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Popkultur

Der Wolfseder im Schafpelz: Auf dieser Website gibt es (kein) Hundefleisch zu kaufen

Die Website "Wolfseder Fleischspezialitäten" verspricht regionale Hundefleisch-Köstlichkeiten nach Schweizer Tradition und von österreichischer Bio-Qualität. In Wahrheit gibt es hier aber keine Dackelwurst, sondern eine Lektion in ethischem Konsum.

Viele gute Dinge in meinem Leben haben auf die eine oder andere Art mit Hunden zu tun. Meine glücklichsten Kindheitserinnerungen habe ich zum Beispiel vom Reiten auf dem Rücken des Schäferhunds der Nachbarn, mit dem ich außerdem auch meine Manner-Schnitten geteilt habe (sein Herrchen hat ihn später erschossen und im Garten vergraben, aber das nur nebenbei).

Ein Hund war auch der Grund, wegen dem ich meinen Vater zum ersten Mal seine olfaktorische Verwunderung mit dem Ausdruck: "Der fudlt ein bisserl" formulieren hörte. Als ich dann langsam erwachsen wurde, war ein majestätisch großgewachsener Haushund der Auslöser für meinen schlimmsten Angstanfall und meine seither unübertroffene Bestzeit im 100-Meter-Lauf. Und als das Internet mich zu verrohen und abzustumpfen drohte, war es das Video von einer Bulldogge, die einer Asiatin in den Mund kotzte, dank der ich den Glauben, schon alles gesehen zu haben, ziemlich schnell wieder über Bord warf.

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Seither vergeht keine Woche, in der mir nicht ein geknickt dreinblickender Mops Glücksgefühle in die Magengrube zaubert. Trotzdem—oder auch gerade deswegen—würde ich wirklich gerne mal einen davon essen. Nicht unbedingt einen Mops, aber auch nur deshalb nicht, weil ich befürchte, dass sie ähnlich schwer zu zerlegen wären wie Meerschweinchen, nur mit mehr Bauchfett (die übrigens auch sehr süß sind und wirklich lecker schmecken, aber den Aufwand eindeutig nicht wert sind).

Angesichts dieser persönlichen Vorgeschichte könnt ihr euch sicher denken, wie meine erste Reaktion auf die Website von Wolfseder Fleischspezialitäten ausgesehen hat. Wolfseder wirbt mit Köstlichkeiten aus Hundefleisch und regionaler Bio-Qualität—ihr kleines, aber feines Spezialitätensortiment, das seit 1. Oktober angeblich auf der Linzer Landstraße zum Verkauf steht, umfasst solche Hecheleien wie Schweizer Schäfergulasch und Dackelwurst.

Genauso offensichtlich dürfte wohl auch sein, wie groß meine Enttäuschung war, als sich das Ganze zwei Klicks später doch als gut gemachter, wenn auch sehr transparent angelegter Fake entpupp(y)te. Peter Wolfseder ist nämlich nicht nur kein Hundemetzger, er ist nicht mal ein er, sondern vielmehr eine Anna, die mit der Website nicht unseren Bedarf nach exotischen Lebensmitteln stillen, sondern uns eine Lektion in Sachen ethischem Konsum verpassen wollte.

Da vergangenes Wochenende trotzdem mein gesamter Facebook-Freundeskreis vor aufgeregten Reposts und Gruppenbestell-Aufrufen überging, habe ich mich mit der Macherin des Kunstprojekts im Bereich zeitbasierte und interaktive Medien unterhalten und sie zu ihrem Hintergrund, ihren Absichten und Hundekonsum zwischen Fernost und der Schweiz befragt.

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Anna ist Peter Wolfseder und dank ihrer Website nun auch Bachelor.

Mit deinem Medienprojekt Wolfseder Fleischspezialitäten rufst du zu bewussterem Konsum und ethischem Einkaufen auf. Hat die Website für dich bisher die gewünschte Wirkung gezeigt?
Mein erstes Ziel war es, Aufmerksamkeit zu generieren, um mit dieser durch eine deutliche Auflösung des Projektes einen Dialog zu fördern. Das hat so weit gut geklappt, wobei es in der Diskussion hauptsächlich um Fleischkonsum geht. Meiner Meinung nach lässt sich die Problematik auf viele Produktkategorien ausweiten. Viele lesen nach wie vor auch nicht genau nach und schicken eine ganze Menge Beleidigungen an den virtuellen Peter Wolfseder und noch viel mehr finden, dass es ein gut gelungener Denkanstoß ist.

Woher kam eigentlich die Idee zur Hundefleisch-Website—abgesehen davon natürlich, dass du natürlich ein Bachelorprojekt gebraucht hast?
Bisher hatte ich im Studium hauptsächlich sehr "nette" Projekte umgesetzt, die wenig Wirkung nach außen hatten. Im letzten Semester habe ich mich sehr intensiv mit Konsumverhalten auseinandergesetzt und habe gemerkt, dass es hier möglich und an der Zeit ist die Leute zu bewegen. Ich war lange auf der Suche nach einem Produkt, dass die Leute emotional so bewegt, dass sie Reaktion zeigen. Vom Selber-Schlachten über virtuellen Sklavenhandel bin ich schließlich beim Hundefleisch gelandet—denn so bald man den Dackel in die Pfanne knallt, gibt es offensichtlich einen Aufschrei.

