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Gentrifizierung

Vandalen prangern Kapitalismus an, wo gar keiner ist

Die Eisdiele Gelateria di Berna in Zürich ärgert Gentrifizierungsgegner sogar im Winter – obwohl sie eigentlich geschlossen hat.
Foto von der Autorin

Dieser Artikel stammt aus unserer Redaktion in Zürich.

Eigentlich tut sich gerade wenig in der Gelateria di Berna am Brupbacherplatz in Zürich. Macht Sinn, es ist schliesslich Winter und dementsprechend viel zu kalt für Eiscreme. Trotzdem scheint die beliebte Gelateria, bei der sich im Sommer schnell mal eine lange Schlange vor der Eingangstür bildet, auch bei Schnee noch für heisse Gemüter zu sorgen. Die Liegenschaft wurde Opfer eines nächtlichen Farbanschlags.

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"Aufwertung einfrieren" und "Klasse gegen Glace" (das Schweizer Wort für Eiscreme) steht nun auf den Fenstern. Wortwitz haben sie, die Vandalen. Erfreut daran hat sich bisher aber niemand, die Gelateria di Berna macht noch bis März Winterpause und der Käsehandlung, die sich derweil als Zwischenmieter einquartiert hat, stinkt die Aktion fast mehr als ein gut gereifter Gorgonzola.

"Es ist lächerlich, sich einen kleinen Laden für so etwas auszusuchen, der nachhaltig hergestellte Produkte verkauft, mit denen die Milchbauern fair entlöhnt werden. Da passt Hammer und Sichel wirklich schlecht auf die Fassade", so Curdin Janett, Geschäftsführer von Fromage Mauerhofer, dessen Pop-up-Location in Zürich an diesem Tag geschlossen bleibt. "Wer so einen Ort versprayt hat meiner Meinung nach die Basics nicht verstanden."

Auch Hansmartin Amrein, Mitbesitzer der Gelateria di Berna, findet kein Verständnis für die Aktion: "Wir sind ratlos, betroffen und auch traurig. Wer uns kennt, würde uns nie als Kapitalisten beschreiben oder mit Gentrifizierung in Verbindung bringen. Wir haben keine Ahnung, warum wir so angegriffen werden." Es sei nicht das Ziel, eine Gentrifizierungswelle auszulösen, so Amrein weiter: "Im Gegenteil, wir wollen lieber einen Treffpunkt auf einer Piazza kreieren, bei der sich die Nachbarschaft kennenlernen und austauschen, über Politik oder die Gesellschaft diskutieren und sich gegenseitig unterstützen kann." Davon abgesehen meint Amrein: "Was hätten wir denn schon von einer Gentrifizierung. Wir müssten plötzlich selber höhere Mieten zahlen. Das kann und wird nie unser Interesse sein."

Die Berner hinter der Gelateria sind nicht gerade glücklich darüber, nun wieder Geld investieren zu müssen, um die Fassade und Fenster reinigen zu lassen. Immerhin wurde die Filiale in Zürich nun schon zum zweiten Mal verschandelt. Kurz nach der Eröffnung vor knapp einem Jahr kam es schon einmal zu nächtlichen Spray-Aktionen am Brupbacherplatz. Trotzdem hegt Amrein keinen Groll: "Es wäre schön, mit den Verantwortlichen hinter dieser Aktion mal ein Bier trinken und darüber reden zu können. Ich finde politisches Engagement in jede Richtung wichtig und ich schätze Leute, die sich für ihre Überzeugung einsetzen." Wenigstens einer behält in der Gentrifizierungsdebatte einen kühlen Kopf.

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