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Sport

Bieryoga: Ein Selbstversuch

Bier entspannt, Yoga auch. Was sollte da schief gehen?

Auf Bieryoga bereitet man sich am besten vor, indem man auf dem Weg dahin einen halben Liter Augustiner trinkt. Auf leeren Magen. Freitagabend um kurz vor sieben stehe ich im Bus und zerr genervt an meinem Rucksack, meine Yogamatte versucht zu entwischen und ist fast im Gesicht eines hyperaktiven Achtjährigen gelandet. Vielleicht hätte er dann wenigstens aufgehört zu tanzen.

Anstatt in einer Bar befinde ich mich leicht angetrunken auf dem Weg zum Bieryoga in der Loftus Hall am Maybachufer in Berlin Neukölln. Ich ziehe mich auf dem Club-Klo um und das ist ungefähr so angenehm, wie man sich es vorstellt. Ich versuche tunlichst den Kontakt von allen Oberflächen mit nackter Haut zu vermeiden. Ganz hinten such ich mir einen Platz in der Halle, wo ich gut Notizen machen kann. Kurz zögere ich, bevor ich meine Matte dann doch auf dem Clubboden ausrolle—lieber die Matte als mein Hintern. Ich sollte sie später zu Hause ordentlich schrubben.

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Hat schon was, das Ambiente: halb eklig, halb verrucht. Wie die besten Clubnächte.

Sofort fällt mir auf, dass ein Großteil der vierzig Menschen hier Männer sind. Und das ist ein deutlich höherer Anteil als in meiner normalen Yogaklasse. Anscheinend kommen Männer nur zum Yoga, wenn es auch Bier gibt.

Jhula, die den Kurs unterrichtet und Bieryoga vor Kurzem in Berlin ins Leben gerufen hat, ist unglaublich sympathisch und beginnt den Kurs. Mir tut es fast ein bisschen leid, dass ich so grimmig in den Abend reingestolpert bin und ich lass mich einfach komplett drauf ein. Schnell noch ein Bild vom Bier auf der Yogamatte (um das lol-mäßig an Freunde via WhatsApp zu schicken, versteht sich) bevor es mit dem „Biergruß" (anstatt des Sonnengrußes) losgeht.

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Discokugeln verzieren den Raum und werfen blaue Lichtpunkte auf den Boden. Hat schon was, das Ambiente: halb eklig, halb verrucht. Wie die besten Clubnächte. Alter Rauch hängt auch noch in der Luft, das Bild ist somit also komplett. Am Anfang des Kurses wird das Bier „bewusst genossen", mit geschlossenen Augen zieht jeder einen langen Schluck hinter. Das erinnert mich an Verkostungen von gutem Wein und macht auch irgendwie Sinn. Find ich sympathisch und nehm gleich noch ein Schluck. Man muss es ihr lassen, Jhula baut das Bier bei so gut wie jeder Bewegung mit ein. Zum Trinken wird animiert, aber jeder darf wie er oder sie will.

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Als wir zur Vorwärtsbeuge kommen (die Hände sollen, so gut es geht, vor einem auf den Boden platziert werden), lacht die Gruppe im Kollektiv erstaunt. Von wegen „Wie? So weit soll ich mich nach vorne beugen können? Unmöglich". Unsportlich und ungelenkig sind wir anscheinend.

Vor mir sitzt ein Paar, von dem ich annehme, dass sie noch nicht lange zusammen sind bzw. dass ihr Beziehungsstatus noch nicht geklärt ist. Der Gute hat leider nicht mitbekommen, dass er eine eigene Matte oder Unterlage mitbringen sollte und macht deshalb in Jeans auf dem Boden Yoga. Noch mal zur Erinnerung: Wir befinden uns in einem Club, auf dessen Boden in mehreren Stunden getanzt, gekotzt und tausende Kippen ausgetreten werden. Auch cool.

Als wir zum Hüftöffner, „der Taube", kommen, räkelt sie sich lasziv und beugt sich noch ein bisschen weiter nach hinten, damit ihre Brüste auch die bedeutende Aufmerksamkeit von ihrer Begleitung bekommen. Auf das Vorspiel zweier 20-Jähriger habe ich absolut gar keinen Bock. Schnell, Augen zu und noch ein Schluck vom Bier.

Wann kommt das Bier wieder ins Spiel?

Mein Lieblingsmoment des Abends passiert, als wir in die „Happy Baby"-Position kommen (auf dem Rücken liegend, beide Füße in den Händen). Ein leicht angeheiterter junger Mann schreit verzweifelt „Wann kommt das Bier wieder ins Spiel?" und der Raum kugelt sich vor Lachen. Auf dem Rücken. Hat schon etwas Verbindendes, so was Vescheuertes zusammen zu machen. Nachdem Jhula zur Brücke aufruft und versucht, die Klasse zu motivieren, sich anstelle eines Blocks eine Bierflasche unter das Becken zu stellen, sodass man nur noch auf den angewinkelten Beinen, der Bierflasche und den Schultern steht, reicht es mir. So ein Quatsch. Die Übung sollten wir einfach mal ganz klar vermeiden. Als wir zur Partnerübung (meiner persönliche Version der Hölle) kommen, schleich ich mich unelegant aufs Klo, um mir meine Jeans schnell über die Leggings zu ziehen. Ausziehen tu' ich mich hier nicht noch einmal.

Das Ganze kam mir etwas gequält vor.

Nachdem alles vorbei ist, steh ich leicht verwirrt vor der Loftus Hall und kann mir immer noch nicht erklären, wie ich das jetzt genau fand. Irgendwie lustig und mal was anderes. Richtiges Yoga war es sicher nicht. Vielleicht hätte es mehr Spaß gemacht, wenn man zu zweit oder in einer Gruppe kommt? Anstatt vergnügt zu quietschen und kichern wie die anderen, saß ich augenrollend hinten. Dabei bin ich normalerweise zu dümmeren Sachen bereit. Ich habe das Gefühl, nicht die richtige Zielgruppe zu sein. Wenn mir langweilig ist, dann such ich mir Beschäftigung. Oder treff mich halt mit Freunden in einer Bar, um dort mein Bier zu trinken. Zum Yoga gehe ich, weil ich eine Pause von meinem 24-Stunden Kopffilm brauche. Auf die Kombi von beiden habe ich keine Lust. Das Ganze kam mir etwas gequält vor.

Eins muss ich zugeben, die Stuhlübung hatte es in sich. Mit oder ohne Bier merke ich jedes Mal, wie es am nächsten Tag in den Oberschenkeln ziept. Das heißt, jetzt komme ich mir ganz stark und sportlich vor und gönn mir gleich die dreifache Menge Bier.

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