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Tee

Tibetanischer Tee mit Yakbutter schmeckt so ähnlich, wie er sich anhört

Als Profibergsteiger und Fotograf habe ich schon die entferntesten Ecken auf der Welt kennenlernen dürfen. Zusammen mit drei meiner größten Vorbilder durchquerte ich das Changtang-Plateau in Tibet und trank einen ordentlichen Schluck Tee mit Yakbutter...

Ich habe das Glück, als Profibergsteiger und Fotograf zwei Berufe zu vereinen, die mich zu echt entlegenen Plätzen auf der ganzen Welt geführt haben. Ich habe den Mount Everest schon ein paar Mal bezwungen und bin ihn sogar schon mit Skiern runtergefahren. Ganz am Anfang meiner Karriere als Fotograf wurde ich aber gefragt, ob ich bei einer Expedition von National Geographic zusammen mit drei meiner größten Vorbilder teilnehmen wollte. Ziel war es, das extrem entlegene Changtang-Plateau im Nordwesten Tibets zu durchqueren—ein schwindelerregender, ungesicherter Klettersteig, der sich über 640 km auf einem der höchsten Plateaus der Welt erstreckt, und das auf einer durchschnittlichen Höhe von über 5.100 m. Für die ungesicherte Überquerung des Changtang-Plateaus brauchst du denselben eisernen Willen und dieselbe Ausdauer wie bei einer Mission zum Nord- oder Südpol oder bei einer Everest-Besteigung.

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Ich habe also dieser unglaublichen Truppe zugesagt. Die Rede ist von: Rick Ridgeway, der erste Amerikaner, der den K2 ohne Sauerstoff bestiegen hat und der auch einen Haufen Bücher geschrieben hat—ein heroischer Entdecker, zu dem ich immer aufgeschaut habe; Galen Rowell, ein berühmter Fotograf für National Geographic, der schon die ganze Welt gesehen hat; sowie Conrad Anker, einer der größten Bergsteiger unserer Zeit. Sie waren alle deutlich älter als ich, weswegen mich ihre Einladung enorm schmeichelte. Auf unserem Weg zu dem Startpunkt dieser speziellen Expedition mussten wir abseits jeder Straße vier Tage lang in ein extrem entlegenes Gebiet Tibets fahren. Unterwegs trafen wir einige Nomaden, drokpas genannt, die in einem Camp aus Yakfellzelten lebten. Es war fast so, als hätte man jemanden getroffen, der vor 200 Jahren gelebt hat: Sie waren reine Nomaden und lebten genau so, wie ihre Vorfahren vor einigen Jahrhunderten. Mir wurde mitgeteilt, dass diese Leute extrem wenig besitzen. Wenn sie dir also etwas zu essen anbieten oder dich in ihre Zelte führen, ist es üblich und außerdem extrem wichtig, all das wertzuschätzen, was sie dir anbieten. „Das bringt die Erfahrung mit sich, mein Freund."

Als wir vor dem Zelt vorfuhren, trafen wir auf einen Mann und ein paar umherrennende Kids mit Dreadlocks. Alle trugen Jacken aus Yakfell. Sie hatten noch nie zuvor Weiße gesehen und wurden von unserem Anblick total umgehauen. Ich sehe aus wie ein Tibetaner, die Blicke richteten sich deswegen auf Rick, Conrad und Galen. Der drokpa hielt einen Hammer in der Hand, den er prompt fallen ließ. Sein Mund stand so weit offen, als ob er gerade Aliens vor sich zu stehen hätte. Seine Frau eilte zu ihm herüber, schlug ihm auf den Kopf und sagte irgendetwas auf Tibetisch. Er sah verlegen aus, als uns seine Frau dann netterweise in ihr Zelt einlud. Drinnen war es zu meiner Überraschung recht nett eingerichtet mit Buddha-Statuen und einer Miniatur des Potala-Palasts in Lhasa. Meine Nase erschrak ein bisschen vor einem unbekannten Geruch, ein bisschen ranzig und ziemlich intensiv. Rick, Conrad und Galen waren vorher alle schon mal in Tibet gewesen. Galen gehörte sogar zu den ersten Fotografen von National Geographic, die Tibet nach der Öffnung nach Westen in den 80er Jahren fotografisch dokumentierten. Er wusste echt verdammt viel über tibetanische Traditionen. Während unsere freundliche Gastgeberin ranzige Yakbutter in einem Fass zerquetschte, dachte ich mir schon, Oh Mann, ich weiß echt nicht, ob das wirklich was für mich ist…. Die Frau gab die Butter dann in schwarzen Tee und goss kleinere Mengen in drei Shotgläser, die sie uns reichte. Als Zeichen von Respekt überließ ich meinen drei älteren Kollegen nur allzu gerne den Vortritt. Die nahmen daraufhin die drei Gläser. Da es aber keine weiteren Shotgläser gab, sah sich die Frau suchend im Raum um und griff dann nach einem Einweckglas. Und was für einem! Während die drei anderen zögerlich ihre mit Yakbutter gefüllten Shotgläser musterten, füllte unsere zuvorkommende Gastgeberin mein riesiges Glas randvoll. Die drei schauten mich grinsend an, Gute Nacht, mein Freund. Die Jungs schlürften lautstark, während sie die Shots das Kinn herunterlaufen ließen.

