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Dürfen wir vorstellen: Massimo Cellino, der „Trainer-Fresser"

Massimo Cellino ist nicht nur krankhaft abergläubisch und sitzt mit einem Bein im Knast. Der Manager hat bisher mehr Trainer verschlissen als der HSV. Leeds United hat ihm die Zügel in die Hand gegeben—und Cellino weiß, was zu tun ist.
Photo via Flickr user Calcio Mercato

„Es ist ein Krieg der Titanen", sagte ein zersauster, dennoch ausgesprochen eleganter Massimo Cellino zu einer Gruppe von Journalisten, die sich am Eingang zu Cagliari Calcios Trainingsgelände im März 2012 versammelt hatten. Die Saison 2011/2012 stand kurz vor ihrem Abschluss, aber Cellino war wie immer höchst temperamentvoll. „Ich könnte nie mit einem Kind Armdrücken", sagte er. „Es wäre einfach nicht fair."

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Der „Krieg", den Cagliaris Präsident hier herbei beschwor, könnte man auch als Disput stehen lassen, und das angesprochene „Kind" war in diesem Fall Massimo Zedda, seines Zeichens Bürgermeister der sardinischen Hauptstadt. In dem Streit der beiden ging es um Cagliari Calcios Stadion Stadio Sant'Elia, das quasi am verfallen war. Die Stände bröckelten, Toiletten gab es nicht und der Boden wimmelte nur so von Nagetieren.

Cellino meinte, die Stadt solle für die Wartung zahlen. Die Stadt sagte, Cellino solle dafür zahlen. Als auch noch ein Mitarbeiter des Stadions von einem Stromschlag fast getötet wurde, war das Maß voll. Cellino entwurzelte den Verein und zog mit ihm einfach mitten in der Saison nach Triest—800 Kilometer entfernt an die slowenische Grenze und damit buchstäblich an den entferntesten Ort von Cagliari, der noch in Italien lag. Der Verein absolvierte die restlichen Partien der Saison in Triest. Plötzlich spielten die Spieler nicht mehr vor ihren aufgeheizten Rossoblu-Fans sondern vor leeren Tribünen.

Sicherlich nicht vor leeren Tribünen kickt der vor Kurzem in die Serie A aufgestiegene „Assi"-Klub Frosinone Calcio. Hier geht's zum Artikel.

Dieser Aktion sorgte überall im europäischen Fußball für heftige Diskussionen, sodass sich sogar das europäische Parlament damit beschäftigte. Triest war allerdings nur eine temporäre Lösung. Die Spieler drohten zu streiken, wenn sie die Saison 2012/2013 wieder an der Adria spielen würden. In einem verzweifelten Versuch, das Team wieder nach Sardinien zu bringen, finanzierte Cellino den Bau eines provisorischen Stadions.

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Amateurteams hatten das Feld zwar genutzt, allerdings hatte die Umgebung keine Infrastruktur. Provisorische Stehplätze und Umkleideräume wurden innerhalb weniger Wochen gebaut. Die Sitze wurden aus Stahl konstruiert. Das schlampig hingerotzte Stadion warf viele Fragen auf. Sicherheitsgenehmigungen wurden immer nur Spiel für Spiel erteilt, eine Partie gegen den A.S. Rom musste deshalb abgesagt werden.

Alles änderte sich, als Cellino und ein paar lokale Politiker, die am Bau des Stadions beteiligt waren, verhaftet wurden. Sie wurden wegen Unterschlagung und betrügerischer Falschdarstellung angeklagt. Cellino saß im Buoncammino-Gefängnis für zwei Wochen in Haft, bevor der Fall sich in der undurchsichtigen italienischen Justiz selbst erledigte. Eine Gruppe von Cagliari-Fans stand vor dem Gefängnis und skandierte den Namen ihres geliebten Präsidenten.

Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, saß er seinen Hausarrest auf dem Trainingsgelände von Cagliari ab. In seinem ersten öffentlichen Auftritt sagte er gegenüber den Journalisten: „Es ist gar nicht so schlimm im Gefängnis, früher oder später werdet ihr auch darin enden."

Willkommen in der Welt von Massimo Cellino, dem exzentrischsten Präsidenten im Fußball. Der abergläubische Kettenraucher, Teilzeit-Rockstar und Vollzeit-Unternehmer war für zwei Jahrzente eine unerbittliche Figur was sowohl den Spaß und die Kriminalität im europäischen Fußball angeht.

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Cellino ist ein 59-jähriger Sardinier, der mit Anfang Zwanzig den äußerst erfolgreichen landwirtschaftlichen Betrieb SEM Molini Sardiin seines Vaters erbte. Er leitete die Firma bis zum Jahr 2000. Wenig ist von seiner Zeit als Geschäftsmann bekannt, lediglich, dass er 1978 nach Australien floh um das Unternehmen zu leiten, weil es anonyme Drohungen gegen seine Familie gab.

Cellino kaufte Cagliari Calcio den Orru-Brüdern im Jahr 1992 für 16 Milliarden Lira ab. Später behauptete er, dass Franco Ambrosio, ein Lebensmittel-Tycoon ihn dazu gedrängt hätte, den Verein zu kaufen, obwohl er kaum Interesse an Fußball hatte. Trotz seiner frühen Skepsis dem Sport gegenüber, lernte Cellino bald, den Sport zu lieben und investierte viel Geld um Cagliari wettbewerbsfähig zu machen. 1994 erreichte das Team sogar das Halbfinale des Uefa-Cups. Eine beachtliche Leistung für einen Verein dieser Größe.

