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Bier

Der Mann, der uralte Biere wieder zum Leben erweckt

Dr. Patrick McGovern weiß alles über die Geschichte des Biertrinkens. Sein Fachwissen war Wegbereiter für eine Reihe an Bieren, inspiriert von unseren Vorfahren. Dazu gehören König Midas und jungsteinzeitliche Chinesen.
Foto: Quinn Dombrowski via Flickr

Patrick McGovern, Molekulararchäologe der University of Pennsylvania, hat einen Großteil seiner akademischen Karriere der Untersuchung von prähistorischen alkoholischen Getränken gewidmet. Indem er technische Zauberei verwendet, die etwas namens „Fourier transform infrared spectrometry" beinhaltet, analysiert Dr. Pat (sein bevorzugter Spitzname) auf chemischem Weg Rückstände, die in alter Keramik von archäologischen Ausgrabungsstätten der ganzen Welt gefunden wurden. So entdeckt er Spuren von Zutaten.

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In der weltweit wohl ersten kommerziellen Anwendung eines Doktorgrades in Archäologie gibt der Professor dann seine altertümlichen Rezepte an die Dogfish Head Brewery aus Delaware weiter, wo die Getränke gebraut und abgefüllt werden.

König Midas war die Muse für Dr. Pats erste Bier-Rekreation. Auch wenn er besser bekannt ist als derjenige, der alles zu Gold verwandelt, was er berührt, war Midas ein wirklicher Monarch, der über Phrygien in der heutigen Türkei im achten Jahrhundert vor Christus herrschte. Im Jahr 1957 haben Forschers des Museums der Universität seine Grabstätte freigelegt und fanden dort die Leiche eines alten Mannes, einen Haufen schicker Kleidung und eine Ansammlung an bronzenen Trinkgefäßen der Begräbnisfeierlichkeiten. Dreißig Jahre später untersuchte Dr. Pat die Gefäße und fand heraus, dass sie ein Getränk enthielten, eine Mischung aus fermentierter Gerste, Trauben, Honig und einem Bitterstoff (eher Safran als Hopfen).

Dr. Pat wollte Midas' Begräbnisfest bei einem Spendenaktionsdinner für das Molekulararchäologie-programm der Universität nachstellen, und zwar komplett mit dem würzig gegrillten Lamm und der Linsenvorspeise, die in verschiedenen Behältnissen gesammelt wurden. Aber zuerst war eine Brauerei zu Bierherstellung nötig.

Im Jahr 2000 äußerte er zum ersten Mal seine Idee bei einer Bierprobe, die zufälligerweise auch im Museum der Penn University stattfand. „Ich sagte, wenn sich jemand von den kleinen Brauereien an der Neuschöpfung versuchen wolle, könne derjenige am nächsten Morgen um neun in mein Labor kommen", sagte Dr. Pat. „Und so sind schließlich ungefähr 20 oder 25 Bierbrauer aufgetaucht. Ich konnte es kaum glauben."

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Bald erreichten die Proben Dr. Pats Briefkasten. „Meine Aufgabe war es, sie zu probieren und über die Parameter der möglichen Herstellung dieses uralten Getränks nachzudenken", sagte er. „Es war ein ziemlich harter Job, aber irgend jemand musste ihn machen." Letztendlich lieferte Sam Calagione von Dogfish Head das beste Produkt. Es kam tatsächlich so gut an, dass Calagione sich dazu entschloss, das Bier auf den Markt zu bringen. Midas Touch ist bis heute das preisgekrönteste Bier von Dogfish Head.

Als Dr. Pat 9000 Jahre alte Keramik mit Bierresten in einem Dorf der Jungsteinzeit in Zentralchina entdeckte, entschloss er sich dazu, die Zusammenarbeit mit Dogfish Head weiterzuführen. „Mit Sam zu arbeiten fühlte sich sehr gut an", sagte er, „und er wollte das Produkt so authentisch wie möglich machen." Das Resultat, Chateau Jiahu, enthält Muskattrauben, Reis, Orangenblütenhonig und wilde Weißdornfrucht. Das älteste alkoholische Getränk der Welt enthält auch 10% Alkohol, was glauben lässt, dass die alten chinesischen Dorfbewohner einiges vertragen haben.

Die Zusammenarbeit zwischen Dr. Pat und Dogfish Heads hat seitdem eine ganze Reihe an altertümlichen Bieren hervorgebracht. Es gibt das ägyptische Ta Henket, das mit Weizen, auf einer Feuerstelle gebackenem Brot, Kamille, Doumpalmenfrucht und Za'atar-Gewürzen gebraut wird. Theobroma—basierend auf einem Getränk der mittelamerikanischen Oberschicht um 1200 vor Christus—wird aus aztekischem Kakao, Honig, Chilischoten und Annattosamen hergestellt. Die archäologischen Überbleibsel, die dieses Rezept inspirierten, sind die Beweise des frühesten Kakaokonsums der Welt. Sie haben auch ein etruskisches Bier mit Haselnussblüte und Granatapfel hergestellt, sowie einen „Nordic Grog" mit Birkensirup und Gagelstrauch.

