Weihnachtsmärkte in Wien machen dich blind und pleite

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Weihnachten

Weihnachtsmärkte in Wien machen dich blind und pleite

Jedes Jahr die gleiche Erkenntnis: Der Punsch schmeckt grausig, Menschen sind schrecklich. Doch irgendetwas haben Wiener Weihnachtsmärkte an sich.

Wenn es extrem kalt ist und wir eigentlich mit einer Wärmflasche oder dem Hund auf dem Schoß, drei Paar Socken an den Füßen—und ja, auch einer Tasse mit etwas Heißem drin—daheim sitzen sollten, rotten wir Österreicher uns lieber auf öffentlichen Plätzen zusammen, um dort zu frieren und uns mit heißem, überzuckertem Alkohol wieder warm zu trinken. Danach beschweren wir uns dann, dass der Punsch genauso furchtbar schmeckt wie letztes Jahr und touristische Menschenansammlungen unzumutbar sind. Wir haben eine Tour durch Wiener Christkindlmärkte gemacht und taten uns dabei ein wenig schwer, in Weihnachtsstimmung zu kommen—dafür beim Schimpfen umso leichter.

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Rathaus

Der Christkindlmarkt am Rathaus war einmal schön. Die einfärbigen Lampen in den hohen Bäumen gab es sonst nirgendwo, das Rathaus war schön beleuchtet und der Glitzer drumherum hielt sich auch in Grenzen. Heute ist er irgendwo zwischen Disneyland und Vorplatz zum Palast der Eiskönigin. Von hinten mögen die Stände ja aussehen wie immer, braun und trist, während einem vorne 10.000 silberne Weihnachtsbaum-Ornamente entgegenfunkeln, als wollte die Eiskönigin sagen: Flieht, oder ich nehm euch euer Augenlicht. Der Punsch ist laut Weihnachtsmarktpersonal selbstgemacht, viel zu süß, dafür mit Beeren und kostet 4 Euro. Ein ruhiges Eck, um ihn zu trinken, sucht man vergeblich. Wenigstens ist die Tasse—für die man 3 Euro Pfand bezahlt—in Herzform. Gut schmeckt der Waldbeerpunsch deswegen trotzdem noch nicht, also geben wir die Tassen halbleer und eiskalt zurück.

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Museumsquartier

Im Museumsquartier läuft angenehme Musik, die Leute sind weniger Touristen, die Lebkuchenherzen mit „#YOLO" und „Oida chüüü" darauf kaufen, als vielmehr Wiener, die einfach Punsch trinken gehen wollen (ja, auch die gibt es). Hier stehen keine Stände mit Weihnachtsschmuck, Schneewelten und Hausschuhen in Eisbärform, dafür haben die Lokale des Museumsquartiers dort ihre Stände aufgebaut, ohne Schnickschnack, mit Punsch, Glühwein und umgekippten Enzis als Tische. Nur vor dem Leopoldmuseum steht ein Weihnachtsbaum, keine Weihnachtsmusik, dafür angenehme Stimmung und Ruhe zum Reden. Die Halle verkauft Punsch mit angezündeten Zuckerwürfeln für 3,40 Euro und hat gratis Erdnüsse an der Bar stehen, die—ganz weihnachtlich—noch zu knacken sind. Es ist der erst unser zweiter Christkindlmarkt, also geht es uns noch gut, die Überdosis an Zucker und Glitzer lässt sich hier sehr gut ausgleichen. In Weihnachtsstimmung kommt man hier allerdings nicht. Außer man hat Weihnachten bisher in einer von den Briten oder Amerikanern im zweiten Weltkrieg gebauten Wellblechhütten im Isländischen Hochland verbracht.

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Spittelberg

Spittelberg ist der schönste der Wiener Weihnachtsmärkte und gibt uns wieder ein wenig Hoffnung an den Geist der guten Weihnacht: Alles glitzert ein bisschen, aber das Erblindungs-Potenzial der Beleuchtung des Rathausplatzes wird bei Weitem nicht übertroffen. Der Markt ist gut besucht, aber nicht von Touristen überrannt. Fast kommen wir ein bisschen in Weihnachtsstimmung. Wir sind an einem Stand hängengeblieben, an dem uns ein halbwegs gut aussehender Verkäufer einen „Rauschigen Fakir" anbot—Chai Tee mit Rum um drei Euro, der in Sachen Erblindungs-Potenzial die Rathaus-Reizüberflutung leicht übertreffen könnte. Das Getränk schmeckte wie warmer Schnaps mit Zimt und nach ein paar Schlücken haben wir den Pappbecher weggeworfen. Der Spittelberger Christkindlmarkt ist aber irgendwie einfach heimelig und sympathisch. Also die richtige Umgebung, um sich in Form von ein paar Tassen Punsch einen warmen Gute-Nacht-Schwips anzutrinken (und das ist doch in Wahrheit der Sinn von Christkindlmärkten)—zumindest solange man es nicht mit dem rauschigen Fakir versucht, denn dann wird die Bratwurst, die man sich vorher bei der lieben Metzgerin gekauft hat, den Magen schneller wieder verlassen, als einem lieb ist. Trotzdem ist uns bleibt der Markt am Spittelberg unser Liebster.

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Pink Christmas

Unsere letzte Station war der Pink Christmas Markt bei der Kettenbrückengasse. Von der Tageszeitung Heute wurde der Markt groß als „einziger schwuler Christkindlmarkt" bezeichnet, viel „Schwules" war hier aber nicht zu sehen—bis auf die Tatsache, dass alles pink war und es eine Showeinlage gab, bei der eine Drag-Helene Fischer synchron zu „Atemlos" ihre Lippen bewegte. Wir haben uns einen mehr oder minder guten und sogar relativ heißen Orangen-Ingwer-Punsch um 3,50 Euro gegönnt, aus dem wir irgendwann nur noch die Ingwerstücke gefischt haben und sind mit einer Standbetreiberin ins Gespräch gekommen, die uns erzählt hat, dass schwule Standbetreiber auf anderen Weihnachtsmärkten nicht gerne gesehen sind und deswegen kurzerhand ihren eigenen Christkindlmarkt eröffnet haben. Der Pink Christmas-Markt ist einigermaßen leer, aber die Stimmung ist besser als auf allen anderen Märkten—freundlicher und offener. Man wird von keiner Menschenmenge durch den Markt geschoben, muss kaum anstehen und die Standbetreiber sind leicht angetrunken, lustig und geschwätzig—was vielleicht daran liegt, dass sie nicht die übliche Massenabfertigung betreiben (müssen), wie ihre heterosexuellen Kollegen am Rathausplatz. Zweifellos macht Punschtrinken hier am meisten Spaß.