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Asiatische Familien sind Sparweltmeister in Ernährungsfragen

Viele Kinder lernen von ihren Eltern Fahrradfahren. Meine Eltern haben mir lieber die Kunst des Großeinkaufs beigebracht. Kein Wunder. Denn ob es nun um 10kg-Reissäcke, Berge von Toilettenpapier oder XXL-Ölkanister geht: Keiner schlägt asiatische...
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Viele Kinder lernen von ihren Eltern Fahrradfahren. Nicht aber so bei einer Familie aus Pakistan. Denn meine Eltern haben mir stattdessen die Kunst der Vorratskäufe beigebracht—eine unter Asiaten äußerst geschätzte Kompetenz, die von Generation zu Generation tradiert wird und im engen Zusammenhang mit dem Entstehen von unseren geliebten Abholgroßmärkten steht.

Beim Blick in meine Küchenschränke wirst du haufenweise auf Tomatenkonserven, Dosen mit Kichererbsen und Saag sowie 10kg-Reispackungen und Maisöl in XXL-Kanistern stoßen. Ich bin eine Hamsterin wie aus dem Bilderbuch, stets auf der Suche nach lang haltbaren Produkten, die ich in meinem kleinen Küchenbunker verstaue, falls mal ein Krieg ausbricht oder unerwartet 100 hungrige Gäste hereinschneien sollten. Schließlich muss ich allzeit bereit sein, um meinen Spontanbesuch gebührend bekochen und unterhalten zu können.

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Außerdem beruhigt es mich zu wissen, dass mich nur zwei Dosen von meinem nächsten energiereichen Mahl (samt Blähungen) trennen.

Als Kind haben mir viele meiner Freunde davon berichtet, wie ihre Eltern aus Platzmangel in den Kleiderschränken eimerweise Butterschmalz und unter den Betten säckeweise Reis gehortet haben. Dort müssen einfach jeden Abend Basmati-Reis-Kreationen auf dem Speiseplan gestanden haben.

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Auch im Keller meiner Tante wimmelte es von Waren aus dem Großmarkt. Als ich noch klein war, habe ich mich gern da unten aufgehalten, weil es zwischen all den Mangosäften, Toilettenpapierbergen und Konservendosen immer was zu entdecken gab. Reichlich Ärger gab es, als mein Onkel einmal fünf XXL-Packungen vom falschen Waschpulver nach Hause brachte, aber gleichzeitig an seine Lieblingsschalotten gedacht hat. Man muss eben Prioritäten setzen.

Warum machen wir das also? Der Hauptgrund, wer hätte es gedacht, besteht darin, Geld zu sparen—sei es aus der Freude am Schnäppchenschießen (auch wenn es nur um Reis geht, bin ich jedes Mal ganz aufgeregt) oder aus wirtschaftlicher Notwendigkeit.

Als mein Mann in Liverpool zur Uni ging, hatte er viele asiatische Freunde, die ihre Familien zurückgelassen hatten, um in Großbritannien studieren zu können. Sie haben damals oft zusammengelegt und damit dann Kisten voll Dosentomaten und Kidneybohnen gekauft, um daraus möglichst günstige Curry-Gerichte zu kochen. Doch da sie anfingen, immer größere Mengen aufs Fließband zu legen, hat der Supermarkt um die Ecke beschlossen, bei Konserven einen rigorosen Eine-Kiste-pro-Kunde-Kurs zu fahren, damit die anderen Kunden auch noch was abbekommen würden. Ich finde, du kannst schon ein bisschen stolz sein, wenn du dich als Student so großzügig mit Dosentomaten eindeckst, dass der Supermarktchef widerwillig das Ausverkauft-Schild auspacken muss.

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Die Freunde meines Mannes hatten schon den Löwenanteil ihrer Ersparnisse für die Studiengebühren verpulvert und konnten aufgrund ihres Zuwandererstatus auch nur begrenzt arbeiten gehen, weswegen Großeinkäufe buchstäblich ihre Rettung waren. Ihr weniges Geld haben sie fast immer gehortet. Darum wurden diejenigen, die zum Abendessen mal ein „sündhaft teures" Take-away vorschlugen, ordentlich abgewatscht. Daran wird sich vermutlich nicht viel geändert haben.

Wenn du einen Student kennst, der Nachhilfe in kostengünstiger Ernährung benötigt (wer kennt ihn nicht?), dann richte ihm aus, dass er sich dafür nur mit Asiaten anfreunden muss. Die werden ihm eintrichtern, dass er endlich die Finger von überteuerten Instant-Nudeln lassen soll.

