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Sexismus

Es gibt keine mädchenhaften Drinks

Während Sexismus in der Werbung größtenteils verschwunden ist, hält er sich in der Barszene noch hartnäckig: Was du trinkst, sagt (scheinbar) immer noch etwas über deine Männlichkeit oder Weiblichkeit aus.

Alkohol ist weder männlich noch weiblich. Das sollte klar sein, oder?

Das Internet hat mir allerdings schnell bewiesen, dass dieses Statement Konfliktpotenzial hat, obwohl es ja „nur" um Alkohol geht. Hinter irgendeinem Bildschirm sitzt immer jemand, der „Political Correctness" ruft.

Es gibt keinen geheimen PC-Orden, der dich zu pinken Drinks verführen will. Sieh's als eine Art Tipp—wie bei einem Artikel über Whisky, der dir sagt, wie du deine Kumpels beim Trinken richtig beeindrucken kannst, weil du jetzt voll auf Rye stehst. Du sollst nur nicht wie ein totaler Idiot dastehen.

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Es ist eher eine Art Dienst an der Öffentlichkeit, als Vertreter eines nicht immer ganz so fortschrittlichen Gewerbes. In der Werbung ist unverhohlener Sexismus mittlerweile mehr oder weniger (naja…) verschwunden, beim Alkohol sind die Geschlechterrollen immer noch sehr präsent: Du bist, was du trinkst—entweder Mann oder Frau. Dieser Zusammenhang zwischen Alkohol und Geschlecht ist immer noch weit verbreitet. Es wird immer ach so männliche Typen geben, die sich genieren, einen Cocktail aus einer Sektschale zu trinken. Aber auch die Vorreiter in unserem Gewerbe und die, die darüber schreiben, scheinen es irgendwie immer noch in Ordnung zu finden, Cocktails hin und wieder als „mädchenhaft" zu bezeichnen.

Wenn eine Top-10-Liste der Optikerinnen erscheinen würde, gäbe es einen Aufschrei à la: ,Was für ein sexistischer Bullshit!'—Bei Bars oder Restaurants ist sowas aber vollkommen OK.

Um dieses Phänomen besser verstehen zu können, habe ich drei meiner Lieblingsbarkeeperinnen nach ihrer Meinung gefragt. Ihr wisst schon, solche, die auf den Top-10-Listen der besten weiblichen Barkeeper auftauchen. Also Barkeeper, die zufällig auch eine Vagina haben. Behaupten sie zumindest.

Ehrlich gesagt, ist das doch vollkommen egal.

„Die Leute sollen mit diesen verdammten Top-10-Listen der besten weiblichen Irgendwas aufhören!", beschwert sich Karin Stanley von Dutch Kills. „Wenn eine Top-10-Liste der Optikerinnen erscheinen würde, gäbe es einen Aufschrei à la: ,Was für ein sexistischer Bullshit!' In Bars oder Restaurants ist sowas aber vollkommen OK. Hier teilt man uns gerne nach unserer äußeren Erscheinung ein. Frauen können keine Barbacks sein, Männer nicht am Empfang arbeiten. Die Kellnerin hat nicht gelächelt, was für 'ne Zicke, der Typ hat mich nicht angemacht, der ist bestimmt schwul, und so weiter … So läuft das bei uns."

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ARTIKEL: Gender Food—das letzte Tabu?

Seitdem ich das erste Mal legal Alkohol trinken durfte, hat sich die Welt verändert. Klar, damals liebte ich Bourbon wegen seines Rufs: Wer cool war, trank Bourbon. Das Zeug war für Hartgesottene, echte Rocker und richtige Machos. Sicher, ich war naiv und hab auch Dinge gesagt, für die ich mich jetzt in Grund und Boden schäme. Und auch heute noch benutze ich bestimmte Schlagwörter für Drinks, weil sie einfach anschaulich sind und passen.

„Selbst ich frage mich, wenn ich an der Getränkekarte arbeite: „So, und welcher Drink ist jetzt für die Mädels?", sagt Ivy Mix, die Speed Rack mitgegründet hat und auch bei Leyenda arbeitet. „Damit meine ich diese ganz bestimmten Cocktails, serviert in einem ganz bestimmten Glas. Ehrlich gesagt, finde ich das selbst absolut ekelhaft. Neben den Cocktails mache ich auch immer ein Bild vom Glas, damit ich den ewigen Diskussionen mit Männern über „mädchenhafte" Gläser entgehe. Männer, die keinen pinken Cocktail trinken können, gehen mir auf die Nerven. Einfach nur krank—und leider erschreckend weit verbreitet."

