Das sind die Kreationen von Hongkongs ekelerregendstem Dim-Sum-Restaurant

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Das sind die Kreationen von Hongkongs ekelerregendstem Dim-Sum-Restaurant

Bei Nummer 3 musste ich weinen.

In Hongkong ist yum cha, was auf Kantonesisch so viel bedeutet wie „Dim Sum essen gehen", ein Nationalsport. Jeder kennt die wichtigsten Dim-Sum-Gerichte in- und auswendig. Die vielen kleinen Dim-Sum-Restaurants in der Stadt machen den großen Ketten das Leben schwer, da müssen die Köche kreativ werden, um die Gäste zu beeindrucken und immer eine Nasenlänge voraus sein.

Dabei liegen ausgefallene Kreationen ganz groß im Trend: Gefüllte Hello-Kitty-Klößeoder luxuriöseTeigtaschen mit Brie und Trüffel ziehen die Aufmerksamkeit selbst ernannter Foodies auf sich, um die jetzt auch das Restaurant Dim Sum Icon mit niedlich-ekelerregenden Gerichten buhlt: kotzende und kackende Cartoon-Dim-Sum.

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Ray Kuo, stellvertretender Geschäftsführer, erklärt: „Wir machen keine Dim Sum nach alter, traditioneller chinesischer Art. Wir wollen sie moderner machen."

Dim Sum Icon - Interior

Im Dim Sum Icon. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Dim Sum Icon

Das schrecklich trendige Restaurant hat sich für seine Karte von japanischen Zeichentrickfiguren inspirieren lassen, die in Hongkong allseits beliebt sind: Gudetama von Sanrio (ein faules Ei) und die Kobitos von Illustrator Toshitaka Nabata (Männer in hautengen Kostümen, die an Obst und Gemüse erinnern). Ich habe mein ganzes Leben lang in Hongkong gelebt und kann nicht so recht sagen, warum sie so beliebt sind.

Die farbenfrohen Kreationen von Dim Sum Icon, das sich nicht das erste Mal von Zeichentrickfiguren inspirieren hat lassen, sind ein Geschenk an alle Instagram-Besessenen. Der alte Satz „Mit Essen spielt man nicht!" gilt hier nicht: Die Gäste sollen ihre Dim Sum nach Lust und Laune quetschen undLöcher reinstechen.Ein Teil der Einnahmen des Restaurants geht an die Schöpfer der Zeichentrickfiguren. Alle drei Monate ändert sich das Motto, vorher standen schon andere Sanrio-Charaktere auf der Karte. Teilweise warten Gäste bis zu anderthalb Stunden auf einen Tisch.

Dim Sum Icon - Interior 3

Im ganzen Restaurant finden sich Toshitaka Nabatas angsteinflößende Kobitos in allen möglichen Formen, ob als Statue oder als Wandmalerei

Das bizarre Restaurant versteckt sich im Keller eines Bürogebäudes, die Wände und Decken sind voll mitGudetamas und Kobitos in allen möglichen Formen, die einem dabei zusehen, wie man ihre kleinen Brüder und Schwestern verspeist. Auf einem Fernseher läuft eine Dokumentation darüber, wie man einen Kobito fangen kann. Wie in jedem guten Dim-Sum-Restaurant wird auch hier das Essen in einem rasanten Tempo serviert: Innerhalb von nur zehn Minuten stapeln sich auf meinem Tisch Bambusdämpfer mit knallrosanen,brustförmigen Klößchen und Haferküchlein, die an einen Scheißhaufen erinnern. Von der Wand aus beobachtet mich ein Kobito in seinem hautengen Pfirsichkostüm mit seinen seelenlosen Augen.

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Ich beginne mit einer der berühmtesten Kreationen des Restaurants: demrosa Kobito-Kloß mit Kokosfüllung, einer Variante der traditionellen lai wang bao, die sogar kotzen kann. Ich soll eines der Essstäbchen in den Mund der Teigfigur schieben, der kleine Kloß tut mir richtig leid. Was dann kommt, ist unerwartet: Aus dem „Mund" schießt sofort eine cremige Flüssigkeit heraus, gleichzeitig stellt sich bei mir ein krankes, befriedigendes Gefühl ein. Am Tisch neben mir sitzt eine Frau, die versucht so zu tun, als würde sie diesen perversherrlichen Moment nicht gerade auf Snapchat festhalten. Der erste Bissen überrascht: Die Füllung verteilt sich überall, aber normalerweise ist es bei lai wang bao so, als ob man in dickflüssige Lava beißen würde, die Kokosnussmilch hier überdeckt die extreme Süße und der Kloß ist nicht ganz so wuchtig.

Dim Sum Icon - Oatcake

Haferkuchen in Scheißhaufenform

Gudetama ist mein nächstes Opfer: ein gelber Teigkloß mit Schokofüllung. Ich schiebe ihm sofort eines der Essstäbchen mit Freude in den Arsch und mir bietet sich eine albtraummäßiges Badezimmer-Szenario: Aus der Öffnung fließt dickflüssige Schokolade über ganzen Bambusdämpfer. Den finde ich fast zu widerwärtig: Wie viel Flüssigkeit kann sich in so einem Kloß bloß verstecken? Es hilft nichts, ich muss die Schokolade aus dem Hinterteil des Eis saugen, gebe aber auf halber Strecke auf, es ist einfach zu süß und ich komme auf der ganzen Situation nicht klar.

„Für die haben wir eigentlich ein paar echt gute Bewertungen bekommen", meint Ray Kuo. „Die werden am häufigsten auf Facebook und Instagram gepostet."

Dim-Sum-Icon---Coconut-Milk-Bun

Ein kotzender Kloß mit Kokosmilchfüllung

Es kommen noch weitere Gerichte, aber leider nicht mehr wirklich interaktive. Die Haferküchlein in Scheißhaufenform sind eine verwirrende Kombination aus salzigem Reis-Cracker, gezuckerter Kondensmilch und Haferküchlein, die ich lieber nicht anrühre. Die dekadenten Teigtaschenmit Trüffeln und Pilzen verschlinge ich hingegen sofort. Neben den standardmäßigen Dim-Sum-Gerichten wie Reisrollen oder Garnelen-Teigtaschen gibt es bei Dim Sum Icon auch Bier-Slushies mit Passionsfrucht- oder Kirschblüten-Geschmack (die leider ausverkauft waren) und Reisgerichte mit nicht ganz so grenzwertigerPräsentation.

Nachdem ich die Rechnung zahle und mich rausschleppe, wird mir klar, dass ich mich in ein paar Stunden nicht mehr an den Geschmack des Essens erinnern werde. Nicht dass es schlecht war, nur war es für Dim Sum vergleichsweise teuer und das ausgefallene Konzept überzeugt mich nicht so sehr, dass ich wiederkommen würde. Für Dim Sum Icon und viele andere neue Restaurants sind Posts in sozialen Medien und das Erlebnisgefühl am wichtigsten, das ist nicht unbedingt schlimm. Doch mir wird ewig das verstörende Bild im Kopf bleiben, wie ich mein Essen dazu zwingen musste, zu kotzen.