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Gehirn

Beschissener Wein schmeckt gut, wenn du es nur willst

Solange etwas schön aussieht, lässt sich unser Gehirn eben ziemlich schnell austricksen.
Photo via Flickr user donireewalker

An was denkst du, wenn du dir einen modernen Weinconnaisseur vorstellst? Eine gut angezogene Person, die höflich zu delikaten Canapés die Vorzüge von zitronigem Chablis erörtert? Oder eher eine texanische Studentinnenverbindung, die sich vorsätzlich mit literweise Tetrapaks Tafelwein besäuft?

Eine Studie, die kürzlich im Journal of Marketing Research der American Marketing Association veröffentlicht wurde, hat bewiesen, dass die Art und Weise, wie Wein vermarktet wird, das Gehirn durch einen unglaublich starken Placebo-Effekt verändern kann.

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OK, Studien über Wein und Wahrnehmung sind grundsätzlich ja nichts Neues. Experten sind schon lange der Meinung, dass die Erscheinung das Um und Auf ist. Sogar die Autoren der Studie, Hilke Plassmann und Bernd Weber, geben zu: „Studien haben gezeigt, dass Leuten bei identischen Produkten wie Wein oder Schokolade das scheinbar teurere besser schmeckt."

Die Sache ist aber die: „Bisher hat noch keiner die neuralen und psychologischen Prozesse untersucht, die bei solchen Marketing-Placebo-Effekten vor sich gehen". In anderen Worten, wir wussten bisher nicht, ob die vorgefasste Meinung der Kunden ihr Geschmacksempfinden beeinträchtigt oder ob tatsächlich die Gehirnfunktion verändert wird.

Bis jetzt.

Den Teilnehmern der Studie wurden fünf Weine zum Testen gegeben. Der Preis der Weine, so wurde ihnen gesagt, liege zwischen 5 und 90 Dollar [4,50 und 80 Euro]. Tatsächlich handelte es sich aber nur um drei verschiedene Weine zu zwei verschiedenen Preisen. Davon wussten die Versuchskaninchen natürlich nichts.

Die Teilnehmer bewerteten den Geschmack des scheinbar teureren Weines besser als der der billigeren—keine große Überraschung. Bei einer MRT stellte sich dann heraus, dass nicht nur die Geschmackswahrnehmung sondern auch die Gehirne der Studienteilnehmer in die Irre geführt wurden. Ihre Gehirne reagierten so, als würden sie zwei unterschiedliche Weine trinken, obwohl es eigentlich die gleichen waren.

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Interessant ist auch Folgendes: „Die Autoren konnten weiters feststellen, dass Leute mit einem starken Geltungsdrang oder mit niedrigem körperlichen Selbstbewusstsein anfälliger waren, ihre Erfahrung durch ihre Vorurteile bestimmen zu lassen." Hm, verdammt. Geltungsdrang? Schwaches Selbstbewusstsein? Das trifft doch auf so gut wie alle irdischen Wesen, mal abgesehen vielleicht von Kanye West und ein paar überaus asketischen Baptisten oder so.

Weinproduzenten nutzen schon seit langem diese Manipulierbarkeit der Kunden aus, indem sie den ihnen den Eindruck vermitteln, die Flasche wäre teurer, als sie eigentlich ist. David Schuemann von CF Napa Brand Design—einer Designagentur—schrieb ein Buch mit dem Titel 99 Bottles of Wine, in dem er die Tricks der Branche enthüllt. „Wie lassen einen Wein immer ungefähr 10 Dollar teurer aussehen, als er eigentlich ist. So haben die Kunden das Gefühl, dass es ein noch besseres Produkt ist", sagte Schuemann zu NPR.

Schuemann sagt, Goldfolie und eine Prägung gepaart mit einem minimalistischen, klaren Design lassen sich für Weintrinker als „teuer" übersetzen. Diese Ergebnisse sind jedoch kulturabhängig. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 95 Prozent der chinesischen Weinkonsumenten in Hongkong ein elegantes, zeitgenössisches Etikett mit Rot als dominante Farbe" bevorzugen. Eine weitere Studie aus 2012 der Stanford University zeigte, dass Weintrinker Weine für hochwertiger hielten, wenn sie als „Bio" oder „biodynamisch" gekennzeichnet waren, auch wenn diese Kennzeichnungen unecht waren.

Hilke Plassmann, die leitende Forscherin der Studie, ist Professorin an der INSEAD, einer Wirtschaftshochschule in Frankreich. Und die Franzosen sind ja bekanntlich Experten darin, wie Etikette (oder nicht vorhandene) sich auf den Kunden auswirken können. Bei der berühmten Weinjury von Paris, einer Weinprobe im Jahr 1976, führten französische Juroren Blindverkostungen in zwei Kategorien durch. Sehr zu ihrem Schock und Erstaunen gewannen in beiden Kategorien kalifornische Weine.

Fazit: Wenn man das Etikett runternimmt, bleiben Vorurteile auf der Strecke. Und wenn du Leuten erzählst, dass sie grad verdammt teuren Wein trinken, dann werden sie es auch glauben. Unsere Gehirne lassen sich eben ziemlich einfach täuschen.

Solange du es schaffst, dich selbst zu belügen, kannst du nächstes Mal mit gutem Gewissen die billigste statt die zweibilligsten Falsche auf der Karte bestellen.