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Sex

"Ich habe mir ein Jahr lang freigenommen, um mich zu verknallen"

Die Schweizerin Yvonne Eisenring kündigte Job und Wohnung. Sie wollte überall auf der Welt den Richtigen suchen, Vollzeit.

Es hört sich ein bisschen an wie Eat, Pray, Love. Yvonne Eisenring kündigte ihren Job und ihre Wohnung und reiste ein Jahr lang um die Welt, um sich zu verknallen. Tel Aviv, Havanna, New York, Hamburg: Über 50 Dates hatte sie in zwölf Ländern. Darüber hat sie ein Buch geschrieben. Aber klappt Verlieben besser, wenn man es wie einen globalen Vollzeitjob betreibt?

VICE: War dein Job so stressig, dass du dir ein Sabbatical nehmen musstest, um dich zu verknallen?
Yvonne: Ich habe mit 20 angefangen zu arbeiten, war eine der jüngsten Fernsehreporterinnen in der Schweiz. Mit 27 stellte ich fest, dass ich mich schon länger nicht mehr verliebt habe und fragte mich: Warum? Ich wollte wissen, ob es mit dem Verlieben besser klappt, wenn man Zeit hat und keine Verpflichtungen.

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Einige Freunde fanden das mutig, andere befürchteten, ich würde meine Karriere aufs Spiel setzen. Hätte ich ein Jahr frei genommen, um eine Weiterbildung zu machen, hätte das niemand seltsam gefunden. Da kann man den Erfolg beeinflussen und es später in den Lebenslauf schreiben. Beim Verlieben weiß man nicht, ob es sich lohnt.

Yvonne in Tel Aviv | Foto: privat

Wir sind also Kapitalisten in der Liebe?
Zumindest sind wir sehr leistungsorientiert. Alles, was wir tun, muss etwas bringen. Und Verliebtheit "bringt" erstmal nichts. Stattdessen benutzen wir unsere Zeit lieber dafür, an unseren Körpern, Karrieren oder Social-Media-Profilen zu arbeiten. Um jemanden kennen zu lernen bleibt nur die Zeit zwischen Arbeitsschluss und Fitnessstudio.

Ist es aber nicht auch ziemlich leistungsorientiert, das Verlieben wie ein Projekt zu betreiben?
Das habe ich ja nicht. Ich habe mich jetzt nicht auf allen möglichen Datingplattformen wie Parship und OkCupid angemeldet und nach der großen Liebe gesucht. Ich bin einfach losgereist und habe geguckt, was passiert, wenn man mehr freie Zeit hat und einen freieren Kopf. Meistens wurde ich von Freunden mit Männern verkuppelt—oder wurde wie in New York und Havanna auf der Straße angesprochen. Tinder habe ich eigentlich nur in New York und Hamburg benutzt. In Hamburg hätte ich sonst niemanden getroffen.

"Der kühle Hamburger" und "der lockere Kubaner"—das hört sich ein bisschen nach Klischee an. Unterscheiden sich die Männer je nach Land tatsächlich, oder sind das Vorurteile?
Um sagen zu können "Kubaner sind so" und "Deutsche sind so" hätte ich 5000 Männer daten müssen und nicht nur 50. Aber gewisse Klischees haben sich schon bestätigt. In Kuba war ich tatsächlich viel Salsa tanzen und mein Date erzählte mir schon nach fünf Minuten, ich sei die schönste Frau, die er je getroffen hat. Und die New Yorker wollten sich nicht festlegen, sondern immer schauen, ob es noch was Besseres gibt. Sie betreiben Dating wie ein Hobby. Es war gar nicht so wichtig, wohin das Date führte.

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Und die Deutschen?
Da haben sich die Klischees nicht bestätigt. Viele meiner deutschen Dates waren witzig und selbstironisch. Sie konnten über sich selbst lachen und sahen gut aus. Ich finde, die Deutschen und die Schweizer Männer haben zu Unrecht einen schlechten Ruf.

Was war das schlimmste Date?
Ich habe mich einmal mit einem Date darüber unterhalten, dass wir beide gern singen. Er fing dann mitten im Café an, eine italienische Arie zu schmettern. Seine Stimme war schon gut. Aber es war nachmittags um 16 Uhr—und wir hatten nicht mal was getrunken.

Yvonne in London | Foto: privat

Was hast du aus deiner Auszeit gelernt?
Das Wichtigste war: Es lohnt sich, das Risiko einzugehen, aufs Privatleben zu setzen. Auch wenn wir es nicht planen können. Einige Leute haben Angst vor Kontrollverlust, vor Verletzlichkeit. Eine Verliebtheit schüttelt dich auch durch. Aber es lohnt sich. Es ist seltsam, dass so viele beruflich alles geben und beim Thema Liebe nichts investieren wollen.

Und hat es geklappt?
Das möchte ich nicht sagen. Sonst würde ich das Ende meines Buches verraten. Nur so viel: Ich bin momentan sehr glücklich.

Die Hälfte aller Liebesfilme basiert darauf, dass die Liebe einen trifft, wenn man sie am allerwenigsten erwartet. Ist es eine Illusion, dass man sich verliebt, wenn man im Supermarkt übereinander stolpert?
Man kann jetzt nicht zielgerichtet nach der Liebe suchen. Aber es hilft, sich treiben zu lassen und die Augen offen zu halten. Natürlich kann man über die Liebe seines Lebens stolpern. Aber wenn dein Kopf absolut voll ist, richtest du dich wieder auf und läufst einfach weiter. Damit Zufälle passieren, muss man auch Zeit haben. Damit die Liebe ihren Auftritt haben kann, muss man ihr eine Bühne geben.