Drogen

Süchtig nach Elf Bars? Du bist nicht allein

Gib's zu, du hast letzten Sommer aus Spaß mit dem zuckersüßen Dampf angefangen – und kommst jetzt nicht mehr davon los.
Illustration mit zwei jungen Männern, die schlecht gelaunt Elf Bars rauchen, im Hintergrund eine Müllhalde mit den Einmalvapes. Viele Menschen haben im Sommer mit Vaping angefangen und sind jetzt süchtig.
Bild: Helen Frost

OK, wir hatten unseren Spaß. Im Sommer dampften wir mit unseren Freunden und ein paar Bier auf der Wiese, während die Sonne über dem See unterging. Wir lachten darüber, wie absurd unsere kleinen bunten Vapes sind. "Ich habe eigentlich nie geraucht. Schon witzig!" Es war eine fröhliche, eine sorgenfreie Zeit. Wir probierten uns durch die verschiedensten Geschmacksrichtungen wie ein Kind im Süßwarenladen, von Cola bis zu Kiwi Passion Fruit Guava. Fruchtige Vapes (cool), milde Vapes (lame), Energydrink-Vapes (bizarr), Ice-Vapes (Beste!), Tabak-Vapes (weird).

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Selbstlos boten wir anderen ein paar Züge an, hielten ihnen wortlos die bunten Plastikstifte hin. Zu Hause kurierten wir zuerst unsere Kater mit zaghaften Zügen aus, bald nebelten wir uns im Home Office oder beim Lernen regelmäßig mit dem Zuckerdampf ein. Wer bis dahin noch nicht geraucht hatte, freute sich über die vielen kleinen Arbeitspausen an der frischen Luft. Wir vapten in Biergärten, in Bars, wenn keiner guckt, an der Bushaltestelle, wenn wir aus der Bahn stiegen, bei Familien- und Betriebsfeiern, morgens, tagsüber, abends, auf der Afterhour. Wir dampften so lange, bis wir eine kleine Nikotinüberdosis hatten, uns schlecht wurde und wir uns ein paar Minuten hinlegen mussten. Es war der Sommer des Neuen und Aufregenden. Es war der Sommer des Vape. OK, meinetwegen auch der Herbst des Vape.


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Aber – und es tut mir wirklich leid, aber irgendjemand muss es sagen: Der Sommer ist vorbei. Und das sehr lange schon. So lange, dass schon fast wieder Frühling ist. Bevor es wieder warm genug ist, mit unseren Freunden auf der Wiese am See zu sitzen, sollten wir uns unbedingt etwas Zeit nehmen und reflektieren. Denn – und das sage ich ganz leise, damit uns die ganzen Besserwisser nicht hören, die nie mit dem Vapen angefangen haben: Uns geht es beschissen und wir sind süchtig.

Das Workout im Gym ist irgendwie schwerer geworden, nicht wahr? Sei ehrlich. Zehn Kilometer waren mal ein Klapps für dich, heute läufst du jedes Mal gefühlt ein Wettrennen gegen den Sensenmann persönlich. Ellie Dawson ist eine erfolgreiche Marathonläuferin, sie sagt mir: "Ich will nicht lügen. Ich keuche. Ich habe noch nie gekeucht. Ich schwöre, meine Lunge ist etwa 20 Jahre gealtert." Das ist kein Wunder. Der Arzt Onkar Mudhar ging viral, als er sagte, dass ein Vape etwa 48 Zigaretten entspricht.

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Ob das wirklich stimmt, ist gar nicht so einfach zu sagen. Ich habe einige Ärzte zum Thema Vaping kontaktiert, aber niemand wollte sich offiziell äußern. Es gebe einfach kaum vernünftige Untersuchungen zu Vape-Flüssigkeiten – was an und für sich schon problematisch ist. Diese Vorstudie hier bestätigt allerdings eventuell, dass der Dampf wahrscheinlich nicht so gut für deine Lunge ist. Es konnte allerdings nicht abschließend geklärt werden, ob die gesundheitlichen Beschwerden der Betroffenen allein vom Vapen kamen oder durch eine Kombination von Vapen und Rauchervergangenheit. Wirklich gut ist beides nicht.