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Wie soll man am besten den Geruch beschreiben? Stellt euch einfach vor, ihr wandert in einer Käsehöhle, nur dass der Käse auch noch eine ordentliche Yakfellnote trägt. Irgendwie hat es aber auch was von einem nassen Hund, nur halt ein bisschen erdiger und mit olfaktorischen Scheuneneinflüssen.

Da stand ich nun und hielt das heiße und riesige Einweckglas in der Hand, während mich die drokpa-Familie geduldig ansah und darauf wartete, dass ich das Glas austrinke. Im Glas befand sich schwarzer Tee, in dessen Mitte dieses gelbe, ölige Zeug schwamm. Da es heiß serviert wird, liegt die Hoffnung nahe, dass die Yakbutter in der Flüssigkeit schmelzen würde, aber Pustekuchen: Am Boden setzten sich zahlreiche ölige Stücke ab. Ich schmatzte, bevor ich ansetzte und mir das Gesöff reinkippte. Am ich am Glasboden ankam, würgte ich mir auch noch die letzten schwimmenden Stücke runter. Wie soll man am besten den Geruch beschreiben? Stellt euch einfach vor, ihr wandert in einer Käsehöhle, nur dass der Käse auch noch eine ordentliche Yakfellnote trägt. Ich kann es echt schwer beschreiben, aber irgendwie hat es auch was von einem nassen Hund, nur halt ein bisschen erdiger und mit olfaktorischen Scheuneneinflüssen. Ich würgte mir das ganze Glas also runter. Zu meiner Überraschung blieb alles drinnen, aber am Abend sollte ich doch noch die Quittung erhalten.

Die Einheimischen trinken das Getränk gerne jeden Tag, denn gesalzen gibt es dem Tee eine würzigere Note. Es ist aber nicht so, dass sie das Salz in für uns typischen Dosen in den Tee geben würden. Stattdessen verwenden sie einen riesigen Salzkristall, der aussieht wie ein ganzer Quarz und so groß ist wie irgendetwas zwischen einer Billardkugel und einem Tischtennisball. Für sie muss es wohl so sein, als würde man einen ultragesunden Gemüsesaft trinken. Ich bin mir aber nicht sicher, da ich echt nicht viel Gemüse rausschmecken konnte.

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Die Milch stammt gewöhnlich von ihren Yaks. Sie meinen, dass Tee mit Yakmilch sehr gut für die Gesundheit sei und auch in der Forschung gibt es Hinweise dafür, dass Yakmilch als Superfood taugt. Sie steigert die Libido, hilft beim Einschlafen, gibt dir Kraft und erhöht dein Durchhaltevermögen für einen harten Arbeitstag.

Wir bedankten uns überschwänglich und machten uns schnell auf den Weg, bevor sie uns noch eine Runde anbieten konnten. Wir mussten an dem Nachmittag meinetwegen noch ein paar Notbremsungen machen. Da wir uns aber im Nirgendwo befanden, stellte das kein größeres Problem für mich da. Ich bin dann einfach hinter das Fahrzeug gerannt und habe die Hosen fallen lassen. Mir war das echt egal. Schließlich hatte ich meine Mentoren beeindruckt, als ich den Tee mit der Yakbutter vor ihren Augen weggekippt hatte. Ich glaube, die Jungs waren echt ziemlich baff und ich fühlte mich ab diesem Zeitpunkt als einer von ihnen.

Heutzutage versuche ich, wann immer es geht, allzu abenteuerlichen kulinarischen Erfahrungen aus dem Weg zu gehen, was während meiner Reisen recht häufig nötig wird. Ich war vor Kurzem in Afrika, genauer gesagt im Tschad, wo wir über vier oder fünf Tage eine Wüste durchquerten. Dann trafen wir auf einige Beduinen. Sie sprangen von ihren Kamelen und holten Behälter mit Kamelmilch hervor, um uns zu zeigen, dass sie uns freundlich gesinnt waren. Die Milch kam aus einer Ledertasche, die schon seit viel zu langer Zeit in der Sonne gelegen hat. Die Beduinen entleerten vorsichtig die Tasche und schauten und warteten darauf, dass wir ihre nicht pasteurisierte Milch trinken würden.

Ich finde, ich habe damals in Tibet schon meine Schuldigkeit getan, weswegen ich heutzutage gerne zur Seite trete, um den Jüngeren an meiner Seite den Vortritt beim Erkunden kulinarischer Grenzgänge zu überlassen: „Mein Freund, du musst das wohl trinken…"

Oberstes Foto: _Brian _|_ Flickr | CC BY 2.0_