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Cocktails

Der beste Barkeeper der Welt über Mikrowellen, Mikroben und Mixologen

Wir haben uns mit einem der größten Bartender unserer Zeit, Ryan Chetiyawardana, über seinen Werdegang, über Innovation und über Wissenschaft unterhalten—und warum Bartending keine ist.
Foto von Kim Lightbody.

Wenn du beim Ausgehen einen Gin Fizz oder Tequila Sunrise nach dem anderen bestellst, ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass du dem Bartender Beachtung schenkst, der sich für deinen Drink abrackert. Außer du findest ihn oder sie süß. Wenn das nicht der Fall ist, bist du nach drei Cocktails wahrscheinlich auf dem besten Weg, deine Meinung zu ändern.

Wenn dein Drink aber von Ryan Chetiyawardana a.k.a. Mr. Lyan gemixt wird, dann wirst du ihn sehr wohl beachten. Nicht wegen seines perfekten, weißen Lächelns, sondern weil er einer der besten Bartender unserer Zeit ist. Ernsthaft. Dieses Jahr wurde er zum „Besten internationalen Bartender" bei den Tales of the Cocktail Awards gekürt und das ist nur die jüngste einer ganzen Reihe von Auszeichnungen, die er vor sechs Jahren, als er noch Student in Edinburgh war, anfing zu sammeln.

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Der Londoner Bartender Ryan Chetiyawardana. Foto mit freundlicher Genehmigung von Ryan Chetiyawardana.

„Ich studierte Biologie und arbeitete in einer Bar, die Bramble hieß", erinnert sich Chetiyawardana. „Irgendwann fing ich an, an kleinen Wettbewerben teilzunehmen, um mich selbst herauszufordern. Das war, als würde man einen Kunstauftrag bekommen. Man bekommt ein Konzept und kann dann daraus machen, was man möchte, um dieses Konzept zum Ausdruck zu bringen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht."

Sein künstlerisches Denken verbindet er mit wissenschaftlicher Anwendung und so wurde er zum Gewinner der Auszeichnung „Diageo Reserve World Class UK Bartender", während er 2009 seinen Master absolvierte.

„Jedes zweite Wochenende reiste ich nach London, ich arbeitete Vollzeit und studierte Vollzeit", sagt er. „Aber ich wusste damals schon, dass Barkeepern genau mein Ding war."

Er studierte mehrere Jahre lang Kunst, dann Biologie und machte schließlich seinen Master in Philosophie. Seine Entscheidung, in einer Bar zu arbeiten, brachte ihn nicht von seinem Lerneifer ab.

„Ich lese Fachzeitschriften und Studien und integriere die Wissenschaft hinter natürlichen Dingen wie Pflanzen, Kräutern oder Mineralien in die Drinks, die ich mache. Dann überlege ich, wie ich sie verwenden könnte", sagt Chetiyawardana. „Eine Zeit lang arbeitete ich mit einem Harvard-Professor tertiären Aromen, die Mikroben kreieren, und all das Chaos, das dazugehört."

Ich bin überrascht. Das klingt sehr akademisch für etwas, das für mich ganz simpel war: Alkohol, Saft, Eis.

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„Ich spielte mit Fermentation in Getränken herum und wollte versuchen, einen Gin Fizz auf die gleiche Art herzustellen, wie man Champagner macht", erklärt er. „Ich mischte Gin, Zitrone, Zucker und Wasser zusammen und fermentierte es mit Hefe, damit sich der Geschmack ändert und Kohlensäure entsteht. Es ist explodiert."

Voilà, das Chaos um die tertiären Aromen, die Mikroben kreieren. Oder so. Wie dem auch sei, irgendwann klappte es mit dem Gin.

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„Es war den Aufwand wert", sat er. „Das ist ein ziemlich spektakulärer Drink."

Wenn ich Chetiyawardana zuhöre, erinnert mich das an meine Kindheit, als ich Perfümpröbchen mit Rosenblättern, die ich aus Nachbars Garten gestohlen hatte, mischte, um zu sehen, was dabei herauskommt. Nur dass mein Ergebnis eine braune Pampe war und er sich eine ziemlich erfolgreiche Karriere aufgebaut hat. Und er findet, wir sollten alle zu Hause ein bisschen rumprobieren.

„Immer mehr Leute kochen aufregende und interessante Sachen und experimentieren in ihren Küchen mit Essen, weil es heute viel mehr schöne Kochbücher von Köchen und gute Restaurants gibt", sagt er. „Ich wünsche mir, dass das mit Getränken auch so ist."

