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Sind McDonald’s und Starbucks die Retter des chinesischen Kulturerbes?

Die Eröffnung einer McDonald's-Filiale im ehemaligen Zuhause des bekannten chinesischen Politikers Chiang Ching-kuo hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob es angemessen ist, Stätten des kulturellen Erbes zu Fast-Food-Immobilien zu verwandeln.

Im Januar wurde in der Stadt Hangzhou im Osten von China ein Vorschlag für die Verwendung einer Villa vorgebracht, die früher vom ehemaligen Oberhaupt Taiwans bewohnt wurde und heute als Kulturerbestätte gilt. Der Vorschlag lautete: Sie sollte wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein, mit einer neuen, prominenten Dekostück: dem goldenen M.

Das 1931 errichtete Gebäude befindet sich neben der Duan Qiao, der „zerbrochenen Brücke", einer beliebten Touristenattraktion, in der wunderschönen Gegend um den Westsee. Bald soll die Villa, in der früher der Sohn von Chiang Kai-shek, Chiang Ching-kuo, lebte, einen neuen McDonald's beheimaten.Chiang Ching-kou bewohnte 1948 das Gebäude, zur der Zeit, als die Armee von Kuomintang in den chinesischen Bürgerkrieg gegen die kommunistischen Streitkräfte von Mao Tse-tung verwickelt war. Chiang Chiang-kuo wurde später das Oberhaupt von Taiwan, das seit 1978 von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird.

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„Wird zukünftig Onkel McDonald [Ronald McDonald] mit seinen roten Haaren, einem breiten Lächeln im Gesicht, auf einer Bank nur Meter von der zerbrochenen Brücke entfernt sitzen?", fragte die Zeitung Qianjiang Evening News. Die Antwort lautete ja, zumindest metaphorisch: Anfang des Monats eröffnete der US-amerikanische Fast-Food-Gigant dort seine jüngste Filiale in China. Heute erklären Informationstafeln neben den Tischen voller McCafé-Tassen die Geschichte des Gebäudes.

Die staatlichen Medienberichte über die Eröffnung lösten eine Debatte unter Netzbürgern aus, ob Ronalds Präsenz in der Gegend—neben der Starbucks-Filiale, die im September direkt über McDonald's eröffnete—angemessen ist.

Im Vorfeld wurden lokal Ansässige zu ihrer Meinung befragt, die jedoch in der endgültigen Entscheidung völlig übergangen wurde. Beijing Youth Daily berichtete von einem öffentlichen Meeting, bei dem sich ungefähr 90 Prozent der Anwesenden gegen die Eröffnung ausgesprochen hatten. Zhou Fuduo, Professor für die Erhaltung von Kulturerbe an der Zhejiang-Universität, war bei dem Treffen anwesend und soll gesagt haben, dass das Gebäude als eine Art historische Vitrine erhalten bleiben anstatt in eine Fast-Food-Filiale umgebaut werden sollte. „Wir sagten, dass der gesellschaftliche und kulturelle Nutzen gegenüber der kommerziellen Profite überwiegt, aber unsere Meinung wurde nicht wahrgenommen", sagte er.

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Das Amt für Behördenangelegenheiten der Provinz Zhejiang, das das Gebäude besitzt und Berichten zufolge mehrere Jahre nicht geschafft hat, es zu vermieten, sah die Sache jedoch anders. Das Amt wies darauf hin, dass Chiang das Gebäude nur für kurze Zeit bewohnte. Chiangs Enkel, Demos Chiang, schrieb auf Social Media: „Ich verstehe es nicht, eine McDonald's-Filiale in der Villa eröffnen … wie genau geht das mit den Vorschriften über die korrekte Verwendung von Kulturerbestätten konform?"

Ein unbekanntes Mitglied der Behörde soll gesagt haben: „Chiang Ching-kuo lebte zu kurz in diesem Haus und übrig geblieben ist nur die Hauptstruktur, innen sieht es überhaupt nicht mehr so aus wie damals, als die Chiang-Familie dort wohnte … es ergibt nicht viel Sinn, das Gebäude in ein Museum umzuwandeln."

McDonald's hingegen ist der Meinung, die Präsenz des Unternehmens unterstütze die Erhaltung der Stätte. Zu MUNCHIES sagte ein Vertreter: „McDonald's hegt tiefsten Respekt für das Erbe und die Kultur der Gemeinschaften, in denen wir arbeiten; wir sind Teil dieser Gemeinschaften."