Doch wir Asiaten sind nicht nur echte Sparfüchse, sondern lieben es auch, unsere Gäste bis zum Platzen zu füttern, was eine volle Vorratskammer umso wichtiger macht. Es würde nämlich einem ziemlichen Gesichtsverlust gleichkommen, wenn wir einen Überraschungsgast mit leerem Magen nach Hause schicken müssten. Und als ich Verwandte von mir in Peschawar besucht habe, wurde ich dann von meinen herzlichen Gastgebern äußerst generös bekocht.

Als gute investigative Journalistin habe ich mich ein bisschen in Bradford—eine der ethnisch vielfältigsten Städte Großbritanniens—umgehört, weil ich herausfinden wollte, warum sich Großeinkäufe in unserer Gemeinde so großer Beliebtheit erfreuen.

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Ein paar meiner ähnlich vorratsaffinen Nachbarn meinten, ihre Wahl falle deswegen auf riesige Mehlsäcke (die du mittlerweile auch schon bei örtlichen Tankstellen vorrätig findest), weil sie aus Kostengründen jeden Abend ihre eigenen Chapatis backen würden. Für Restaurantbesitzer und die, die es mal waren, ist der Einkauf in Industriemengen nichts weiter als Ausdruck von gesundem Menschenverstand. „Für unsere traditionellen Gerichte brauchen wir Unmengen Zwiebeln, Tomaten und Reis", erklärt mir Kalim Mir, der früher selbst ein persisches Restaurant auf Manchesters berühmter Curry Mile betrieben hat. „Für jedes Curry-Gericht brauchst du Zwiebeln und Tomaten als Grundlage. Wenn du also zweimal täglich kochst, kommst du auf bis zu fünf Zwiebeln. Das sind 35 in der Woche."

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Um die alle klein zu schneiden bräuchtest du wohl eine Atemmaske.

Shara Hasan, verantwortlich für den Kundendienst im Bradforder Lebensmittelgeschäft Freshco Foods, hat mir erzählt, dass auch Transportschwierigkeiten viel mit der Art des Einkaufens innerhalb der asiatischen Community zu tun haben. So besitzen vor allem ältere Frauen oft keinen Führerschein. Aus diesem Grund bringen sie alle paar Monate ihre Söhne mit und kaufen dann sperrige und schwere Lebensmittel auf Vorrat. Während der Woche kommen sie dann regelmäßig für frisches Gemüse und Fleisch zum Einkauf vorbei.

Dennoch, so Geschäftsführer Rohail Tariq, sind Vorratskäufe dieser Art eher selten geworden, vor allem bei den Jüngeren. Aus diesem Grund hat er beschlossen, sein Geschäft zu modernisieren und hat sich dabei von den virtuellen Tesco-Stores in Korea and Japan inspirieren lassen, wo Kunden mittlerweile die Möglichkeit haben, die Wartezeit auf Bahnhöfen dergestalt sinnvoll zu nutzen, dass sie auf Wänden mit Produktabbildungen den Barcode von Waren ihrer Wahl einscannen und diese dann an bestimmten Verkaufsstellen abholen können.

Also hat Tariq die unansehnlichen Mehl- und Reissäcke aus dem Verkaufsbereich verbannt—auch wenn die für ihn stets eine schöne Kindheitserinnerung dargestellt haben—und eine platzsparende Fotowand von den bei ihm erhältlichen Mehlsorten errichtet. Hier können sich seine Kunden ihr Lieblingsmehl aussuchen, mit dem Bon zur Kasse gehen und sich den schweren Sack direkt zum Auto bringen lassen.

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Willkommen in der Moderne: Freshco Foods

Das mag durchaus im Zeichen der Moderne stehen. Ich für meinen Teil möchte mein zweimonatliches Basmati-Gewichtheben im Großhandel nicht missen. Die Reisecke habe ich schließlich zu meinem privaten Fitnessstudio gemacht.

Jüngere Asiaten machen heutzutage eher einen Bogen um Großmärkte und versorgen sich stattdessen in normalen Supermärkten. Ich aber—meiner Mutter sei dank—werde meinen geliebten XXL-Packungen treu bleiben. Als Mutter von sechs Kindern ist sie nämlich bis heute eine tadellose Köchin, die aus Konserven, Gemüse und Reis in nur 30 Minuten köstliche Gerichte zaubern kann. Dabei beweist sie einen wirtschaftlichen Weitblick, den ich mir bei so manchen CEOs wünschen würde.