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Drogen

Wie sich ein ehemaliger thailändischer Heroin-Hotspot zum Luxus-Entzugszentrum entwickelt hat

Früher wurde in Chiang Mai so viel Opium produziert wie sonst nirgendwo auf der Welt, heute reiht sich dort eine teure Drogenklinik an die nächste. Wie kam es dazu?
Foto: bereitgestellt von The Dawn

Das Tor zu einer der größten Opium-Handelsrouten der Welt. Der Ort, an dem man auf jeden Fall seinen Stoff bekommt. So oder so ähnlich bezeichnete man früher Chiang Mai, die größte Stadt im Norden Thailands.

In den 1950er Jahren kam der kommerzielle Schlafmohnanbau in der Region um Chiang Mai richtig in Fahrt. Die neue kommunistische Regierung Chinas hatte die Pflanze verboten, weshalb es nicht lange dauerte, bis das Opiumgeschäft südwärts wanderte. Auch wegen der weitläufigen, kaum zugänglichen Hügellandschaft und des kühlen Klimas wurde das Grenzgebiet von Thailand, Myanmar und Laos – auch als das Goldene Dreieck bekannt – zum idealen Ort, um Opium fernab der Anti-Drogen-Maßnahmen der Behörden herzustellen.

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Teilweise kam noch die Hilfe der CIA dazu, denn in den 60er Jahren nutzte der US-Auslandsgeheimdienst den Drogenhandel dazu, um seine antikommunistischen Verbündeten in Laos finanziell zu unterstützen. Das führte dazu, dass der Anbau und die Produktion durch die Decke schossen – und in den 70er Jahren mehr als 70 Prozent des weltweiten Opiums aus dem Goldenen Dreieck kam.

Rückblickend ist dieser Umstand doch sehr ironisch, denn Chiang Mai hat sich in den letzten Jahren vom Drogen-Hotspot hin zu Thailands Luxus-Entzugszentrum entwickelt – dank einer ganzen Reihe an Kliniken und Einrichtungen, in denen drogenabhängige Menschen Ruhe finden und Wellness genießen können.

Foto: bereitgestellt von The Dawn

Einrichtungen wie The Dawn, Lanna Rehab, The Edge, Jintara oder The Next Step haben sich in und um Chiang Mai herum angesiedelt und sind jetzt beliebte Ziele von Patienten aus der ganzen Welt – Patienten, die ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen wollen und die natürlich das nötige Kleingeld für den Flug nach und den Aufenthalt in Thailand besitzen. Den Trend ins Rollen brachte übrigens The Cabin, die erste Entzugsklinik Chiang Mais und quasi die südostasiatische Antwort auf das Betty Ford Center.

Zwar konnte die thailändische Stadt durch diese Entwicklung einen neuen, positiven Ruf aufbauen, aber die doch ziemlich unschöne Vergangenheit verschwindet dadurch trotzdem nicht komplett.


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"Früher war Chiang Mai der Ort, an dem jeder seinen Stoff bekommen hat", erzählt Dylan Kerr, ein aus England stammender Suchtberater, der für die Luxusentzugsklinik The Dawn arbeitet. "Einer meiner ehemaligen Patienten war hier in den 70er Jahren Teil eines Heroin-Kults. Sie nannten sich 'Orange People' und schmuggelten Heroin von Chiang Mai nach Australien", sagt Kerr. Dann zählt er noch weitere schräge Eigenschaften des Kults auf: "Die Mitglieder setzten sich die Nadeln immer an den Körperstellen, durch die die Nägel bei Jesus' Kreuzigung geschlagen wurden. Sie glaubten, dass das Blut Christi Heroin war. Deswegen war der Drogenkonsum für sie eine religiöse Erfahrung."

Seitdem hat sich in Chiang Mai einiges geändert. Bestes Beispiel: der eben erwähnte Patient von Kerr, der in die thailändische Großstadt zurückgekehrt ist, um etwas gegen seine Drogensucht zu unternehmen. Der Australier ist inzwischen über 60, clean und kein Kultmitglied mehr.