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In der Auflösung auf deiner Website steht: "Das Projekt 'Wolfseder Fleischspezialitäten' zeigt, wie schnell Menschen reagieren, wenn ein Problem der Ethik offensichtlich ist." Hast du wirklich das Gefühl, dass die Menschen durch die Bank so auf die Website reagieren? In meinem Freundeskreis wollten alle gleich Dackelwurst bestellen.
Am Beginn des Projektes standen Interviews vor dem angeblichen Geschäft in Linz, da hat sich bereits gezeigt, dass die Arbeit bei vielen einen Nerv trifft. Probieren wollte es keiner, ich bin mir auch nicht sicher, wer sich letzten Endes trauen würde.

Hast du eigentlich viele Online-Bestellungen bekommen? Oder hat jeder, der sich weit genug durchgeblickt hat, die Idee auch kapiert?
Die erste E-Mail die ich überhaupt erhalten habe, kam von jemandem der mir seinen Hund anbieten wollte. Bestellungen und Wünsche kamen über Facebook hauptsächlich von jenen, die das Projekt als solches erkannt haben und es witzig fanden. Ob was tatsächlich Ernstes dabei war, weiß ich nicht sicher.

Hast du dir die Gerichte, die es im Punkt Angebot gibt, selbst ausgedacht?
Nach intensiver Auseinandersetzung mit der gewöhnlichen Fleischerkonkurrenz, bin ich mit dem gängigen Sortiment gut vertraut und habe dann spontan Hundenamen miteingearbeitet, so entstanden die Gerichte.

Was wären oder was sind eigentlich Wolfsbröckli?
In meiner Vorstellung sind es feste, kleine Hundefleischbälle. In echt habe ich keine Ahnung, das habe ich mir von einem Schweizer aus dem Internet geborgt.

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Rein hypothetisch: Wäre Hundefleisch wirklich so bedenklich, wenn man in echt so wie bei Wolfseder auf "regionale Bio-Qualität" achten würde?
Ich denke nicht weniger bedenklich als Pferde-, Hühner- oder Schweinefleisch. Aber wenn man Fleisch (den Hund) mit Fleisch füttern muss, ist es insgesamt nicht unbedingt wirtschaftlich.

Ist die Einteilung von Tieren in Nutz-, Nahrungs- und Haustier nicht völlig willkürlich und rein soziokulturell geprägt?
Klar—in Südamerika stehen Meerschweinchen auf dem Speiseplan, in Indien sind Kühe heilig und bei uns gibt es Psychologen für Hunde. Solche Dinge sind nun mal kulturell verankert, aber es schadet nicht, das zu hinterfragen.

Du weist darauf hin, dass es keinen wirklichen Zusammenhang mit der "Schweizer Hundefleisch-Tradition" gibt, wie du in einem erfunden Zitat behauptest. Trotzdem ist das Beispiel nicht aus der Luft gegriffen: Immerhin existiert in der Schweiz im Gegensatz zu uns kein Verbot für den Verzehr von Hunde- und Katzenfleisch. Geht es dir auch um die Kritik daran? Und wenn ja, kommt die nicht ein bisschen zu kurz?
Mir geht es nicht um Kritik daran. Im Rahmen meiner Recherche bin ich darauf gestoßen, dass es in der Schweiz nicht verboten ist, Hunde zu essen und um meine Fleischergeschichte glaubwürdiger zu gestalten, habe ich diesen Aspekt eingebaut.

Kurz noch mal zum aufgeklärten, ethischen Konsum. Wie schafft man es, dass sich Menschen nicht nur über die Hundefleischthematik unterhalten, sondern auch wirklich durch deinen Denkanstoß über ihr Konsumverhalten nachdenken?
In manchen Fällen scheint es gelungen zu sein, das ist hauptsächlich durch die Überwindung des ersten Schocks ("Zum Glück nur Fake") passiert. Die meisten werden in einem ganz aufgeregten Moment auf den Hintergrund aufmerksam und fühlen sich dann ertappt. Wie nachhaltig so ein Denkanstoß ist, ist fraglich.

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Funktioniert Kritik heute überhaupt nur noch über Satire? Gehört es zur Logik des Internets und viraler Phänomene, dass Menschen sich nur über Skandale mobilisieren lassen und nicht mit sachlicher Auseinandersetzung? Sind Berichte über T-Shirt-Fabriken in Bangladesch zu deprimierend oder einfach zu belehrend?
Aus meiner Erfahrung jetzt, hat die Kritik gut funktioniert und ein sachlicher Ansatz wäre mein nächstes braves Projekt gewesen. Je näher ein Problem am Menschen ist, desto deutlicher wird es wahrgenommen—so ist es mit dem Hundefleisch. Ich weiß, dass es Textilfabriken in Bangladesch gibt, aber gesehen habe ich noch keine. Die Problematiken sind also viel zu weit weg und zu abstrakt, um sich dafür zuständig zu fühlen. Daran ändern auch Berichte langfristig nichts.

Warum, denkst du, ist es wichtig, gemeinsam mit der Satire auch gleich die Auflösung noch auf der eigenen Seite mitzuliefern? Wer ist der Metzger auf dem Foto neben dem erfundenen Zitat? Ist das auch ein Stock-Photo?
Ohne die Auflösung wäre die Verbindung zur theoretischen Vorarbeit, die mir sehr wichtig war, nicht gegeben und die Arbeit hätte ihr Ziel verfehlt. Ich wollte nicht nur provozieren, ich wollte sinnvollen Dialog.

Woher hast du das Metzgerbild, das auf deiner Website das erfundene Zitat begleitet?
Der Metzger ist auch ein Stock-Photo und eigentlich Koch.

Was hast du als nächstes vor?
Mich an der TU in München möglichst wenig zu verlaufen, die hat mich jetzt vorerst fest im Griff.

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Markus auf Twitter: @wurstzombie

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