MUNCHIES in Nordkorea: Pjöngjangs Bier-Bars

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Nordkorea

MUNCHIES in Nordkorea: Pjöngjangs Bier-Bars

Bier-Bars werden in der nordkoreanischen Hauptstadt immer beliebter: Hier entspannt man sich nach Feierabend und verneigt sich immer wieder vor Porträts von Kim Jong-un.

Vor Kurzem war unser China-Korrespondent Jamie Fullerton eine Woche in Pjöngjang, der Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Korea, und konnte so einen seltenen Einblick in die kulinarische Kultur des Einsiedlerkönigreichs erhaschen. Das hier ist der letzte Teil der dreiteiligen Serie.

Pjöngjang, die Hauptstadt des hyper-isolierten und totalitären Nordkoreas, ist vielleicht nicht der erste Ort, der einem in den Sinn kommt, wenn man eine feuchtfröhliche Kneipentour plant. Auch wenn es noch nicht so weit ist, dass die Bewohner Pjöngjangs sich regelmäßig die Kante geben und sich auf ihre Mao-Anzüge übergeben, so ist die Beliebtheit von Bier-Bars in den letzten Jahren doch stetig gestiegen. Sie haben sich als Treffpunkt etabliert, an dem die Bewohner Pjöngjangs sich nach einem langen Arbeitstag entspannen und sich ununterbrochen vor den Portraitbildern der Führer der Kim-Dynastie verbeugen können.

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In diesen Bier-Bars werden die sieben Biervariationen der Taedonggang Brauerei angeboten. Der wachsenden Popularität dieses Gebräus ist es auch zu verdanken, dass im August das erste Bier-Festival der Stadt stattfand. Die in Pjöngjang ansässige Brauerei nahm den Betrieb auf, nachdem die nordkoreanische Regierung im Jahr 2000 eine gesamte Brauerei, die Ushers of Trowbridge, gekauft und importiert hatte. Inzwischen gibt es fünf große Bierhallen in Pjöngjang, in denen das Bier ausgeschenkt wird.

Vergangenen Monat stattete ich einer davon, der Mansugyo Beer Bar, einen Besuch ab in der leisen Hoffnung, Zeuge eines ausgelassenen nordkoreanischen Junggesellenabschieds zu werden. Ich musste jedoch schnell feststellen, dass die Bar einfach nicht diese Art von Laden war. Mit sparsamer Deko, blitzblankem Boden und ganz ohne Musik ist diese Location dann doch ein Tick minimalistischer als die durchschnittliche Eckkneipe.

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Ein paar Propaganda-Poster auf der Terrasse sorgten jedoch für eine angenehme Atmosphäre.

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Wie in den meisten Bier-Bars der Stadt stehen die Kunden auch hier an Stehtischen und trinken ihr Bier, das hier umgerechnet 45 Cent pro halben Liter kostet. Die Biere sind von eins bis sieben durchnummeriert und praktischerweise auch gleich nach diesen Nummern benannt. Die konventionellsten, Pils-artigen Biere sind am unteren Ende der Skala angesiedelt, während den ausgefalleneren Kreationen, wie beispielsweise Bier mit Schokoladen- oder Kaffeegeschmack, die höchsten Zahlen zugeteilt wurden.

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Die meisten Besucher der Bar entschieden sich für die traditionellen Varianten. Eins (also das Bier namens Eins) war ein angenehmes frisches, goldenes, mittelstarkes pils-iges Bier, während es sich bei Zwei um eine etwas leichtere Version handelte, die in Flaschen abgefüllt auch an vielen anderen Orten der Stadt verkauft wird. Beide schmeckten mir ziemlich gut.

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Ich probierte auch die Schokoladen- und Kaffeebiere, aber durch ihre unangenehm bittere Note wurde mir schnell klar, warum ich der einzige in der Bar war, der sie bestellt hatte. Auch wenn sie nicht absolut ungenießbar sind, existieren Bier Sechs und Sieben meiner Meinung nach nur, um die Zahlen aufzustocken.

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Mein Barbesuch fand um 17:30 Uhr an einem Mittwochnachmittag statt. Die Atmosphäre war angenehm und wurde von leisem Gläserklirren und den höflichen Unterhaltungen der ersten, vorwiegend männlichen, Feierabend-Trinker untermalt. In Pjöngjang wohnen die priviligiertesten Bürger Nordkoreas, doch obwohl die Entstehung der Bier-Bars auf den Aufstieg einer wohlhabenden Mittelschicht zurückzuführen ist, sind sie dank der relativ günstigen Bierpreise nicht ausschließlich der Elite vorbehalten. Der Reisschnaps Soju ist nach wie vor das beliebteste alkoholische Getränk im Land, aber Fassbier wird immer üblicher und erschwinglicher.

„Bier ist schon eine Art Mittelschicht-Getränk in Nordkorea, aber man weiß nie, wer in diesen Bars noch so zu Gast sein wird", erzählte mir Simon Cockerell, Geschäftsführer des britischen Reiseunternehmens Koryo Tours, mit dem ich nach Pjöngjang reiste. „Ich war in der Stadt mal in einer ähnlichen Bier-Bar und fand mich letztendlich im Gespräch mit einer sehr lauten Runde weiblicher Gynäkologen wieder."

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Ich hatte gehört, dass das gutmütige Erheben der Stimme eines der einzigen Anzeichen von Trunkenheit sein würde, das ich in einer Bier-Bar in Pjöngjang erleben würde. Die Barbesucher, denen ich begegnete, taten noch nicht mal das. Offensichtlich wollten sie einfach ganz gesittet ein paar Bierchen nach der Arbeit genießen.

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„Es ist eine sehr konservative Gesellschaft", sagte Cockerell. „Diese Bars haben nicht bis spät in die Nacht geöffnet. Man sieht hier eher Leute die vom Bier schläfrig werden, als besinnungslos betrunken. Das beobachtet man eher in Parks, wenn Leute beim Picknicken zu viel Soju getrunken haben."

„In den Bier-Bars werden die Leute nur selten etwas rüpelhafter; es muss nie jemand aus der Bar getragen werden und ich habe es noch nie erlebt, dass wegen eines verschütteten Biers eine Schlägerei ausbricht. Die Bars haben nicht den ganzen Tag lang geöffnet und somit gibt es auch keinen alten Typen am Ende der Bar, der schon seit 40 Jahren jeden Tag dort hockt."

Da der Großteil der jungen Männer in Nordkorea Militärdienst leisten müssen, ist das Klientel in den Bier-Bars nicht unbedingt jung. „Vereinzelt sieht man auch ein junges Paar, das hier ein Date hat", erzählte Cockerell. „Diese Dates werden ,donju-Dates' genannt—donju steht für Neureiche, die ,Gebieter des Geldes'. Das ist ein nordkoreanischer Ausdruck, der inzwischen sogar in Südkorea gebraucht wird."

Leider fanden während meines kurzen Besuch in der Mansugyo Beer Bar gerade keine donju-Dates statt. Nichtsdestotrotz würde ich mit Freude eine Dame auf ein Glas Nummer Zwei in die Bar ausführen, falls die Einschränkungen für ausländische Touristen in Nordkorea jemals aufgehoben werden sollten. Mir hat die Bar gut gefallen; sie bot mir während der streng organisierten Tour für ausländische Besucher eine der wenigen Gelegenheiten, den Bewohnern der Stadt beim Entspannen zuzusehen—oder zumindest bei etwas, das Entspannung recht nahe kam. Jetzt fehlen nur noch die Leinwände für die Fußballübertragung, dann klappt es sicher auch mit der ausgelassenen Stimmung.

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