Eine dänische Stadt ist von riesigen Austern befallen

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Austern

Eine dänische Stadt ist von riesigen Austern befallen

Ribe, eine kleine dänische Stadt auf Jütland, hat eine ganze Menge seltsamer Eigenheiten. Nicht zuletzt die immer größer werdende Plage der Riesenaustern, die größer als eine menschliche Hand sind und einige Kilometer von der Küste entfernt leben.

Ribe, eine kleine dänische Stadt auf Jütland ist die perfekte Mischung zwischen den idyllischsten Dörfern Belgiens, Frankreichs und Südenglands. Trotz der schönen gepflasterten Straßen und der süßen Cottages, hat Ribe aber auch seine Eigenheiten.

Erst einmal gibt es ein Hundezuchtprogramm, das als Ziel hat, einen Köter zu züchten—den ‚Dogma' oder ‚Ribehund'—dessen Stammbaum aus Rassen besteht, die vom Dansk Kennel Club (der dänische Hundezuchtverein) nicht anerkannt werden. Idealerweise sollte ein Dogma so gebaut sein, dass er gut in einen Fahrradkorb oder einen Rucksack passt. Jeden Sommer findet dann auf dem Schlossberg Riberhus eine ‚Modenschau' statt, wo die jüngsten Würfe dieser tragbaren, rauhaarigen Hunde gezeigt werden.

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ribetown

Ribe. Alle Fotos vom Autor.

Dann gibt es noch das Phänomen Sort Sol (schwarze Sonne), was wie eine der zehn biblischen Plagen in Ägypten klingt und sich auch ein bisschen so anfühlt, wenn Millionen von Staren zur Dämmerung den Himmel füllen. Ribe liegt auf dem Weg der Zugvögel von Skandinavien nach Südeuropa und Vögelschwärme sind dort gewaltig—mann muss nur einen Falken fragen, der dumm genug war, sich auf einen Schwarm zu stürzen. Die unzähligen Stare umzingeln den Angreifer und kacken und kotzen auf ihn, bis seine Federn so dicht mit ihren Fäkalien bedeckt sind, dass der Falke sich nicht mehr in der Luft halten kann und auf den Boden kracht. Die Verteidigungstechniken der Stare spiegeln die ungreifbare Stimmung auf dem Boden wider.

Ribe wurde im achten Jahrhundert gegründet und hat immer noch weniger als 1000 Einwohner. Von Anfang an wurde Jütland attackiert; von slawischen Stämmen, den Obodriten, im achten Jahrhundert bis zu der Invasion der Deutschen im ersten und zweiten Weltkrieg. Kein Wunder, dass sich die Stadt so isolationistisch anfühlt. Der jüngste Angriff auf Ribe war jedoch kein menschlicher. Oh nein. In den 60er Jahren kamen Pazifische Felsenaustern erstmals ins Wattenmeer, um den heimischen Bestand zu verstärken. Das Wattenmeer, das mittlerweile auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes steht, beheimatete ursprünglich Muschelbänke und heimische Austern—Essen, von dem sich die 12 Millionen Vögel auf ihrem Boxenstopp in den Süden ernährten.

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Einige aufeinanderfolgende warme Sommer sorgten aber dafür, dass der Bestand der Pazifischen Felsenaustern explodierte. Und plötzlich waren sie unaufhaltbar. Ab dem 21. Jahrhundert waren die Muschelbänke dicht mit Austern bedeckt: bis zu 300 der Fieslinge pro Quadratmeter. Es wird geschätzt, dass derzeit ungefähr 500 Tonnen Pazifische Felsenaustern in der Gegend brüten, die alle ungefähr so groß wie die durchschnittliche Hand eines Menschen sind. Fette Beute, denkst du dir vielleicht, für Menschen wie für Vögel. Leider nicht. Pazifische Felsenaustern haben so eine dicke Schale, dass Vögel sie nicht aufbrechen können. Menschen sind also die einzigen Austernjäger und es liegt jetzt an den Besuchern dieser Gegend, ihre Stiefel bis zum Rand mit diesen Dingern zu füllen und zu versuchen, den Bestand unter Kontrolle zu halten. Es war ein kristallklarer Herbst, als ich mir ein paar Wathosen vom Wattenmeerzentrum auslieh, um ein paar der pazifischen Monster einzusammeln.

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Wathosen: das modischste Accessoire des Sommers.

Große Dämme schützten das flache Agrarland vor der heftigen Flut und die Weiten des Wattenmeers lagen vor uns wie ein Gemälde. „Folgt mir. Ich weiß nämlich, wo wir nicht steckenbleiben", sagte der Leiter und wir schlängelten uns durch den nassen Schlamm. Es fühlte sich so an, als hätten meine Füße fast keine Bodenhaftung. Und schon steckte ich fest. Auf Höhe meiner Achseln presste das Wasser die vielen Lagen Kleidung unter den Wathosen dicht an meinen Körper und die Kälte des Nordseewassers durchdrang die dicksten Pullover, die ich besaß.

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Ich hielt durch bis wir ungefähr drei Kilometer von der Küste entfernt waren und plötzlich ragten die Muschelbänke aus dem Meer und die gigantischen Austern lagen da wie Schutt und sonnten sich. Es waren mehrere Schichten und jede einzelne Auster hatte die Größe eines menschlichen Körperteils. Das Bild, das in diesem Moment vor uns lag, sah aus, als wäre es von einem rasenden Roboterreporter vom Mars geschickt worden.

giantoysters

Am enthülsen.

In diesem abgeschiedenen Garten Eden griffen wir alle nach unseren Rücksäcken für den bevorstehenden Weichtierschmaus. Champagner wurde geöffnet und Zitronen aufgeschnitten während ein anderer einen kleinen Herd anheizte und anfing, Parmesan in einen Topf mit Sahne zu hobeln. Wir hatten nur ein Austernmesser dabei, aber das war genug. Als wir sie aufbrachen, kam diese funkelnde Masse Fleisch zum Vorschein, die fast die Größe eines Spiegeleis hatte. Ein Austernphobiker wäre bestimmt ohnmächtig geworden.

Jeder Weichtierfanatiker wird dir mit schaumendem Mund bestätigen, dass sie nie besser schmecken, als wenn du sie direkt aus ihrem natürlichen, salzigen Lebensraum rausholst. Vollgestopft mit wunderbarem, frischem Austernfleisch füllten wir unsere Taschen mit so vielen der Godzilla-artigen Kreaturen wie wir nur konnten. Zurück an Land wurden wir Hänsel & Gretel vorgestellt, der Auster, die den Guinness Rekord für die größte der Welt hält und in einem Tank im Wattenmeerzentrum lebt. Sie heißt so, weil Austern Zwitter sind und sie ihr Geschlecht je nach Wassertemperatur verändern können.

Hansel and Gretel

Siehe da, Hänsel & Gretel.

Hänsel & Gretel ist so groß wie der Fuß eines ausgewachsenen Mannes—35,5 cm lang und über 10 cm breit. Er/sie wiegt über 1,5 kg. Wir sprachen darüber, ihn/sie zu essen, aber das riesige Ding hätte uns wahrscheinlich die Speiseröhre verstopft und wäre sogar für den erfahrensten Austernschlemmer zu viel des Guten gewesen.