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Verschüttete Getränke sind das Leid des Securitys

Falls du es dir vorstellen kannst: Ich bin 203 cm groß und wiege 143 kg. In meinem Freundeskreis galt ich immer als der nette Typ und ich habe nichts Bedrohliches oder Einschüchterndes an mir. Trotzdem bin ich seit acht Jahren Türsteher.

Willkommen zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal sprachen wir mit der Person, auf die du in jeder größeren Bar und in jedem größeren Club als erstes triffst, noch bevor du überhaupt zum Barkeeper gelangst: der Türsteher.

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Ich wurde durch Zufall Türsteher.

Als ich 18 war, schmuggelte ich mich mit einem gefälschten Ausweis in eine Bar in Kanada (dort darf man erst mit 19 legal Alkohol trinken). Plötzlich brach eine Schlägerei aus und ich half den Türstehern, sie zu schlichten. Der damalige Chefsecurity kam auf mich zu und bedankte sich bei mir. Dann fragte er mich, ob ich für ihn arbeiten wollte. „Klar", antwortete ich. Daraufhin fragte er mich, wie alt ich wäre und ich sagte: „18." Er sah mich an, lachte und sagte: „Scheiße, jetzt muss ich meinen Türsteher feuern."

Falls du es dir vorstellen kannst: Ich bin 203 cm groß und wiege 143 kg. In meinem Freundeskreis galt ich immer als der nette Typ und ich habe nichts Bedrohliches oder Einschüchterndes an mir. Trotzdem bin ich seit acht Jahren Security.

Die Leute haben mir schon hunderte von Dollar angeboten, um ohne Ausweis in einen Club reinzukommen. Ich habe schon erlebt, dass mir Leute Ausweise mit Fotos gezeigt haben, die ihnen überhaupt nicht ähnlich sahen und zu mir sagten, „Ich habe abgenommen" oder „Meine Haare sind jetzt anders". Ich habe schon erlebt, dass Leute versuchen, an mir vorbeizurennen oder durch die Hintertür reinzuschleichen, über den Zaun zu springen—einfach alles. Ich habe schon erlebt, dass Mädchen oder schwule Typen vor mir blank gezogen haben.

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Ich habe auch schon Angebote für mehr als nur einen kurzen Blick bekommen. Leute haben versucht, mich anzufassen. Ich bin seit zwei Jahren verheiratet und habe zwei Kinder, also lasse ich nichts zu.

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Wenn jemand sehr freundlich ist, ehrlich scheint und einfach sagt, dass er oder sie keinen Ausweis dabei hat, aber alt genug aussieht, dann lasse ich die Person wahrscheinlich trotzdem rein. Manche Türsteher sehen darin jedoch eine weitere Einkommensquelle und führen die Leute zu dem Security, der bei der Hintertür steht—meist einer der unteren Hierarchiebenen. Der kassiert dann 100 Dollar und lässt die Person rein.

In manchen Bars und Clubs gibt es Dresscodes. Dort, wo ich arbeite, aber nicht. Meistens liegt es im Ermessen des Besitzers, zu bestimmen, wer hineingelassen wird und wer nicht. Mir persönlich ist es völlig egal, ob jemand Laufschuhe oder Anzugschuhe trägt. Auch wenn es einen Dresscode gibt, muss man es nicht übertreiben—trag einfach keine Jeans, trag keinen Hut, putz dich ein bisschen raus.

Zu Schlägereien kommt es gar nicht so oft, aber über die Jahre habe ich doch einiges erlebt. Neun von zehn Mal versuche ich, auf die Person einzureden, anstatt handgreiflich zu werden. Das sehen aber nicht alle meine Kollegen so. Als ich einmal einen Mann gebeten habe, die Bar zu verlassen, nachdem kein Alkohol mehr ausgeschenkt wurde, kam einer meiner Kollegen auf ihn zu und nahm ihn in den Schwitzkasten. An diesem Abend habe ich diesem Kollegen eine runtergehauen, weil es einfach unnötig war und das dulde ich nicht.

Manchmal suchen Leute einfach Streit. Als ich noch ganz neu im Geschäft war, geriet der Chefsecurity mit einem Typen in einen Streit und der Typ forderte ihn zu einer Schlägerei heraus. Sie gingen um die Ecke und redeten. Wenn es zur Sache geht, dann ist das ziemlich sicher hinter verschlossenen Türen, wo es die Leute nicht sehen. Ich habe schon beobachtet, wie ein Typ eine Treppe hinuntergeschubst wurde, weil dieser Teil des Clubs nicht von Kameras überwacht war.

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Aus irgendeinem Grund passieren die meisten Streits zwischen Frauen auf der Toilette. Ich hab schon gesehen, wie sich vier Mädchen auf dem Boden der Toilette gewälzt haben—und der war nicht besonders sauber, es war also ziemlich eklig. Eine hatte ich im Schwitzkasten, während eine andere eine weitere an den Haaren zog. Wir zerrten sie auseinander und führten zwei zur Hintertür raus, zwei durch den vorderen Eingang. Sie rannten um das Gebäude herum, um ihren Streit fortzusetzen. Meistens sind die Gründe für Auseinandersetzungen zwischen Frauen Dinge wie „Du hast mich Schlampe genannt" oder „Du hast mein Getränk verschüttet". In 90 Prozent der Fälle liegt das Problem darin, dass eine der anderen das Getränk verschüttet hat.

Deshalb kümmere ich mich lieber um Typen. Deren Probleme lassen sich relativ schnell lösen. Die Frauen—besonders wenn sie getrunken haben—lassen sich keine vernünftigen Ratschläge geben. Die Männer kann man meistens beruhigen.

Weil ich mich ständig mit betrunkenen herumschlagen muss, hat mich das auf gewisse Weise vom Trinken abgebracht. Ich übertreibe es nicht mehr so wie früher, als ich noch jünger war. Manchmal gönne ich mir am Ende des Tages einen Drink, an den meisten Abenden trinke ich aber gar nichts.

Während der Arbeit trinke ich sowieso nie Alkohol und ich kenne auch keinen, der das macht. Nur ein Mal musste ich ein Taxi rufen, als CÎROC zwei neue Geschmacksrichtungen seines Wodkas rausbrachte und wir alle nach der Schicht davon „probierten".

REZEPT: Pandora Royale

Viel lieber ist mir aber eigentlich Scotch. Wenn wir im Sommer draußen Poker spielen, gehört ein Glas Single Malt und eine Zigarre einfach dazu. So ist das bei mir.

Aufgezeichnet von Tove Danovich