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Hochzeit

Mein Hochzeitsmenü hat meine Gäste fast umgebracht

"Herzförmige Hühnchenbrust" klingt besser, als sie schmeckt.
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Dieser Artikel stammt aus unserer Redaktion in Zürich.

Eines vorneweg: Mittlerweile bin ich wieder geschieden. Dass meine Ehe zum Scheitern verurteilt war, hätte ich schon vor meiner Vermählung erahnen können. Denn ich heiratete damals einen halbwegs erfolgreichen Musiker mit einer Neigung zu exzessiven Partynächten. Trotz massiver Zweifel an der ganzen Sache zog ich das Abenteuer Heirat durch. Lieber wollte ich die Ehe zuerst ausprobieren, bevor ich sie von vornerhein verurteile. Davon abgesehen: Für die Hochzeit hatte ich gerade mein bequemes Leben als Journalistin in der Schweiz aufgegeben, meine Freunde zurückgelassen, mich von meinen Eltern verabschiedet und meine Heimat verlassen. Ich zog von meiner Lieblingsstadt Zürich in eine verschlafene Kleinstadt in Kansas im Mittleren Westen der USA. Meine Zukunft war ungewiss.

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In Kansas angekommen besuchte ich mit meiner zukünftigen Schwiegermutter dutzende Floristen, Brautmode-Shops und Kuchenbäcker. Die Hochzeit meiner Träume, könnte man meinen. Bloss: Ich hab mir nie eine Hochzeit gewünscht. Während ich also zwischen überteuerten Brautkleidern und billigen Prosecco auf dem Teppichboden der Umkleidekabine eines Bridal Shops sass, wurde mir klar, dass diese Hochzeit mich niemals glücklich machen wird, egal wie schlicht oder billig ich sie gestalte. Ich beschloss aus diesem Grund, mit diesem Fest wenigstens die Leute glücklich zu machen, die mir am Herzen lagen: die Familie meines zukünftigen Angetrauten.

Während dieser zwei Monate vor dem Hochzeitstermin wuchs die Gesellschaft vom engsten Familien- und Freundeskreis ohne mein Zutun auf ein Dreifaches an. Ich würde den vermeintlich schönsten Tag meines Lebens mit mir völlig Fremden feiern. Und weil es in Kansas nichts anderes zu tun gibt, als Kinder zu zeugen, frassen mich diese Fremden mit ihrer Familienschar um Kopf und Kragen. Wie sollte ich mir das alles leisten? Mein Erspartes bestand aus dem mickrigen Pensionsfond, den ich mir in der Schweiz ansparen konnte, einzig angereichert durch finanzielle Hilfe meiner Schwiegereltern und meiner Mutter. Arbeiten durfte ich vor der Hochzeit als Einwanderin noch nicht. Und angesichts der Massen, die ich an diesem Tag zu verköstigen hatte, musste ich mich von meiner Idee trennen, meinen Gästen ein aufwändiges 5-Gänge-Dinner zu servieren. Das Sparmenü: Reis, Nudeln, Salat und als Highlight herzförmige Hühnchenbrust. Etwas Besonderes wollte ich meinen Gästen schon bieten. Dass ich ihnen damit die furchtbarsten Tage ihres Lebens schenken würde, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar.

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"Meine erste Amtshandlung als Ehefrau bestand darin, den Kot meines Ehemannes in einem Plastikbehälter ins Labor zu bringen."

In der Küche eines mittelgrossen Kettenhotels in unserer Kleinstadt, dessen Festsaal wir für unsere Feierlichkeiten gebucht hatten, wurde unser Festessen zubereitet. Während ich meine Nervosität als frischgebackene Ehefrau mit viel zu starken Gin Tonics in Bud-Light-Plastikbechern wegsoff und nicht mal vom dreistöckigen Hochzeitskuchen essen wollte, ergötzte sich meine Hochzeitsgesellschaft am billigen Hühnerfleisch, das in Bergen auf dem Buffet in einer Ecke des Saals aufgeschichtet wurde. Immer wieder hörte ich im Verlauf des Abends, wie "gosh darn cute" die Herzform des Geflügels sei. Welch schöne Symbolik für die Liebe, so ein Stück Fleisch. Am Ende des Abends war das Buffet so leer wie die Search History eines verheirateten Pornosüchtigens.

Foto von der Autorin

Die Ernüchterung folgte am frühen Morgen. Ich hatte einen mächtigen Kater, mein Mann kam erst morgens von seiner "Party mit den Jungs" zurück und mein Haus sah aus wie eine Jugendherberge in der Hochsaison. Aber noch bevor sich mein frisch Angetrauter nach der durchzechten Hochzeitsnacht schlafen legen konnte, ging es los: Mit Angst in den Augen und im Strahl kotzend schaffte er es gerade noch ins Bad, die nächsten Stunden verbrachte er entweder auf der Toilette oder auf der kleinen Gästematratze. Die hatte er mit letzter Kraft vor die Badezimmertür gezerrt, um dort zumindest ein paar Minuten am Stück schlafen zu können, bevor ihn die nächste Kotz-Kack-Attacke ereilte.

Dem Alkohol konnte keine Schuld zugewiesen werden, immerhin ging es allen anderen Gästen nicht besser. Meine Mutter bekam zu allem übel auch noch Fieber und wand sich vor Schmerzen auf der Couch – wenn sie nicht gerade vor dem Badezimmer in der Warteschlange stand. Während meine Schwiegermutter Familienangehörige im Akkord ins Krankenhaus kutschieren musste, zwei schwangere Gäste wegen Flüssigkeitsverlust kurzfristig gar ein möglicher Fall für die Intensivstation waren und die betagte Grossmutter meines Ehemannes wegen akutem Durchfall den Windelverbrauchsrekord ihrer Kindheit zu überbieten versuchte, spachtelte ich menschliche Scheisse in eine Tupperware-Dose. Meine erste Amtshandlung als Ehefrau bestand darin, den Kot meines Ehemannes in einem Plastikbehälter ins Labor zu bringen. Brav angeschnallt am Beifahrersitz, damit die kostbare Ware möglichst unbeschadet getestet werden kann. Die Diagnose: Offenbar wurden die Vorschriften für die Einhaltung der Kühlkette ignoriert. Das herzförmige Hühnchen war voll mit Salmonellen.

Während ich in den kommenden Tagen "Sorry, dass wir dich vergiftet haben" auf Dankeskarten schrieb und darauf hoffte, dass mich keiner meiner Gäste wegen Körperverletzung verklagt, schaltete sich der Staat Kansas ein und forderte eine Untersuchung der Hotelküche. Gefunden wurde allerdings nichts mehr, meine Gäste hatten alles aufgegessen und nachdem ich die Hotelmanagerin bereits am Tag nach der Hochzeit mit wütenden Anrufen bombardiert hatte, wurden in der Küche wohl alle verbliebenen Beweise beseitigt. Schlussendlich blieb ich auf der kompletten Rechnung für das Buffet des Todes sitzen. Einzig der Champagner wurde mir offeriert, "zur Beruhigung meiner strapazierten Nerven", wie es im Mail der Hotelmanagerin hiess. Danke dafür!

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