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Französische küche

Französisches Essen ist einfach nicht mehr das, was es mal war

Ein erfolgreicher Restaurantbesitzer aus Frankreich hat mit seiner Behauptung, dass bis zu 70 Prozent der französischen Bistros und Brasserien nur aufgewärmtes Essen servieren, für einen Aufschrei in der kulinarischen Welt gesorgt.
Hilary Pollack
Los Angeles, US

Ein vielleicht unbegründetes Klischee über französisches Essen besagt, dass dahinter eine Raffinesse und Köstlichkeit steckt, die in den meisten anderen Küchen so nicht zu finden ist. Einen Teil davon macht auch die französische Attitüde der Ruhe und des feinen Geschmacks aus, dank der man sich auch mal gerne mit Freunden zusammensetzt und Wein sowie ein reichhaltiges (und dennoch unglaublich frisches) Mahl genießt, das von einem Koch zubereitet wurde, der das Wort „gourmet" wirklich verstanden hat.

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Es hat jedoch schon seine Gründe, warum Klischees eben nur Klischees sind—und keine Fakten. Ist dir bewusst, wo deine Moules herkommen, wenn du in irgendein mit Touristen vollgestopftes Bistro in der Nähe des Louvres gehst? Weißt du wirklich, ob dein Pain au Chocolat, das du dir am Morgen in einer Pâtisserie gekauft hast, auch am gleichen Tag gebacken wurde?

Leider muss ich dir jetzt deine kulinarischen Vorstellungen von Frankreich zerstören: Wie sich herausgestellt hat, servieren dir zwischen 31 und 70 Prozent (das kommt ganz darauf an, wen du fragst) der französischen Bistros und Brasserien bereits vorgefertigtes Essen, das einfach nur noch mal warmgemacht wurde.

Xavier Denamur ist ein erfolgreicher Restaurantbesitzer aus Paris und betreibt fünf verschiedene Brasserien in der Stadt—darunter auch das Les Philosophes und das L'Etoile Manquante. Er hat jetzt für einen kulturellen Aufruhr gesorgt, als er behauptete, dass mehr als zwei Drittel der französischen Restaurants in der Mikrowelle aufgewärmtes Essen servieren würden, das aus Katalogen bestellt oder beim Großhändler eingekauft wurde.

Laut einem Artikel der Times hat Denamur mit seinem neuen Buch Et Si on se Mettait Enfin a Table? „das kulinarische Establishment Frankreichs schwer verärgert, indem er Branchengeheimnisse über Praktiken verraten hat, die er selbst als Betrug bezeichnet." Zwar hat eine Umfrage der Catering-Gewerkschaft Synhorcat ergeben, dass nur ungefähr 31 Prozent der Vollservice-Restaurants eigentlich insgeheim bereits vorgefertigtes Essen servieren, aber Denamur spricht trotzdem von einem doppelt so hohen Prozentsatz—und lässt damit die Alarmglocken der immer mehr werdenden Angestellten der französischen Lebensmittelindustrie klingeln, die sich wegen der abnehmenden Qualität der lokalen Küche Sorgen machen.

Nur fünf französische Restaurants haben es in die letztjährigen prestigeträchtigen World's 50 Best Restaurant Awards geschafft—eine überraschend niedrige Zahl für ein Land, in dem das System der Michelin-Sterne erfunden wurde. Und laut dem Telegraph will der französische Außenminister Laurent Fabius zu einer „Gastro-Diplomatie-Kampagne" anregen, mit der die kulinarischen Standards, für die Frankreich einst bekannt war, wieder gefestigt werden sollen—dazu gehört auch, dass Restaurants, die das Essen fait maison (also von Grund auf selbst und nur mit frischen Zutaten) zubereiten, eine Extra-Kennzeichnung erhalten.

Aber warum ist es überhaupt soweit gekommen? Andere angesehene Köche wie Alain Ducasse oder Michel Roux Sr. meinen, dass steigende Arbeits- und Anstellungskosten schlecht für die Restaurantmanagements und die Essensqualität sind. „Frankreich läuft Gefahr, seine stolze Esskultur und seine Traditionen zu verlieren. Von der gastronomischen Überlegenheit muss ich hier jetzt gar nicht erst anfangen", sagte Roux.

Die schlechte Nachricht zuerst: Französisches Essen ist einfach nicht mehr das, was es mal war. Nun aber die gute Nachricht: Inzwischen kannst du deine Pommes auch einfach nur in der Mikrowelle zubereiten und dann trotzdem behaupten, dass sie authentisch françaises sind.