Die aussterbende Kunst der Zuckertotenköpfe
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Mexiko

Die aussterbende Kunst der Zuckertotenköpfe

Die Totenköpfe aus Zucker sind das Symbol des mexikanischen Día de los Muertos. Während die Zuckerpreise aber steigen und jungen Leuten die Traditionen weniger wichtig werden, könnte es sie schon bald nicht mehr geben. Ein Familienunternehmen in...

„In Mexiko haben wir keine Angst vor dem Tod", erzählt mir Guillermo Jiménez. „Man leidet, man weint für die Verlorenen, aber wir finden Trost in dem Wissen, dass wir mit diesem Feiertag jedes Jahr die Gelegenheit haben, ihnen zu gedenken." Guillermo ist der Präsident der Jiménez Brothers, einem Unternehmen im Norden Mexikos, das es seit 1920 gibt und das sich auf die Herstellung von Schädeln aus Zucker und anderen beliebten mexikanischen Süßigkeiten spezialisiert hat. „Mexiko ist ein Land, das reich an Kultur und Traditionen ist", fährt er fort. „Eines der wichtigsten Themen, die unsere Identität prägen, ist unser Begriff von Leben und Tod und die Traditionen und Glaubensvorstellungen, die sich darum drehen. "

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Guillermo Jiménez in seiner Süßigkeitenfarbik, Jimenez Brothers

Día de los Mertuos, der Tag der Toten, ist in Mexiko einer der wichtigsten Feiertage. An diesem Tag ehrt man die Erinnerungen an verstorbene Freunde und Verwandte, indem man deren Gräber besucht und deren Lieblingsessen auf Altaren präsentiert. Die Altare sind voll gestellt mit den Lieblingsspeisen und -getränken der toten Familienmitglieder und dekoriert mit Kerzen und Blumen. Manche Leute bringen Spielzeug für die Geister der verstorbenen Kinder und Alkohol für die Seelen der verstorbenen Erwachsenen. Jedes Jahr am 31. Oktober beginnen die Feierlichkeiten pünktlich um Mitternacht. Die darauffolgenden drei Tage wird gegessen, getrunken und getanzt. Wie genau die Feier aussieht, unterscheidet sich je nach Region, aber die Totenköpfe aus Zucker sind das universelle Symbol des Día de Los Muertos.

Juana, eine der Totenkopf-Verkäuferinnen auf dem Le-Merced-Markt im Zentrum von Mexiko-Stadt hat eine interessante Theorie über die Gaben. „Das Essen verrottet nicht", sagt sie. „Nicht mal Obst und Fleisch verlieren ihre Farbe, aber wenn man sie nach einen Tag oder so isst, haben sie keinen Geschmack mehr."

Aber was ist mit den Totenköpfen? „Oh! Ich weiß nicht", sagt sie. „Ich glaube, Zucker ist immun gegen die Geister. Die Süße bleibt und wird eher noch intensiver."

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Wenn man einen dieser zuckrigen Totenköpfe—die süßen Figuren des Todes—isst, fühlt sich das an, als hätte man zehn Zuckerwürfel gleichzeitig im Mund. Ein spezielles Geheimnis hinter der Zubereitung dieser Zuckerbomben gibt es nicht. Alles, was man braucht, sind Zucker, ein bisschen Zitrone, Wasser und hitzeresistente Hände.

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Um 300 kleine Totenköpfe herzustellen, kochen die Arbeiter von Jiménez Brothers ein bisschen Wasser mit 20 kg weißem Zucker. „Das Geheimnis, um herauszufinden, ob die Mischung fertig ist, ist, seine Hand hineinzustecken, während sie kocht, ein kleines bisschen herauszunehmen und mit kaltem Wasser zu vermischen", erklärt Guillermos Neffe William, der den Prozess überwacht.

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Geschockt sehe ich ihm dabei zu, wie er seine bloße Hand in den kochenden Bottich voll brühend heißem Zucker steckt. „Nein, das geht so schnell, zu schnell, als dass meine Hand verbrennen würde", sagt er. „Und man gewöhnt sich daran. Wir haben alle dieses Ritual durchgemacht."

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Das wahre Wunder wird aber vollbracht, wenn der Sirup soweit ist, dass er ihn in seinen Händen zu einer kleinen Kugel formen kann. Er schaltet die Hitzequelle aus und lässt den Kessel eine Minute lang stehen, bevor er kräftig mit einem Holzlöffel umrührt. Wenn die Mischung langsam weiß wird und Blasen bildet, wird sie eine weitere Minute stehen gelassen und dann ist sie fertig.

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Daraufhin gießen die Arbeiter die Zuckermischung in Lehmformen, lassen sie auskühlen und dekorieren sie mit Zuckerguss, der aus Zucker, Eiweiß und Lebensmittelfarbe besteht. Guillermo erklärt, dass das Unternehmen in den 70er-Jahren anfing, psychedelische Schädeldesigns zu verwenden, was aber bald von anderen nachgeahmt wurde. „Seit wir das machen, wurden wir kopiert, weil wir viel Farbe verwenden", erzählt er mir.

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William und seine Familie zählen zu den Wenigen, die diese Tradition weiterhin aufrechterhalten. „Wir sind mit diesen zuckrigen Süßigkeiten aufgewachsen, sie sind Teil unseres Lebens. Wir befürchten jedoch, dass diese Kunst langsam ausstirbt, weil die Zuckerpreise jedes Jahr steigen und den jungen Leuten diese Traditionen nicht mehr so wichtig sind", sagt er. „Ein Altar ohne einen Zuckertotenkopf ist leer."