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Veganismus

„Ich habe die erste vegane Partei Deutschlands gegründet“

Deutschland hat jetzt eine Veganer-Partei. Doch direkt nach dem Start kam sie unter Feuer aus der Szene.
Bild: Roland Wegener

Am 30. April diesen Jahres hat sich formal die erste deutsche Veganer-Partei „V-Partei³" gegründet, ein einmaliger Schritt in der Geschichte des Landes. Wir haben den Gründer Roland Wegner gebeten, darüber zu berichten, warum eine Neugründung seiner Meinung nach unausweichlich war und er sich nicht mehr im Parteienspektrum repräsentiert fühlt. In diesem Artikel argumentiert er ganz subjektiv und erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen.

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Es ist ein Jahrzehnt her, ich hatte damals begonnen, ein Sportbuch zu schreiben. Für Sportler ist Ernährung ein wichtiges Thema, daher sollte es nicht fehlen. Ich war Leichtathlet, hatte mein Training erweitert und wurde zum Treppen- und Rückwärtsläufer. Im Retrorunning habe ich mehrere Weltmeistertitel gewonnen und Weltrekorde aufgestellt. Für das Buch hatte ich testweise auch meine Ernährung auf fleischlos umgestellt, um zu sehen, ob und wie sich meine Leistung verändert. Ich war auf der Suche nach neuen Zielen und plötzlich gelang es mir, im Alter von 30 Jahren, wieder persönliche Bestleistungen aufzustellen. Aber erst einige Jahre später begann ich, mich komplett vegan zu ernähren und wurde dann sogar noch im Vorwärtslaufen Deutscher Meister.

Ein großer, unbesehener Skandal sind die hungernden Kinder in tierfuttermittelanbauenden Drittländern als Folge einer fehlgeleiteten Politik. Alle sechs Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung und daneben wird Futter für die europäische Massentierhaltung produziert.

Doch ich ernähre mich nicht nur komplett ohne tierische Lebensmittel, ich führe neben meinem Job als Beamter auch eine Haselnussplantage mit 906 Bäumen, die ich bio-vegan bewirtschafte. Ich verzichte dabei auf Gülle und Glyphosat. Ich kann die Zustände der konventionellen Landwirtschaft nicht mehr länger mit ansehen, denn unsere Nachfahren in 1.000 Jahren werden auch noch fruchtbare Böden und eine Artenvielfalt benötigen.

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Politisch sozialisiert wurde ich in der SPD, bevor ich die V-Partei³ gründete. Die drei „V" stehen für „Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer" und dafür, dass es für unser Anliegen bereits drei vor zwölf ist. Als im letzten Jahr das Volksbegehren gegen Massentierhaltung in Brandenburg sehr erfolgreich wurde und mehr als 100.000 Menschen unterschrieben, merkten wir, wie hoch das Protestpotential unter den Verbrauchern ist. Unter den etablierten Parteien fehlt es an entsprechenden Positionen. An den Veggie-Stammtischen in Augsburg reifte die Idee, eine entsprechende Partei zu gründen. Über die sozialen Medien haben wir uns schnell verbreitet, seit der Gründung erreichen uns täglich 5 bis 15 Neuanträge.

Wir versuchen, eine Lücke im politischen Spektrum zu füllen, die wir schmerzlich vermissen. Die Grünen waren von 1998 bis 2005 an der Bundesregierung beteiligt, die Situation hat sich aber nicht wesentlich verbessert. Sie haben sich weder gegen Glyphosat in unserem Essen noch gegen Tierversuche noch gegen Massentierhaltung spürbar eingesetzt. Egal, was die anderen Parteien an wohlklingenden Formulierungen in ihre Programme schreiben, in der Realität landen die Tiere bei den Grünen, der SPD und der CDU/CSU weiterhin im Schlachthaus. Auch wenn man ihnen zuvor vielleicht ein paar Zentimeter mehr Platz im Käfig zugesprochen hat. Unser Trinkwasser wird weiter belastet, das Klima wird auch nicht besser geschützt.

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Neben vielen gesellschaftlichen Themen ist das Kernthema der V-Partei³ die Agraragenda 2030. Hier sollen zusammen mit den Landwirten neue Wege in der Lebensmittelproduktion beschritten werden. Wir setzen auf das Zukunftsmodell der bio-veganen Landwirtschaft, was sich immer stärker auch über solidarische Modelle abbilden lässt und welches der Staat als Starthilfe subventionieren soll. Das Geld ist ja da, das fließt derzeit überwiegend in die Massentierhaltung.

Subventionen sind ein probates Mittel zur Steuerung gewünschter Prozesse. Wie es nicht laufen soll, sehen wir in einem anderen Fall. Die aktuelle Milchkrise ist absurd. Es kann nicht sein, dass der Staat der Milchindustrie zusätzliches Geld gibt, welches er den Steuerzahlern nimmt, damit diese dann wiederum billige Tiermilch kaufen können, obwohl sehr viele Menschen eigentlich lieber darauf verzichten möchten und dies bereits auch tun. Das ist längst keine Milchmädchenrechnung mehr, sondern schlichtweg Nonsens und eine klare Wettbewerbsverzerrung. Weshalb werden Pflanzendrinks nicht subventioniert und stattdessen immer noch mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt, Kuhmilch dagegen nur mit 7 Prozent? Das ist eine Diskriminierung von Millionen von Veggies und Kuhmilchverzichtern, die wir als V-Partei³ beenden möchten. Wenn die V-Partei³ die parlamentarische Entfaltung erreicht hat, wird sie versuchen, hier Abhilfe zu schaffen.

Das Spektrum, mit dem wir uns schon politisch beschäftigt haben, ist breit. Es gibt eine Menge Dinge, mit denen wir nicht einverstanden sind: das grausige Kükenschreddern, die Wiederzulassung vom Pflanzengift Glyphosat, die Zeitumstellung, ein gerechterer Umgang mit Rundfunkbeitrag und Stromkosten. TTIP wollen wir verhindern und weitere Waffenexporte stoppen, denn: „Jede Waffe findet ihren Krieg."

Ein großer, unbesehener Skandal sind die hungernden Kinder in tierfuttermittelanbauenden Drittländern als Folge einer fehlgeleiteten Politik. Alle sechs Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung und daneben wird Futter für die europäische Massentierhaltung produziert. Für uns alle geht es um etwas.

UPDATE: Dieser Artikel wurde am 26.05.16 um 19:02 aktualisiert, um etwas mehr Kontext zu geben. Hinzugekommen sind die einleitenden Bemerkungen in Kursiv.