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Das womöglich ungewöhnlichste Getränk, das aus der Kollaboration hervorging, war das limitierte Chicha, basierend auf einem traditionellen peruanischen Rezept und Herstellungsverfahren. Dr. Pat, Clark Erickson, ein befreundeter Archäologieprofessor der Universität, und einige Angestellte von Dogfish Head fanden sich in der Brauerei zusammen und verbrachten Stunden damit, eine Menge blauen Mais zu kauen und auszuspucken um den Gärprozess für dieses Bier anzuregen. „In unserem Speichel befinden sich diese Enzyme, die Stärke in Zucker verwandeln", sagte Dr. Pat. Vorkauen ist in Südamerika immer noch üblich, aber „sie spielen es aus hygienischen Gründen jetzt irgendwie runter." Ein bisschen Spucke schreckte keinen der Bierenthusiasten beim Great American Beer Festival im Jahr 2009 ab, wo sich andere Brauereien darüber beschwerten, dass ihre Zugänge durch die Schlangen am Dogfish Head Stand mit seinem Chicha-Bier blockiert wurden.

Neben dem Kauen versuchen Dr. Pat und Dogfish Head die Genauigkeit bei ihren Rekreationen mit fast allen Mitteln beizubehalten. Hefe, ein lebender Organismus, hat sich über die Zeit entwickelt und variiert je nach geographischer Distanz. „Man könnte einfach einen bestimmten Typ Hefe bei einem der großen Unternehmen kaufen", sagte Dr. Pat, „oder man kann versuchen, seine eigene Hefe zu entwickeln, von der man denkt, sie sei vielleicht eine altertümliche." Für das italienische Birra Etrusca haben sie zwei Stämme von moderner Hefe gekreuzt, um einem gemeinsamen Vorfahren zu ähneln. Vor der Produktion von Ta Henket ist das Team nach Ägypten gereist und hat Petrischalen außen in einem Dattelpalmenhain stehen lassen, um heimische Hefe zu erhalten.

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In den Rekreationsprojekten sind kommerzielle Bedenken auf der Suche nach historischer Echtheit oft zweitrangig. „Manchmal wird diese geschätzt, manchmal nicht", sagte Dr. Pat. „Das ägyptische Getränk enthält ein Gewürz namens Za'atar, was in arabischen Ländern sehr beliebt ist. Aber es ist nicht jedermanns Geschmack … sie mussten die Produktion deswegen einstellen, weil es sich nicht allzu gut verkauft hat."

Auch wenn sich die Geschichte von Dr. Pats altertümlichen Bieren über tausende Jahre zurück erstreckt, zeigen sie nur einen Bruchteil der menschlichen Liebesbeziehung mit alkoholischen Getränken. Wir sind evolutionsbedingt schon gemacht für eine Neigung zum Alkohol: Zehn Prozent unserer Leberenzyme sind für die Alkoholverarbeitung da und der Konsum aktiviert eine facettenreiche neurologische Reaktion, die suggeriert, dass sich unsere Gehirne genetisch an Alkohol angepasst haben. Die Tiere, die mit uns verwandt sind, besitzen ebenfalls diese Neigung. Sogar der früheste bekannte Primat, das 60 Millionen Jahre alte Malaysische Spitzhörnchen, trinkt reichlich gegärten Palmennektar—„so viel wie neun Gläser Wein pro Nacht", wie Dr. Pat sagt. Fruchtfliegen und Vögel kippen auch gerne mal einen weg. „Von Eulen in Deutschland weiß man, dass sie aus Schnapsflaschen trinken und dann am Straßenrand in einen schon fast katatonischen Zustand verfallen."

Unsere frühesten Vorfahren mussten sich auf natürlich gegärtes Obst verlassen, wenn sie betrunken werden wollten. Aber als frühe Landwirte damit aufhörten, Mammuts mit Speeren zu jagen und sich niederließen, begannen sie damit, Bier in großen Mengen zu brauen. „Wenn man sich das Getreide ansieht, das wir auch heute noch hauptsächlich konsumieren—Reis, Hirse, Sorghum, Weizen, Gerste und Mais", sagte Dr. Pat, „dann glaube ich, dass diese Sorten alle domestiziert wurden, um mehr Getreide für Bier zu produzieren." Landwirtschaft, zusammen mit der damit verbundenen Aneignung eines sesshaften anstelle eines umherziehenden Lebensstils, ist möglicherweise die alleinige wichtigste Innovation in der Geschichte des Menschen. Und wir haben es wegen des Bieres gemacht.

Laut Dr. Pat hat Alkohol in der gesamten Geschichte der Menschheit seinen zentralen Platz in der Gesellschaft behauptet. Er hat eine Schlüsselrolle in der Arbeit, in der Medizin und vor allem in der Religion gespielt. Sogar noch heute beten Anhänger nach einer durchzechten Nacht den Porzellangott an.

Vielleicht werden die Archäologen der Zukunft die Überreste von Brooklyn durchstreifen und alte Pabst Blue Ribbon Dosen finden. Und wenn sie diesen Trank wieder zum Leben erwecken, dann wird Dr. Pat in seinem Grab lächeln.