Idealerweise ohne all die Explosionen, die Chetiyawardana bei seinen Experimenten verursacht hat.

„Stimmt, ich möchte nicht verantwortlich sein, wenn irgendjemand sein Haus niederbrennt", fügt er hinzu. „Als ich anfing, experimentierte ich in der Küche meiner Studentenwohnung und ich baute eine Brennerei, um mit hohem Druck arbeiten zu können. Meine damalige Freundin nennte sie immer liebevoll die ‚Kaboom-Brennerei', weil sie immer kurz vorm Explodieren war."

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Der Lo Ball von Chetiyawardana. Foto von Niall Webster.

In Chetiyawardanas kürzlich veröffentlichtem Buch Good Things To Drink with Mr Lyan and Friends geht er jedoch in jeder Hinsicht auf Nummer sicher: Klassiker finden sich neben ein paar ungewöhnlicheren Drinks wie dem Nuked Negroni, für den die bescheidene Mikrowelle zum Einsatz kommt.

Wer hätte das gedacht? Aber genau da kommt womöglich seine Genialität zum Vorschein—bei den Ideen, die Chetiyawardana umsetzt, die andere nicht einmal ausprobieren würden. Erde in einem Cocktail, beispielsweise. Er hat es tatsächlich geschafft, dass es nicht grauenhaft schmeckt.

„Ich hatte eine Kollaboration mit Chase-Wodka, der aus Kartoffeln hergestellt wird, und ich habe mich gefragt, wie man diese Erdigkeit in einem Drink widerspiegeln könnte", erklärt er. „Ohne, dass es furchtbar schmeckt, versteht sich."

Chetiyawardanas Lösung war, Erde von der Chase-Farm zu destillieren, um sie für den Verzehr ungefährlich zu machen, und sie dann ins Getränk zu mischen.

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Man muss vorsichtig sein, in Erde steckt ziemlich viel komisches Zeug", lacht er. „Aber es hat wirklich funktioniert."

Ich bin zwar noch nicht ganz überzeugt, aber ich wage es nicht, Chetiyawardana Wissen und Können bezüglich des Cocktailmixens infrage zu stellen, denn er ist kurz davor, es in einen Cocktail für mich umzusetzen.

„Neue Technologien, mit denen wir neue Dinge einführen können, sind immer gut für uns Bartender mit unserer kurzen Aufmerksamkeitsspanne", sagt er.

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Obwohl er sich seit seinen Experimenten in der Studentenküche bereits extrem weiterentwickelt hat, mit zwei Bars—White Lyan und Dandelyan—in seinem Namen, die beide zu den 50 besten der Welt zählen, probiert Chetiyawardana immer noch Neues aus. Für die London Cocktail Week, beispielsweise, hat er einen Old Fashioned mit einem Wassersprudler mit Kohlensäure versetzt.

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Foto von Kim Lightbody.

„Durch den Alkohol- und Zuckergehalt sollte es eigentlich nicht möglich sein, aber wir haben es so prickelnd wie Cola gemacht", erklärt er. „Wir mussten das Rezept aber anpassen, weil mit der ganzen Kohlensäure zu viel Alkohol drin war."

Wenn man das Kind beim Namen nennen müsste, wäre es nicht einfach Wissenschaft, versteckt hinter dem Zauber von Orangenzeste, Cocktailschirmchen und Kirschen auf Holzstäbchen?

„Ich betrachte das, was ich tue, nicht als Wissenschaft", sagt Chetiyawardana. „Es ist viel mehr Kunst, man spielt mit verschiedenen Materialien, um herauszufinden, was funktionieren könnte. Ich bezeichne mich selbst viel lieber als Bartender als als Mixologe, weil hinter unserer Arbeit viel mehr steckt, als Zutaten abzumessen und zu mixen."

Zum Beispiel?

„Man muss auf seine Intuition hören", sagt er. „Wenn jemand die Bar betritt, möchte man, dass sich die Person sofort wohl fühlt und das ist der Job eines Bartenders. Ich stelle so wenige Fragen wie möglich, um herauszufinden, was die Leute suchen, was ihnen schmecken könnte und dann biete ich ihnen ein tolles Erlebnis."

Einige Cocktails später kann ich verlässlich berichten, dass ich ein tolles Erlebnis hatte. Ob das an der Wissenschaft, Kunst, der Psychologie, der Intuition, Chetiyawardanas perfektem Lächeln oder dem Rausch lag, kann ich nicht sagen. Dafür war ich zu betrunken.