgendwie vor das Tor von Neuer zu kommen. Das gelang auch ein Mal, doch Niko Schulz versagten vor dem Torhüter die Nerven. Bayern konnte den Ball ungestört zirkulieren lassen, hatte 80 Prozent Ballbesitz, bis irgendwann Mitchell „das Höschen" Weiser sich an vier Gegner vorbei zur Grundlinie stolperte, in die Mitte legte und Schweinsteiger den Ball ohne Kompromisse in den Winkel wuchtete.

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Nach dem Spiel sah man zufriedene Hertha-Minen, die zwar der vergebenen Chance von Schulz nachtrauerten, im Grunde sich auf die Schulter klopften, dass man nur 1:0 verlor. Sebastian Langkamp sagte nach dem Spiel: „Wir haben heute ein super Spiel gemacht. Wir standen gut, haben die Räume 1a dicht gemacht. Das ist nicht immer einfach und wenn man gegen die Bayern einen Fehler macht, ist es klar, dass sie diesen ausnutzen."

Es ist verständlich, dass eine Mannschaft keine acht Dinger kassieren will, wenn sie die Münchner zu offen angreift, wie es Ferrari-Joe Zinnbauer mit dem HSV gelungen war. Doch warum haben die Gegner die Bayern nicht mehr unter Druck gesetzt, wenn die Gelegenheit dafür günstig war. Nach der Weltmeisterschaft mussten die Münchner mit müden Nationalspielern und einem schwachen Lewandowski auskommen, trotzdem nutzten die Gegner diese anfängliche Schwächeperiode nicht aus.

Die Gegner, gegen die sich die Liga Hoffnungen machte und Chancen ausrechnete, waren jetzt Dortmund, Schalke oder Leverkusen. Statt sich der bajuwarischen Übermacht entgegen zu stellen, wurden Peps Mannen diese Saison fast zur Meisterschaft durchgewunken. Dabei haben es die Gladbacher oder Wolfsburger vorgemacht, wie man sich den Bayern entgegen stellen kann, wenn die Zweikämpfe annimmt und sich nicht nur aufs hinten reinstellen konzentriert. Was ist denn mit Teams wie Hoffenheim oder Mainz, die taktisch und auch spielerisch in der Lage wären, das bajuwarische Ballbesitz-Spiel entscheidend zu stören?

Wir wollen nicht unterschlagen, dass Pep bei der Verletztenmisere fast über das ganze Jahr hinweg eine taktische Meisterleitung gelungen war. Doch was passiert, wenn man in den nächsten Jahren personell aus den Vollen schöpfen kann? Letzte Saison nahm der damalige Frankfurt-Trainer Armin Veh vor dem Spiel in Bayern seine von der fünften Gelben gefährdeten Spieler Zambrano und Rode gar nicht mit nach München. Mit Verweis auf das Spiel gegen den Abstiegskonkurrenten Braunschweig erklärte er das wie folgt: „Wir brauchen sie gegen Braunschweig nötiger."

Man kann das Wettbewerbsverzerrung nennen, vielleicht trifft es aber auch „Unterwerfung" besser. Die Liga wird dieses Verhalten künftig genau beobachten. Die Bundesliga bekam einen internationalen Popularitätszuwachs, weil Dortmund den Bayern Paroli bot. Wenn die Meisterschaft auch in Zukunft nach der Hinrunde entschieden ist, dann wird auch die ganze Bundesliga drunter leiden.

Folgt Toni auf Twitter: @sopranovic