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Ausgrenzung

Die Essener Tafel nimmt nur noch Deutsche auf

"Wir wollen, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt", sagt der Vorsitzende der Organisation, die "allen Menschen" helfen möchte.
Symbolbild: imago | epd-bild/HeikexLyding

Hungrig kann ein Deutscher genauso sein wie ein Afghane. Und auch die Kälte, die den Bedürftigen beim Warten in der Essensschlange unter die Klamotten kriecht, macht keine Unterschiede zwischen Nationalitäten. Trotzdem nimmt die Essener Tafel seit Mitte Januar nur noch Menschen auf, die einen deutschen Pass haben.

Davor spielte die Nationalität keine Rolle. Jeder, der Hartz IV, Wohngeld oder Grundsicherung bezog, konnte sich anmelden. Auch anerkannte Asylbewerber konnten Kunden werden, wenn sie sich an die Residenzpflicht hielten.

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Die Plätze sind begehrt: Pro Woche kann die Tafel nur 50 neue Bedürftige aufnehmen. An den Aufnahmetagen standen aber "bis zu 120 Leute vor der Tür – darunter viele alleinstehende ausländische Männer", sagte der Vorsitzende der Essener Tafel Jörg Sartor zur Bild. "Da stellt sich die ältere deutsche Dame oder die alleinerziehende Mutter nicht hin."


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Vor der Flüchtlingskrise 2015 hätte der Anteil nichtdeutscher Tafelnutzer bei 35 Prozent gelegen. Heute sind seien es 75 Prozent – bei insgesamt 6.000 Mitgliedern. Ältere Kundinnen und alleinerziehende Mütter wären einem schleichenden Verdrängungsprozess zum Opfer gefallen, sagte Sartor. Der WAZ sagte der Tafel-Vorsitzende: "Wir wollen, dass die deutsche Oma weiter zu uns kommt." Die schrecke es aber ab, wenn eine Vielzahl junger fremdsprachiger Männer vor der Essensausgabe stehe.

Für Sartor liegt der Grund für die neue Regelung laut WAZ auch am mangelnden Respekt für Frauen: Wenn die Tafel-Mitarbeiter morgens die Tür aufschlossen, hätten einige Kunden geschubst und gedrückt "ohne Rücksicht auf die Oma in der Schlange." Die neue Maßnahme solle "eine vernünftige Integration gewährleisten", wie es auf der Website der Tafel stellt. Die Entscheidung sei den Verantwortlichen "verdammt schwer" gefallen, so Sartor gegenüber Bild, weil die Tafel politisch absolut neutral sei.

Dabei ist ein weiterer Grundsatz der Organisation "allen Menschen zu helfen, die der Hilfe bedürfen". So steht es auf ihrer Website. Ist das kein krasser Widerspruch?

Für die Essener Tafel ist der Aufnahmestopp nur ein vorübergehendes Experiment. Sartor will nun schauen, ob die Neuaufnahme nun besser funktioniert, und dann vielleicht nach sechs bis acht Wochen die Sperre wieder aufheben. Auch mit Betroffenen habe er gesprochen: "Die Ausländer reagieren bislang verständnisvoll auf die Maßnahme. Man muss es ihnen nur vernünftig erklären." Fragt sich nur, wie man jemandem vernünftig erklärt, dass er aufgrund seiner Nationalität unerwünscht ist.

Auf eine Interviewanfrage von VICE reagierte die Essener Tafel bislang nicht.

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