FYI.

This story is over 5 years old.

Reisen

Wir haben einen Weltreisenden bei seinem ersten Besuch in Österreich getroffen

Antony D'Oliveira reist seit vier Jahren um die Welt. Als er nach Wien kam, hatte er keine Ahnung, was ihn erwartet.
Antony D'Oliveira am Wiener Donaukanal. | Foto: Antony D'Oliveira/Jumps

Seit Oktober 2013 reist Antony D'Oliveira um die Welt und hat bereits mehr als 50 Länder besucht. Zuletzt war er unter anderem in Ägypten, Jordanien, Israel und Palästina unterwegs. Österreich war für ihn bisher noch ein weißer Fleck auf seiner Landkarte.

Das erste Mal traf ich Antony im Juni 2017 in der georgischen Schwarzmeer-Metropole Batumi. Damals erzählte er mir, dass er in Polen, Litauen und anderen Ländern aufgrund seiner Hautfarbe sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatte und immer wieder auch körperlich bedroht wurde.

Anzeige

"In Litauen hat mir ein Mann zu verstehen gegeben, dass er mich am liebsten umbringen würde. Einfach so. Ich hab davor weder mit ihm gesprochen, noch sonst irgendwie mit ihm zu tun gehabt. Ein anderer Mann, ebenfalls in Litauen, hat mich plötzlich und ohne Grund zu schupsen begonnen und gemeint ich soll mit ihm kämpfen", so Antony.

Antony in Georgien. | Foto: Antony D'Oliveira/Jumps

Aber auch in anderem Ländern wie Polen, oder Marokko war Antony bereits rassistischen Attacken ausgesetzt. Das hat ihn geprägt und seine erste Frage zu Österreich war daher: "Glaubst du ich hätte Probleme dort, weil ich schwarz bin?"

Man kommt sich schon ziemlich bescheuert und hinterweltlerisch vor, wenn man einem Menschen, der bereits Länder wie Vanuatu, Tonga, Brunei, die Palästinensischen Autonomiegebiete, Jammu und Kashmir oder den Senegal bereist hat, erklären muss, dass es in Österreich unangenehm für ihn werden könnte.

Trotzdem hat Antony versprochen, irgendwann nach Wien zu kommen. "Ich sag mir immer, dass ich es auch dort zumindest versuchen muss, wo es hart für mich ist. Auch schlechte Erfahrungen sind Erfahrungen. Und wenn ich irgendwo merke, dass es mir gar nicht gefällt, ziehe ich ganz einfach weiter."

Nach Georgien führte Antonys Weg zunächst nach Griechenland, Vorderasien und Nordafrika. Knapp eine Woche vor der österreichischen Nationalratswahl schrieb er mir dann, dass er in ein paar Tagen tatsächlich nach Wien kommen würde.

Pünktlich zum Wahlkampffinale holte ich Antony am Samstagabend von der U-Bahnstation Pilgramgasse ab. Am Heimweg kauften wir ein paar Bier und ich erzählte Antony, dass in Österreich am nächsten Tag ein neues Parlament gewählt werde und ein Sieg der Rechten bevorstünde. Er hatte keine Ahnung.

Anzeige

Antonys Weltreise begann 2013 – mit einem Flug raus aus den Pariser Banlieues und direkt nach Australien. "Ich arbeitete in einem Schuhgeschäft als Verkäufer, arbeitete jeden Tag und hatte eine Wohnung. Ich führte das Leben eines 40-Jährigen, war aber gerade einmal 20", erzählt mir Antony.

Irgendwann kam kam Antony an den Punkt, wo er dieses Leben nicht mehr weiterführen wollte. Dass er auch vier Jahre später noch nicht wieder in sein altes Leben zurückgekehrt sein würde, wusste er damals allerdings noch nicht. Australien sollte eine Auszeit werden und tatsächlich kam Antony 10 Monate später zurück nach Paris.

Nach wenigen Wochen zurück in seiner Heimatstadt ging ihm allerdings ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: "Was ist der Sinn, zu Hause zu bleiben, wenn wir die Welt zu unseren Füßen haben?" Er musste weiterziehen.

Zunächst jobbte er eine Weile in London. Allerdings machte er dort schnell die Erfahrung, dass man sich trotz 12-Stunden-Schichten als Tellerwäscher in der Metropole kein Dach über dem Kopf leisten konnte. Antonys gesamte Ersparnisse waren aufgebraucht. Er hatte zwar auch in Australien immer wieder Nächte im Zelt und auf der Straße verbracht, doch die Obdachlosigkeit in London brachte ihn an seine Grenzen.