Es war die fehlende Geduld mit seinen Trainern, die beträchtlich für seinen Untergang sorgten. Cellino entließ insgesamt 36 Trainer in seiner 22-jährigen Amtszeit als Präsident und bekam von den italienischen Medien den Spitznamen mangiallenatori (Trainer-Fresser) verpasst.

Cagliari schaffte es nie über das Serie A-Mittelmaß hinaus. Cellino entzweite sich vom italienischen Fußball wegen der Stadion-Tortur. Er versuchte für den Club ein Vereinsheim zu bauen wurde aber von der italienischen Bürokratie an dem Plan gehindert. Im Jahr 2011 legte er Pläne vor, ein neues Stadion zu bauen, die sogenannte Karalis Arena. Die Regierung hätte den Plan unterstützt, wenn Italien sich die EM 2016 gesichert hätte. Allerdings ging das ganze Projekt den Bach runter, als Frankreich den Zuschlag für das Turnier bekam. Die Behörden schmetterten den Vorschlag endgültig ab, weil das Stadion zu nah an dem Flughafen Elmas gelegen hätte. Cellino hatte das Gefühl, dass er dem Verein nicht mehr helfen konnte. Doch statt in die Landwirtschaft zurückzukehren, setzte er seine Segel in Richtung England. Im Jahr 2010 versuchte er bereits, West Ham United zu kaufen, scheiterte allerdings, obwohl er Gerüchten zufolge 86 Millionen Dollar geboten haben soll. Trotzdem gab er nicht auf. Im Februar 2014 erwarb er mit seiner Firma Eleonara Sport Limited 75 Prozent des englischen Zweitligisten Leeds United.

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Elland Road, das Stadion von Leeds United. Photo by Flickr user Auz via Wikimedia Commons

Die Liga genehmigte schließlich die Übernahme, nachdem er trotz seiner bunten Vergangenheit die Prüfung zur Eignung für Clubbesitzer bestand. Der Haftbefehl wegen des Ausweichstadions in Cagliari bezeichnete ihn als Mann mit „ausgeprägten kriminellen Tendenzen (…) der zu jeder Täuschung in der Lage sei um an seine Ziele zu kommen." Er hat zwei Vorstrafen wegen Täuschung der Europäischen Union und des italienischen Landwirtschaftsministeriums.

Natürlich war auch der Einstand bei Leeds typisch Cellino. Noch bevor die Übernahme des Vereins finalisiert wurde, entließ er den beliebten Trainer Brian McDermott. Cellino wurde dann der Weg zum Stadion verwehrt, weil wütende Fans sich im Sitzstreik vor der Ellen Road gegen seine Entscheidung protestierten. Es wird behauptet, dass er McDermott angefleht haben soll auf die Trainerbank zurückzukehren, nachdem er versicherte, dass er ihn persönlich überhaupt nicht entlassen hätte um dann in sein Ferienhaus nach Miami zu jetten. Die dramatischen Ereignisse machten Leeds zu einer Lachnummer in der Liga, aber für die Cagliari-Fans war das alles nichts unübliches.

McDermott wurde zur Freude aller wieder als Coach installiert, nur um ein paar Monate später wieder gefeuert zu werden. Cellinos Übernahme von Leeds United erhob seine Person zu neuen Höhen. Seine exzentrischen Aktionen füllten die Schlagzeilen der Zeitungen. Sein italienischer Aberglaube ist fast legendär. Er hasst die Farbe lila und hat Angst vor der Zahl 17—Cagliaris Stadion hatte keine Sitze mit der Nummer 17, stattdessen aber 16b. Durch Italien tourte er mit mehreren skandinavischen Musikern und spielte E-Gitarre in seiner eigenen Rockband, den Maurilios.

Nach etwas mehr als einem Jahr in Leeds geht es bei dem englischen Traditionsverein weiter drunter und drüber. Cellino war im Dezember für mehrere Monate vom Ligabetrieb in England ausgeschlossen worden, weil er in seinem Heimatland wieder wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden war. Diesmal hatte er einen amerikanischen Geländewagen nach Italien importiert und keine Steuern gezahlt. Er musste 40.000 Euro blechen und alles war vom Tisch. Zusätzlich kamen immer wieder Gerüchte auf, dass er den Verein an das Brause- und Fußballimperium Red Bull verkaufen möchte, was er aber dementierte.

Anfang Mai ging seine Sperre zu Ende und er machte seinem Spitznamen „Trainer-Fresser" wieder alle Ehre. Schon Ende Mai entließ er den vorherigen Nachwuchstrainer Neil Redfearn, der zu Saisonende nur auf dem enttäuschenden 15. Platz landete. Sein Nachfolger ist der ehemalige Bundesliga-Profi Uwe Rösler. Damit ist er Trainer Nummer 5 in weniger als einem Jahr. Vor ein paar Tagen sagte Cellino, dass er Rösler „Zeit zum Glänzen geben will, damit sich etwas entwickelt." Fragt sich nur wie lange das ist.