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Diese wandernden Steine gaben der Wissenschaft 70 Jahre lang Rätsel auf

Die mysteriösen Felsbrocken wandern wie von Zauberhand durch die Wüste. Zwei Cousins kamen der Lösung schließlich auf die Spur.
Bild: Jon Sullivan (pdphoto.org) | Wikipedia | Gemeinfrei

Hast du schon mal einen Stein gesehen, der sich bewegt? Nicht, weil ihn jemand getreten oder angestoßen hat, sondern einen Stein, der von selbst über eine ebene Fläche gleitet. Auch wenn die wenigsten Menschen sie bisher beobachten konnten, gibt es sie wirklich: wandernde Felsen, die Wissenschaftler jahrzehntelang vor ein großes Rätsel stellten.

Das Racetrack Playa ist ein großes, ausgetrocknetes Seebett in der Mitte der kalifornischen Wüste, dem Death-Valley-Nationalpark. Die Ebene ist einer der heißesten, trockensten und tiefstgelegensten Orte Nordamerikas – und die Heimat der "segelnden Felsen", die sich wie von Geisterhand durch die Wüste bewegen. Obwohl dieses Phänomen die Wissenschaft schon lange beschäftigt, gelang es Forschern erst 2014 zu belegen, wie die Steine von einem Ort zum anderen gleiten: Das Geheimnis ist ein einzigartiges Zusammenspiel von Eis, Wind und Sonne.

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Auch wenn man viel Glück haben muss, um die Steine tatsächlich in Aktion zu sehen, hinterlassen ihre Bewegungen deutliche Spuren. Hinter den Steinen zeichnen sich lange, teils verschlungene Pfade im trockenen Boden ab. Obwohl das Phänomen der wandernden Steine bereits Anfang des 20. Jahrhunderts dokumentiert wurde, konnte sich jahrzehntelang niemand erklären, wie sie sich fortbewegen. Das bestätigt auch der Ozeanograf Richard Norris, dem es gemeinsam mit seinem Cousin schließlich gelang, das Mysterium zu lösen.

"Die erste wissenschaftliche Studie zu dem Thema wurde 1948 durchgeführt und daraufhin folgte eine Reihe wissenschaftlicher Aufsätze", erklärt Norris. "Etwa alle zehn Jahre kam ein neues Paper über den Racetrack heraus, doch niemand baute ernsthaft seine akademische Karriere auf dieser Forschung auf. Es war einfach nur ein unterhaltsames Phänomen."

Bereits als Kind war Norris von den mysteriösen Felsen fasziniert. Sein Onkel, ein Geologe an der UC San Diego, unternahm mit seinen Studenten regelmäßig Ausflüge zum Racetrack Playa, auf denen Norris und sein Cousin ihn begleiteten. Die beiden Jungen wuchsen zu Wissenschaftlern heran und setzten es sich zur Aufgabe, das Rätsel um die segelnden Steine zu lösen. Darum dachten sie sich ein ganz besonderes Experiment aus.

Hört euch in der aktuellen Ausgabe unseres Podcasts Science Solved It weitere Hintergründe zu den Wandernden Steinen an:

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Natürlich hatten schon frühere Forschungen Hypothesen über die Steine aufgestellt. Einige Forscher glaubten, dass außergewöhnlich starke Windströme für die Bewegungen verantwortlich seien, andere glaubten, dass sich Eis um die Steine bildete und sie deswegen rutschten. Es gab auch exotische Erklärungsansätze, wie beispielsweise die der akustischen Levitation – demnach würden Schallwellen die schweren Objekte zum Schweben bringen.

Um dem Geheimnis ein für allemal auf die Spur zu kommen, befestigten Norris und sein Cousin speziell designte GPS-Geräte an den Felsen. Dazu hatten sie zuvor Steine im Death Valley platziert, da der Nationalpark sie nicht an die originalen Felsen lassen wollte. Außerdem richteten die Cousins eine Wetterstation ein. Und dann hieß es: warten.

Die Geduld der Forscher wurde schließlich belohnt: Nach zwei Jahren bewegten sich die Steine endlich. Durch einen glücklichen Zufall wurden Norris und sein Cousin sogar Zeugen des seltenen Schauspiels. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die beiden in einem Paper, das im Fachmagazin PLOS One erschien. Die Forscher konnten belegen: Wenn sich nach starkem Regen Wasser in der Ebene sammelt und die Temperaturen dann abfallen, bilden sich große, dünne Eisschichten rund um die Steine. Sobald die Morgensonne das Eis schmilzt, reichen schon niedrige Windstärken um das Eis zu bewegen, das die Steine dann mit sich zieht.

"Das Eis ist in etwa so dick wie Fensterglas", erklärt Norris gegenüber Motherboard. "Obwohl es also sehr dünn ist, handelt es sich um eine sehr große Eisfläche. Vom Wind wird das Eis dann hin und her bewegt und kann so auch große Gegenstände – und viele Steine – bewegen."

Diese Erkenntnis überraschte Norris und viele andere Wissenschaftler. Die Forschungsergebnisse aus dem Death Valley halfen seitdem, vergleichbare Steinbewegungen auf der ganzen Welt zu erklären. Auch wenn hinter dem Rätsel nicht die paranormale Erklärung steckt, auf die viele gehofft hatten, ist die Wahrheit nicht weniger phänomenal – oder um es mit Norris zu sagen: "Wissenschaft ist einfach herrlich."