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Interviews

Klingt käsig, aber Kid Simius hat sein Glück gefunden

Der Spanier mit dem Kotelettenafro ist den meisten als DJ von Marteria bekannt. Dabei hat er selbst ein ganzes Subgenre gegründet. Höchste Zeit, sich mal zu unterhalten.

Alle Fotos: Johannes Walther.

Kid Simius, ist das nicht der DJ von Marteria? Ja, ist er, der majestätische Afro mit den Koteletten hat auch hinter dem Mischpult den maximalen Wiedererkennungswert. Allerdings ist Kid Simius nicht nur Mitglied von Marterias Superfriends, er ist auch ein mittlerweile sehr anerkannter Künstler der elektronischen Musik.

Vor zwei Wochen habe ich beim Videodreh zu seiner Telenovela „Hola Chica!“ mit Kid Simius viel gequatscht, und es stellte sich heraus, dass der Spanier ein unglaublich liebenswerter Zeitgenosse ist, mit dem es sich bestimmt lohnen würde, noch mal ein Interview zu machen. Aber nicht nur das, letzte Woche erschien sein Debütalbum Wet Sounds, eine Platte, die Kid Simius selbst als Surf'n'Bass bezeichnet. Dick Dales Surfrock trifft auf Chill and Wave, Tremolos auf 16 Bit, mit viel Hall und noch mehr Sonne. Höchste Zeit sich mal über Spanien, Marteria und das Surfen zu unterhalten.

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Noisey: Du bist mit 19 aus Granada in Spanien nach Norwegen gegangen. Was war der Grund?
Kid Simius: Ich habe damals Psychologie studiert und bin für ein Auslandssemester nach Oslo. Dort habe ich als Spanischlehrer gearbeitet und habe auf Festivals Bühnen aufgebaut. Ich war ein Jahr dort und es war richtig cool. Die elektronische Musikszene dort ist echt gut. Da habe ich auch zufällig Chris kennengelernt (Anm. d. Red.: Chris Berndt, Manager von Kid Simius und Marteria), weil wir im selben Studentenwohnheim gewohnt haben. Damals habe ich schon Musik gemacht und er fand es cool und meinte, ich soll nach Berlin kommen.

Hast du es sofort gemacht?
Ich wollte schon immer nach Berlin. Zuerst bin ich aber zurück nach Spanien, habe Deutsch gelernt und bin ein halbes Jahr später nach Berlin gegangen. Dafür habe ich auch mein Studium abgebrochen, weil ich Musik machen wollte.

Deine Eltern haben sich bestimmt gefreut.
Meine Mutter ist Psychiaterin und war natürlich nicht begeistert, vor allem weil ein Bekannter von uns, der auch Musiker war, total auf Drogen hängen geblieben ist. Irgendwann hatte ich aber ein Gespräch mit meinem Vater und es lief nach dem Motto ab: Sohn, wenn es das ist, was du wirklich machen willst, dann mach es. Ich habe meine Sachen gepackt und bin dann nach Berlin.

Hattest du einen Plan oder bist du einfach mal nach Berlin?
Ich hatte schon einen Plan. Ich habe an der UdK angefangen, Sound Studies zu studieren. Da habe ich zwar auch was gelernt, aber eigentlich habe ich das enttäuscht abgebrochen. Von da an wollte ich nur selber Mukke machen. Damals ging es auch schon mit Marten los.

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Du hast also sofort als Marterias DJ angefangen?
Genau. Es war super, weil ich nach Deutschland kam und sofort Leute kannte, die mich mit auf Gigs nahmen. Ich hatte einfach was zu tun und konnte meine Musik machen, deswegen hatte ich hier auch keine Anlaufschwierigkeiten.

Was hast du vor allem in der Anfangszeit gelernt?
Ganz viel. Von Marten habe ich gelernt, wie man sich auf der Bühne präsentieren muss und dass man einfach alles geben muss. Es war einfach wichtig für mich, dass ich jeden Tag Sachen gemacht habe, zum Beispiel beim Proben. Ich habe mich auch sehr verbessert und an meiner Technik gearbeitet. Das hat mir sehr viel geholfen. Ohne die richtige Technik kannst du deine Ideen nicht umsetzen.

Würdest du sagen, dass du viel Glück hattest, weil du einfach die richtigen Leute kennengelernt hast?
Das stimmt, aber man sucht auch sein Glück. Ich wollte eigentlich immer Musik machen, deswegen habe ich auch mein Erspartes zusammengekratzt und bin nach Berlin gegangen.

Deine erste eigene EP Who the fuck is Kid Simius entstand 2010. Wie blickst du auf dieses erste Projekt zurück?
Ein Kumpel aus Granada wollte ein Label aufmachen und meinte, ich sollte mal vier Songs machen. Ich hatte zwar immer Musik gemacht, aber ich wusste nicht, wie ich sie herausbringen sollte. Ich hatte überhaupt keine Ahnung vom Mixen oder Mastern, was ich auch bei den Songs nicht gemacht habe, deswegen klingt es auch, wie es klingt. Aber trotzdem ist es geile Mukke.