Antonys gesamtes Hab und Gut. Hier am Strand von Dubai. Foto:Antony D'Oliveira/Jumps

Eines Abends, als Antonys Situation zu schwierig für ihn wurde, beschloss er seine letzten Habseligkeiten zu verkaufen. "In nur einer Nacht wurde ich mein MacBook und meine Kamera los. Jetzt hatte ich nur mehr mein Smartphone, meine Zahnbürste, ein paar Schuhe und ein bisschen Gewand. Für ein paar Tage war alles schwarz in meinem Kopf", erinnert sich Antony.

Anzeige

"Alles war irgendwie verschwommen. Aber es gab eine Sache in meinem Kopf, die ich ganz klar sehen konnte: Obwohl ich gerade die schlimmste Zeit durchmachte, konnte ich ganz klar den Wunsch verspüren, weiterzuziehen. Da war ein Verlangen in mir, dass sich für das Unbekannte entschied und mich nach New York City führte. So startete Jumps."

Jumps, so nennt Antony seine Reise. Sprünge ins Unbekannte. Sprünge, die er über Facebook und Instagram mit möglichst vielen Menschen teilen möchte und die er in Form einer Wanderausstellung auch offline mit den Menschen jenes Teils der Erde teilt, den er gerade besucht. Diese Wanderausstellung ist dabei auch die einzige Einnahmequelle, die der Weltreisende hat. Und es scheint zu funktionieren: "In Singapur habe ich mit meiner Ausstellung an einem einzelnen Tag über 600 Dollar verdient", erzählt Antony. In Wien sollten es in einer Woche knapp 500 Euro werden.

Sprünge hat Antony in den letzten vier Jahren viele gemacht: Frankreich ,Australien, Indonesien, Großbritannien, die USA, Mexiko, Kanada, Neuseeland, die Fiji Inseln, Japan, Süd Korea, Polynesien, Neukaledonien, Vanuatu, das Königreich Tonga, Argentinien, Uruguay, Chile, Brasilien, Schweden, Norwegen, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Deutschland, Dänemark, Belgien, Luxemburg, Spanien, Marokko, Mauretanien, der Senegal, Portugal, Thailand, Singapur, Malaysia, Brunei, Hong Kong, China, Indien, Kashmir, Nepal, die Türkei, Georgien, Griechenland, Ägypten, Israel, Palästina, Jordanien und jetzt Österreich.

Anzeige

Antony erzählt zwar gerne, in wie vielen Ländern er schon war, ihm selbst bedeutet das aber eigentlich nichts: "Die Leute die ich auf der Straße treffe sagen natürlich 'Wow, über 50 Länder!', aber am Ende ist es nur eine Zahl, die nichts bedeutet. Mir geht es um die Erfahrungen die ich mache und die Menschen die ich treffe. Da ist es egal, ob du jetzt 20, 30, 40 oder 50 Länder bereist", so Antony.

Überhaupt hält er von der Einteilung der Welt in einzelne Nationalstaaten wenig. "Dieses ganze 'Das ist mein Land und das ist Dein Land, hier lebe ich und dort drüben lebst Du', dass ist doch Bullshit. Egal ob wir nun schwarz oder weiß sind, wir sind alle Menschen und die Welt ist unser zu Hause. Ich würde mir wünschen, dass wir alle die gesamte Welt als unsere Heimat betrachten, sie als solche behandeln und sie jeder jederzeit bereisen kann."

Dass in Österreich ein solches Denken gerade von weit über der Hälfte der Bevölkerung deutlich abgelehnt wurde und stattdessen eine Politik gewählt wurde, die die nationalstaatlichen Grenzen am liebsten mit Stacheldraht und unüberwindbaren Mauern abriegeln würde, macht Antony wütend. "Ich glaube die Menschen sollten sich anderen Menschen gegenüber öffnen. Je mehr Grenzen wir bauen, desto ängstlicher werden wir. Dieses Stück Land in dem ihr lebt und das ihr als euer Österreich bezeichnet, ist im Grunde nur ein Stück Land dieser Erde, die uns allen gehört. Warum seid ihr so voller Hass? Warum?"

Eine Woche nach der Nationalratswahl verabschiede ich Antony in Wien. Am Tag zuvor habe ich ihm noch einen Flug nach Dubai gebucht. Dort will er mit seiner Ausstellung genug Geld verdienen, um nach dem Jahreswechsel Afrika bereisen zu können und anschließend einen Dokumentarfilm über die Menschen zu produzieren, die er auf seiner Weltreise bisher getroffen hat und die laut Antony egal wo ähnliche Träume, Ängste und Wünsche besitzen.

Paul auf Twitter: @gewitterland

Folge VICE aufFacebookInstagram und Twitter.