Ein Heroinabhängiger im Norden Thailands | Foto: Homer Sykes / Alamy Stock Photo

Was außerdem zum Wandel beitrug: Chiang Mai geriet bald in den Fokus der Royal Project Foundation, einer thailändisches Non-Profit-Organisation, die sich seit Ende der 60er Jahre gegen die Opiumproduktion in den nördlichen Provinzen des Landes einsetzt. Zudem fing die thailändische Regierung nach der Einführung eines landesweiten Anti-Opium-Programms im Jahr 1984 verstärkt damit an, den Drogenschmuggel zu bekämpfen.

In den 90er Jahren ging Thailands Anteil an der weltweiten Heroinherstellung immer weiter zurück. Zwar gibt es auch heute noch Gebiete im Norden des Landes, in denen Schlafmohn angebaut wird, aber der Großteil des Opiums aus dem Goldenen Dreieck kommt inzwischen aus Myanmar. Wenn man heute durch die Hügel Nordthailands spaziert, merkt man schnell, dass auf vielen der ehemaligen Mohnfarmen heute Nutzpflanzen angebaut werden. Außerdem weisen mehrere Gedenktafeln zu Ehren der Royal Project Foundation darauf hin, wo genau der Mohn einst wuchs.

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"Die gewohnte Umgebung zurückzulassen, gibt den Suchtkranken die Chance, einen kompletten Neustart hinzulegen."

In Chiang Mai selbst haben Gesundheit und Wohlbefinden nun einen hohen Stellenwert. Tagsüber ist der Verkauf und Ausschank von Alkohol verboten und es gibt unzählige alte Tempelanlagen zu besichtigen. Betende Mönche sind überall zu sehen und alle Einheimischen haben ein Lächeln auf den Lippen. Ein kalter Entzug ist zwar nie einfach, aber es gibt auf jeden Fall schlimmere Orte, an denen man so etwas durchziehen könnte. Deswegen haben in Chiang Mai auch so viele Entzugskliniken aufgemacht.

Diese Kliniken sind im Vergleich zu den Einrichtungen der westlichen Welt auch viel günstiger. Ein 28-tägiges Entzugsprogramm in The Dawn kostet beispielsweise umgerechnet rund 9.500 Euro. Das klingt erstmal nach viel Geld, ist aber dennoch weniger als die Hälfte der Summe, die man in vergleichbaren Luxus-Entzugszentren in England oder den USA auf den Tisch legen muss.

Der Suchtberater Kerr ist der Meinung, dass sich die Patienten in der ungewohnten südostasiatischen Umgebung neu finden können – gerade weil sie so weit weg von Zuhause sind. "Existenzkrisen und Süchte gehen schnell Hand in Hand", sagt er. "Den Betroffenen wird langsam klar, dass sie für immer mit ihrer Drogensucht und den dazugehörigen Problemen leben könnten. Und diese Vorstellung ist der Horror." Die gewohnte Umgebung zurückzulassen, gebe den Suchtkranken dabei die Chance, einen kompletten Neustart hinzulegen.

Das idyllische Setting funktioniert aber nicht bei jedem – wie Pete Doherty 2012 demonstrierte. Damals setzte die Entzugsklinik The Cabin den Libertines-Frontmann wieder vor die Tür, weil der ein schlechter Einfluss auf die anderen Patienten gewesen sein soll. Zwei Jahre später kehrte der Musiker nach Thailand zurück und startete in einer Klinik südöstlich von Bangkok einen neuen Entzug.

Kerr begleitete Doherty damals auch als Suchtberater auf Tour. Wie er verrät, ist das skurril anmutende Konzept eines ständig bereitstehenden Suchtberaters inzwischen wohl relativ normal. Viele andere Musiker nähmen einen solchen Dienst ebenfalls in Anspruch: "In der Musikindustrie wird das Ganze immer geläufiger." Über seine Erfahrungen mit Doherty will Kerr übrigens nicht viel verraten, er bezeichnet sie lediglich als "interessant".

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