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New Orleans

Meine Bar heißt zwar Christmas Bar, aber wirklich christlich geht's hier nicht zu...

Eine Absturzkneipe zu führen, ist nicht jedermanns Sache. Man braucht schon den richtigen Sinn für Humor, starke Nerven und einen guten Draht zur Müllabfuhr.

Eine Absturzkneipe zu führen, ist nicht jedermanns Sache. Man braucht schon den richtigen Sinn für Humor, um mit dem Kram, der hier passiert, gut umgehen zu können.

Ich liebe meinen Laden, die Snake and Jakes Christmas Club Lounge, und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch deswegen, weil es eine solche Kneipe weit und breit kein zweites Mal gibt. Auch wenn sie bei einigen in der Nachbarschaft alles andere als wohlgelitten ist.

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Am Ende habe ich dann trotzdem noch einen Geschäftspartner gefunden. Und wir hatten eine Sache gemeinsam: keine Ahnung davon, wie man eine Bar führt.

Alles fing übrigens damit an, dass ich mit einem Kumpel um die Häuser zog und nach dem x-ten Bier dann vollmündig verkündete: „Wir beide sollten auch mal eine Kneipe aufmachen." Zugegeben kein besonders einfallsreicher Gedankenblitz für ein betrunkenes Männchen. Jahre später sah ich dann, dass das alte Snake and Jake's zum Verkauf stand. Nach kurzer Überlegung schlug ich eiskalt zu. Mein Kumpel, dem ich damals meine buchstäbliche Schnapsidee steckte, bekam aber kalte Füße, weil er einmal einen Traum hatte, in dem er hochkantig aus selbiger Bar rausgeworfen wurde. Kein gutes Omen, fand er, also lieber beim Bürojob bleiben. Am Ende habe ich dann trotzdem noch einen Geschäftspartner gefunden. Und wir hatten eine Sache gemeinsam: keine Ahnung davon, wie man eine Bar führt. Dennoch haben wir eine Menge Geld in den Laden gesteckt. Und der nahm sehr zu unserer Überraschung langsam aber sicher Fahrt auf. Nach einer Weile habe ich ihm dann seine Anteile abgekauft, sodass ich jetzt der stolze und vor allem alleinige Besitzer bin. Eine kluge Entscheidung, denn mittlerweile hat der Schuppen echt Kultstatus erreicht.

In den Anfangstagen saß ich mit einem meiner ersten Stammgäste am Tresen, als er auf die Straße zeigte und meinte: „Da läuft Sam Christmas!" „Wer?", wollte ich wissen. „Na der Typ, dem der Laden gehörte, als er noch The Christmas Lounge hieß."

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Jetzt wisst ihr auch, wo der Name herkommt. Doch bis auf den hat die Bar mit Weihnachten nicht wirklich viel am Hut. Als wir den Laden kauften, hingen draußen noch das Schild der allerersten Kneipe—The Christmas Lounge—und das seines Nachfolgers, der S&J Lounge. Und weil uns bei der Namenswahl nichts Besseres einfiel, entschieden wir uns hochkreativ für den Namen Snake and Jake's Christmas Club Lounge. Nicht direkt kurz und bündig, aber was soll's. Es lag dann wohl auch am Namen, dass wir die Bar stilecht mit Weihnachtsbeleuchtung und einem Santa Claus aus Plaste ausgeschmückt haben. Ein bisschen Christmas-Bezug kann ja auch nicht schaden. Passenderweise haben wir auch an Weihnachten auf—es sei denn, die Stadt New Orleans funkt noch dazwischen.

Die Leute meinten schon zu uns, wir sollten daraus unbedingt eine Kette machen, Amerika braucht schließlich mehr solcher Kneipen. Die Wahrheit ist aber, dass ich mir einen solchen Laden höchstens noch in Las Vegas (und natürlich in Europa) vorstellen könnte. Was macht ihn so besonders? Wenn ich jetzt sage, dass hier viel gesoffen und geflirtet wird und an meiner Theke so manche Tinder-Affäre ihren Anfang nimmt, dann denkt ihr wahrscheinlich: So what, das gibt's doch in jeder zweiten Bar. Darum zur Veranschaulichung diese kleine Anekdote. Und vergesst dabei nicht, wir reden hier immer noch von einer Bar im puritanischen Amerika:

Mein Kumpel Barbecue Dave hat vor unserem Lokal für lecker Rippchen und Würstchen gesorgt. Sein Kollege, der die ganze Zeit lang mehr meine Vorräte weggesoffen als beim Verkauf geholfen hatte, war dann urplötzlich verschwunden. Weil wir dachten, er hätte sich nach Hause geschleppt, haben wir einfach ordentlich weitergefeiert. Bis dann zu späterer Stunde die Müllabfuhr reinschneite und meinte, wir hätten etwas weggeschmissen, was noch gut war. Dazu zeigten sie uns ein Foto. Da lag doch tatsächlich der verschollene Typ gebettet auf reichlich Mülltüten im Container und war kurz davor, eine unliebsame Bekanntschaft mit dem Müllwagen zu machen.

Mancherorts wäre das wohl als genuines Weihnachtsmärchen durchgegangen. Für unsere Bar war es eher business as usual.

Aufgezeichnet von Sarah Baird

Foto von El Jefe