Die Sache ist eben auch die: Es ist nicht gerade selten, dass man am Wochenende zwei von den Dingern leersaugt. "Wenn ich ausgehe, rauche ich in der Regel einen pro Abend", sagt Ellie.

Auch in unserem Budget macht sich unsere neue Angewohnheit unangenehm bemerkbar. Die ganzen Suffausflüge zum Kiosk für den nächsten Nikotinkick läppern sich. Als wäre das Leben nicht eh schon viel zu teuer geworden. "Ich will wirklich nicht darüber nachdenken, wie viel ich gekauft habe, seit ich damit angefangen habe", sagt Jack Ward, ein 24 Jahre alter Bauarbeiter. "Aber ich weiß zum Beispiel, dass ich zehn Stück zum Glastonbury mitgenommen habe und dort dann noch mehr kaufen musste."

Und dann ist da natürlich noch die Sache, wie unfassbar beschissen die Dinger für die Umwelt sind. Als Einweggerät landen die Teile auch gerne mal auf der Straße, dabei gehören sie noch nicht mal in den Hausmüll. Wegen der Akkus sind Vapes Elektroschrott. Und seid mal ehrlich, wer von euch bringt die Dinger wirklich zur nächsten Sammelstelle? Und dann noch das ganze Plastik.

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Neben Umwelt und Gesundheit sollten wir vielleicht auch mal darüber nachdenken, wie wir mit diesen bunten Stiften rüberkommen. Als Vaper kommt man sich natürlich sehr cool vor. Vor allem, wenn man den Stift ohne Hände zwischen den Zähnen hält und lässig ein paar Züge nimmt. Da fühlt man sich direkt wie der James Dean von Köln-Mülheim. Oder? Aber macht einen das Ausatmen von Strawberry-Ice-Cream-Dampf wirklich sexy? Oder anders gefragt: Findest du es heiß, wenn jemand an einem Textmarker nuckelt? Unser englischer Kollege Joel Golby formuliert es so: "Hat mal irgendjemand einen oder eine beim Vapen kennengelernt und gebumst?"

Der vergangene Sommer hat zahlreiche Nichtraucher zu Nikotinjunkies gemacht, die die negativen Konsequenzen jetzt auf verschiedenste Art zu spüren bekommen. Die 27 Jahre alte Sadie Matthew, die als Music Supervisor arbeitet, ist ehrlich: "Ich bereue, dass ich mit dem Vapen angefangen haben. Ich habe nie geraucht, aber wie alle anderen haben mich diese kleinen bunten Stifte neugierig gemacht. Was als Witz begann ist jetzt eine nicht ganz unproblematische Vape-Sucht." 

Ich bin mir sicher, dass es da draußen auch reichlich Menschen gibt, die früher ein bis zwei Packungen Zigaretten am Tag geraucht haben und das dank Vapes jetzt nicht mehr tun. Sie fühlen sich gesünder und geben weniger Geld aus. Elf Bars sind also nicht nur schlecht. Aber für den Rest von uns ist es fast unmöglich geworden, sich einen Barbesuch oder eine Party ohne Vape vorzustellen. Mir geht's ja genauso. Aber genauso habe ich mich diesen Winter mehr als einmal dafür verflucht, bei Schneeregen zum nächsten Kiosk latschen zu müssen, weil mein Vape leer war. Waren wir diesen Winter außerdem nicht alle ein bisschen oft krank?

Natürlich hätten wir damals auch einfach die nikotinfreien Vapes nehmen können, aber gut. Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass wir die Big-Boy-Nuckel loswerden können, bevor es wieder warm wird. Jetzt ist unsere Chance, zu besseren und weiseren Menschen zu werden. Unsere Lungen und unser Kontostand werden es uns danken. Viel Glück allen noch-Elf-Fans da draußen, wir werden es brauchen.

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