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Du hast ja auch an Marsimotos Grüner Samt mitproduziert. War das für dich eine krasse Umstellung, plötzlich für einen Rapper zu produzieren?
Überhaupt nicht. Ich habe ja schon immer Beats gemacht, und Marten fand die immer cool. Ich habe mir nicht gesagt, dass ich jetzt Rapbeats machen muss, weil man dann auch schnell sehr angestrengt ist. Für das Album sind wir nach Granada gefahren und haben ein Ferienhaus gemietet. Das war übrigens das unprofessionellste Ding der Welt. Jeder saß im Pool mit seinem Laptop, Kopfhörer und Minikeyboard, hat Bier getrunken und an Sounds gebastelt.

Lass uns über dein Album sprechen. Du nennst die Musik darauf „Surf'n'Bass“. Surft du eigentlich selber?
Nee, ich surfe gar nicht. Eine Exfreundin von mir hat mir die Musik gezeigt und ich fand es richtig geil. Ich kannte natürlich auch den Soundtrack von Pulp Fiction. Der Sound hat von den Harmonien her viel mit spanischer Flamenco-Musik gemeinsam. Mit 18 oder 19 habe ich einen Song gemacht, der Surf'n'Bass hieß und viele elektronische Momente hatte. Irgendwann habe ich den Song dann auf einer Festplatte gefunden und habe mir gedacht, dass ich daraus eine Platte machen könnte.

Ich habe vorher noch nie von elektronischer Surfmusik gehört.
Das gab es vorher auch noch nicht. Vielleicht gefällt der Sound nicht jedem, aber er ist, was er ist, und ich habe ihn konsequent durchgezogen. Ich bin auf jeden Fall zufrieden mit dem Endergebnis.

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Hast du dich vorher über Surfmusik informiert?
Ja, ich wollte die Musik besser verstehen und schauen, wo ich den nächsten Schritt machen kann. Ich habe mir Platten gekauft, Interviews von Surfbands und Dokus über Surfmusik reingezogen.

Was hast du herausgefunden?
Ende der 50er wurden die ersten Instrumental-Rockbands gegründet. In den Jahren hat Leo Vender die Stratocaster-Gitarre entwickelt, die man auch aus dem Pulp Fiction-Soundtrack kennt. Dick Dale war damals ein Surfer, der keine Kohle hatte und die Gitarre von Leo Vender nutzte. Die beiden haben zusammengearbeitet und eine neue Form von Gitarrensound mit viel Hall entwickelt. Die Instrumentalbands haben diesen Sound für sich genutzt und in Kalifornien ist dann die Surfmusik entstanden. Als die Beatles nach Amerika kamen, ist die Musik dann schnell gestorben. Der Sound hatte dann durch Pulp Fiction ein Revival. Was ich aber nicht so ganz verstanden habe, ist, warum die Musik einen solchen Einfluss von Flamenco hat.

Welche Bedeutung hatte denn deine spanische Herkunft bei der Platte?
Eine der wichtigsten Sachen, die ich von Marten gelernt habe, ist: Man muss machen, was man ist. Ich bin nicht in Berlin geboren und ich bin nicht mit Techno aufgewachsen. Andalusien, wo ich herkomme, hat eine sehr eigene und musikalische Kultur. Flamenco lebt von seinem Gitarrensound. Das hat mich natürlich beeinflusst. Aber jetzt lebe ich in Berlin, gehe in Clubs und feiere Bass-Musik. Die Platte verbindet beides und passt also perfekt zu mir.

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Gitarren werden heute kaum in elektronische Musik verwendet. Warum glaubst du, ist das so?
Das sind zwei verschiedene Welten. Elektronische Musik ist sehr oft kälter als organische Musik. Die Wärme eines Saiteninstruments ist natürlich schwer durch einen Synthesizer zu erzielen. Deswegen ist es cool, wenn man die Temperaturen der verschiedenen Musikrichtungen gegenseitig regulieren kann. In meinem Fall passt das kalte Berlin sehr gut zum warmen Granada.

Kid Simius' Album Wet Sounds erscheint an diesem Freitag bei Jirafa Records, bestellt es euch bei Amazon oder iTunes.

Noisey präsentiert Kid Simius auf Tour, hier alle Termine:
20.03.2014 Berlin, Berghain Kantine
21.03.2014 Jena, Kassablanca Gleis 1
28.03.2014 Freiburg i. Br., Schmitz Katze
18.04.2014 Hamburg, Uebel & Gefährlich
19.04.2014 Kiel, Die Villa
25.04.2014 München, Crux
03.05.2014 Essen, Hotel Shanghai
10.05.2014 Dresden, Showboxx
12.05.2014 Hannover, Bei Chéz Heinz
23.05.2014 A - Wien, Flex
24.05.2014 Stuttgart, Cue
30.05.2014 Chemnitz, Weltecho
31.05.2014 Rostock, Zwischenbau
05.06.2014 Frankfurt, Zoom

Mehr Infos und Tickets zur Wet Sounds Tour hier.

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