Tech

Forscher haben Tausende antike Gräber entdeckt, die wie Galaxien angeordnet sind

"Ich war von vielleicht 1.000 Gräbern ausgegangen, wenn es hochkommt. Am Ende hatten wir 10.000." – Stefano Costanzo, Leiter der Studie.
Eine hügelige Wüstenlandschaft mit Grabhügeln im Sudan, Forscher haben hier 10.000 Gräber entdeckt, die wie Galaxien angeordnet sind
Qubbas beim Dschebel Maman | Foto: Stefano Costanzo

Im Osten des Sudan, an der Grenze zu Eritrea befindet sich die Region Kassala. In dieser hügeligen Wüstenlandschaft leben seit mindestens 2.000 Jahren die halb-nomadischen Bedscha. Spuren von Menschen in der Region lassen sich aber bis zurück zur Steinzeit finden. Inmitten dieser spektakulären Landschaft haben Forschende jetzt Tausende Grabhügel entdeckt, die wie Galaxien angeordnet sind – darunter auch islamische Grabmäler, sogenannte Qubbas.

Anzeige

Sudanesische Archäologinnen und Archäologen arbeiten seit Jahren mit internationalen Kollegen vor Ort. Wegen der abgeschiedenen Lage und der fehlenden Infrastruktur ist die Region bislang allerdings recht unerforscht geblieben.

Jetzt haben Forschende unter der Leitung von Stefano Costanzo, einem Archäologiedoktoranden der Universität Neapel L'Orientale, dort mithilfe von Satellitenbildern über 10.000 Grabhügel identifiziert. Damit zeigten sie, dass "Gelehrte die Zahl der Qubbas in der Region drastisch unterschätzt haben", heißt es in der Arbeit, die am 7. Juli in der Open-Access-Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurde.


Auch von VICE: Ich habe eine Leiche auf Google Maps gefunden


Costanzo und seine Kolleginnen setzten bei ihrer Untersuchung außerdem Werkzeuge aus der Kosmologie ein und entdeckten, dass die Grabstätten in Clustern in der Landschaft verteilt waren, ähnlich wie Galaxien. Die sogenannten Muttergräber fungieren dabei wie "unsichtbare Schwerkraftzentren", um die sich andere Grabstätten häufen, so die Studie.

Zu dem Team gehörte auch Co-Autorin Habab Idriss Ahmed, die für die sudanesische Altertümerverwaltung als Archäologin arbeitet und selbst aus Kassala stammt. "Diese Art von Studie kann für uns Archäologen eine Menge Informationen liefern", sagt Ahmed, die das Team vor Ort in Kassala leitete, in einem gemeinsamen Call mit Costanzo. "Wir lernen dadurch viel über dieses große Gebiet, über das sich die Grabstätten erstrecken."

Anzeige

"Es war eine richtige Entdeckung", ergänzt Costanzo. "Manchmal sagt man, 'Oh, wir haben diese Entdeckung gemacht', aber eigentlich vorher schon erwartet, was man eigentlich entdecken wird. Hier war ich von vielleicht 1.000 Gräbern ausgegangen, wenn es hochkommt. Am Ende hatten wir 10.000." 

Die Ergebnisse der Studie ergaben sich durch den interdisziplinären Ansatz der Forschenden, die von vielen sudanesischen Archäologinnen und Einheimischen unterstützt wurden. 

Costanzo hatte mit Satellitenaufnahmen die Gegend untersucht, eine spärlich besiedelte Region, die vom Ostufer des Flusses Gash zum Fuß des eritreischen Hochlands reicht, und war so auf die vielen Qubbas aufmerksam geworden.

Die Forschenden waren nicht nur über die schiere Menge der Grabstätten in der Gegend erstaunt, sondern auch über ihre interessante Verteilung. Sie entsprach nicht den topologischen Eigenschaften der Region. Filippo Brandolini, ein Marie-Curie-Stipendiat an der Universität von Newcastle und weiterer Co-Autor der Studie, kam auf die Idee, ein Statistik-Werkzeug aus der Kosmologie anzuwenden, den sogenannten Neyman-Scott Cluster Process.

"Wir hatten vermutet, dass es einen Grund für die Verteilung geben muss, den wir nicht sehen können", erklärt Costanzo. "Filippo Brandolini hat sich intensiv damit auseinandergesetzt und den Neyman-Scott Cluster Process entdeckt."

Mit den Standorten der Grabstätten gefüttert, zeigte das Werkzeug eine "Kosmologie der Gräber". Cluster aus jüngeren Gräbern waren um Muttergrabstätten angeordnet, heißt es in der Studie. Diese Muttergrabstätten, die Zentren von Galaxien ähneln, überschneiden sich mit Orten, an denen es günstige Bestattungsbedingungen gab und Baumaterialien verfügbar waren. Das Team vermutet, dass es sich bei den Gräbern im Mittelpunkt um wichtige ältere Grabstätten handelt, von denen die jüngeren Gräber ausstrahlen wie Sterne auf einer galaktischen Scheibe.

Anzeige

Costanzo und Ahmed betonten, wie wichtig die Einheimischen von Kassala waren. Ihre Überlieferungen und ihr kulturelles Gedächtnis hatten großen Einfluss auf das Vorgehen der Forschenden vor Ort. Das Team hofft, dass die Studie die Grabstätten weltweit bekannt macht. Das ist nötig, um sie vor Goldgräbern zu schützen, die es ebenfalls in die Region zieht.

"Archäologie heißt auch, die Gemeinde einzubinden", sagt Ahmed. "Es ist sehr wichtig, die Einheimischen daran teilhaben zu lassen. Es ist Teil ihres Erbes und gleichzeitig ein Weg, um es zu schützen."

"Ich glaube, dass der Ostsudan generell mehr offizielle Anerkennung verdient – nicht nur, was den Schutz dieser historischen Grabstätten vor Gold-Bergbau und Goldsuchern angeht, sondern vielleicht auch als offizielle Einordnung als Weltkulturerbe", sagt Costanzo. "Das wäre ein wirklich tolles Ergebnis für diese Art von Forschung."

Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.