Männer haben eine regelrechte Panik vor Sektschalen (die kleine Version des Glases, in dem sich Dia Von Teese gern räkelt). Das wird für Barkeeper zum echten Problem. Nur wenn auch ein echter Mann wie Hemingway aus dem Glas getrunken hätte, ist es auch ein Glas für Männer.

„Um den Cocktail nicht in der Sektschale zu servieren, nehme ich oft ein Cognacglas und packe einen Eiswürfel rein. Ansonsten würden viele zögern, den Drink zu bestellen", erzählt Yael Vengroff, die in The Spare Room in Los Angeles die Bar leitet. „Ich glaube die Frage, [ob es Gender-Drinks gibt] zementiert diese grundsätzliche Einteilung in Mann und Frau. Ich glaube nicht, dass ich das mit der Vergeschlechtlichung von Drinks anders sehe, weil ich eine Frau bin. Ich drehe auch nicht total am Rad deswegen. Wenn ich einen Cocktail in seinen Nuancen beschreibe, würde ich viele Aromen als feminin bezeichnen."

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Wir tun uns schwer damit, solche Bezeichnungen nicht mehr zu benutzen. In der Vergangenheit habe ich definitiv einige Cocktails oder Geschmacksnoten als „feminin" beschrieben. Erst in den letzten paar Jahren habe ich versucht, das zu vermeiden. Ich hab ich mich gefragt, was uns Gender-Drinks eigentlich sagen, welche unterschwelligen Vorurteile dadurch aufgezeigt werden.

Die traurige Wahrheit ist: ,Guter Service' in einer Bar schließt ,Gender-Drinks' mit ein. Man fügt sich den allgemeinen Normen.

Bestimmte Leute würden sagen, dass der Geschlechterkrieg etwas ganz Natürliches sei. Sexuelle Hierarchien finden sich ja überall in der Natur. Aber meiner Meinung nach hat kein anderes Wesen ein solches Geflecht an Denkweisen oder eine so komplizierte Identität entwickelt wie der Mensch. Und auch das kurzlebige Glück eines Cocktails hat der Mensch erfunden.Vor hundert Jahren gab es sowas noch nicht einmal.

Das Handwerk der Barkeeper besteht zu einem großen Teil aus (Gast-)Freundlichkeit. Und die meisten versuchen alles, um den Kunden nicht zu widersprechen.

„Ich reiße mich echt zusammen, dass ich nicht ausfallend werde", sagt Karin Stanley. „Aber wenn mir jemand kommt mit „Ich hätte gern was, das nicht gleich ‚Pussy' schreit!" oder „Mein Tussi-Kumpel hätte gern 'nen Daiquiri.", dann hört bei mir der Spaß auf. Irgendwie denken die Leute, dass es vollkommen in Ordnung sei, so mit Fremden in einer Bar zu sprechen. Meist versuche ich dann, die Gäste vorsichtig positiv beeinflussen. Aber es ist auch nicht meine Aufgabe, den Menschen Toleranz beizubringen. Wenn's richtig heftig wird, dann würge ich sowas schnell ab. Die traurige Wahrheit ist:,Guter Service' in einer Bar schließt ,Gender-Drinks' mit ein. Man fügt sich den allgemeinen Normen. Man beachte die Anführungszeichen: Für mich sind das Konstrukte, an die ich zwar nicht glaube, die aber existieren.

„Man würde die Art, wie ein Polizist jemanden verhaftet, auch nicht als mädchenhaft beschreiben. Man würde das auch nie von einem Soufflé sagen", scherzt Ivy. „Das Wort „mädchenhaft" hat einfach keine positive Konnotation. Niemand will einen mädchenhaften Drink. Und wenn man das sagt, dann nur mit spöttischem Unterton. So ist die Sprache—und so werden Frauen am Arbeitsplatz eben behandelt."

Die Welt der Cocktails zehrt von den guten alten Zeiten, den nostalgischen Momenten. Dabei kommen auch altmodische Ansichten über Geschlecht und Gender zutage. Alkohol ist zum Schmiermittel unserer Gesellschaft geworden, da versagen unsere moderneren Schutzmechanismen schneller und die Zunge wird etwas lockerer. Wenn man aber im Jahr 2015 wie ein Erwachsener trinken will, dann sollte man auch in seiner Sprache höflich bleiben, ein bisschen Intelligenz zeigen und aufeinander Rücksicht nehmen.

Ach, und es gibt verdammt noch mal keine Gender-Drinks.