„Seit McDonald's China die Stätte übernommen hat, haben wir uns der Erhaltung des Erbes angenommen. Seither haben wir mit relevanten Behörden und Architekten zusammengearbeitet, um sicherzugehen, dass die Struktur und der Stil der Villa beibehalten werden. Wir setzen uns weiterhin für den Schutz ein, während wir Touristen einen praktischen Ort bieten, um sich auszuruhen und die Umgebung zu genießen."

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Starbucks stellte sich keinen Fragen der Debatte über die Erhaltung den Schutz des Gebäudes, aber gab gegenüber MUNCHIES folgende Stellungnahme ab: „Im September eröffneten wir unsere Filiale bei der zerbrochenen Brücke, um unsere Kunden, die das malerische Viertel Westsee von Hangzhou besuchen, zu bedienen. Diese Stätte wurde für die kommerzielle Verwendung freigegeben und wir haben die notwendigen Regierungsgenehmigungen und -lizenzen eingeholt, um in den Räumlichkeiten zu arbeiten. Wir sind sehr dankbar und stolz, ein Teil der lokalen Gemeinschaften zu sein, in denen wir arbeiten, und wir haben tiefsten Respekt für das kulturelle und historische Erbe Chinas."

People's Daily, die offizielle Tageszeitung der Kommunistischen Partei, berichtete, dass die Eröffnungen „Bedenken über den Schutz historischer Stätten unter Netzbürgern hervorgerufen" haben.

„Ist es notwendig, Weihrauch zu verbrennen, wenn man sich Chinas Geschichte ansieht?", schrieb ein Kommentator, „Das ist nachhaltige Entwicklung. Ich werde das Restaurant besuchen. Die Lage und die Umgebung sind gut." Ein anderer schrieb: „Es ist in Ordnung, die kulturellen Relikte so zu schützen, während man das Gebäude nutzt. Das ist besser, als wenn das Gebäude von Bauunternehmern abgerissen wird."

Die neue McDonald's-Filiale in Hangzhou ist nicht die einzige, der sich in einer historischen chinesischen Gegend befindet. Im ganzen Land gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele, wie eine Filiale in der Verbotenen Stadt in Peking, eine der wichtigsten Touristenattraktionen in ganz China. Starbucks hingegen schloss seine Filiale in der Verbotenen Stadt 2007 als Reaktion auf eine riesige Online-Kampagne.

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Diese Schließung deutete an, dass zahlreiche Menschen in China nicht dabei zu sehen wollen, wie US-amerikanische Konzerne das Erbe ihres Landes plattwalzen. Insgesamt ist die Stimmung gegenüber Konzernen in China jedoch noch viel positiver als in westlichen Ländern.

Durch die an den Markt angepassten Preise in den chinesischen McDonald's-Filialen sind die Produkte des Unternehmens im Hinblick auf die Kosten mit billigem, lokalem Essen vergleichbar. Die Preise von Starbucks in China sind jedoch den westlichen Preisen sehr ähnlich, was die Getränke zu Premium-Produkten macht, die oft auch als Statussymbol gelten. Es überrascht wohl kaum, dass chinesische Coffee-Shop-Ketten dreist versucht haben, Starbucks' Logo und Brand Identity zu stehlen, was jedoch Klagen zur Folge hatte.

Drüben, bei McDonald's und Starbucks bei der zerbrochenen Brücke, diskutierte man heute nicht über solche Themen. Stattdessen tummelt sich dort einer konstanter Strom von Touristen mit ihren Smartphones vor den Infotafeln, während sie ihren Cappuccino schlürfen. Mal abgesehen von dem riesigen „M"-Logo muss man fairerweise sagen, dass das Gebäude nicht verschandelt wurde. Es wurde geschmackvoll erhalten und es lassen sich schwer Argumente finden, wieso man es lieber ungenützt mit bröckelnder Fassade belassen sollen hätte, da keine Organisation Interesse an der Erhaltung bekundet hatte.

McDonald's und Starbucks: die Retter des chinesischen Kulturerbes? Wahrscheinlich nicht ganz. Aber es ist zumindest nicht so, als würde man Tablette voller leerer McFlurrys um die Nacken der Terracotta-Armee hängen und ihre Gesichter mit Ronald-McDonald-Lippenstift beschmieren, stimmt's?