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Restaurant Confessionals

Kaum ein Koch wird fair bezahlt

In der Gastronomie wird man viel zu oft ausgenutzt. Und dafür verdienen wir einfach viel zu wenig.

Willkommen zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.

Ich habe nie wirklich verstanden, wieso Köche und Küchenchefs so chronisch unterbezahlt sind. Gelegentlich wird man auch fair bezahlt. Es gibt einfach immer eine andere Person, die deinen Job machen könnte. Der Markt ist vielleicht überlaufen—so könnte man es sehen. Aber viel wichtiger ist, dass es die Norm ist. Die Leute sind in dieser Branche daran gewöhnt, so wenig zu verdienen. Die Erwartungen sind einfach niedrig.

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Es ist genau wie in der Finanzbranche, wo man sich sogar mit einer Einstiegsposition sicher sein kann, dass man einen Haufen Geld verdient—nur eben genau umgekehrt. Es wird erwartet. Im Grunde ist es ein Kastensystem, aus dem man einfach nicht rauskommt aufgrund all dieser Faktoren, die hineinspielen, wenn man ein Restaurant betreibt.

Dort, wo ich derzeit arbeite, habe ich mit einem Stundenlohn angefangen. Mittlerweile bekomme ich ein fixes monatliches Gehalt. Jede Woche machte ich so viele Überstunden und es ist ziemlich offensichtlich—auch für alle anderen, mit denen ich zusammenarbeite—, dass ich ständig dort bin. Jeden einzelnen Tag. Ich bin nicht einmal sicher, wie legal das Ganze eigentlich ist. Das ist ziemlich frustrierend, weil ich etwas tue, das ich eigentlich mag, aber wenn ich nachfragen oder sonst irgendwie Probleme verursachen würde, könnte ich ganz einfach ersetzt werden.

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Mir gefällt mein Job richtig gut. Aber in jedem Restaurant gibt es immer einen Koch, der die ganze Zeit da ist. Meistens ist er der Sous-Chef. Ich sehe keinen Ausweg, ohne dass ich aufgeben müsste. Auch wenn ich einfach nicht mehr so lang bleiben würde und nicht mehr ständig da wäre, würde man die Verantwortung auf jemand anderen übertragen und ich würde die Kontrolle über meine Arbeit verlieren. Nach meinen Erfahrungen war es bisher immer so: Sobald der Küchenchef nicht mehr da ist, ist eben der Sous-Chef verantwortlich. Komischerweise ist der Status eines Küchenchefs zu etwas Glamourösen aufgestiegen, aber alle anderen—vom Sous-Chef bis zum Tellerwäscher—werden kaum beachtet.

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Ich habe schon beobachtet, wie Küchenchefs Mitarbeiter gegeneinander ausspielen, wie sie andere dazu bringen, ihre Schicht zu übernehmen, nur damit diese Person nicht in den Urlaub fahren kann. Ganz klare Vetternwirtschaft.

In der Gastronomie wird man so oft ausgenutzt. Wenn man zum Beispiel eine oder zwei Stunden früher herzitiert wird und dann noch stundenlang bleiben muss, um die Küche sauber zu machen und etwas vorzubereiten. Es ist ein Machtkampf und die Vorgesetzten behaupten so ihre Machtstellung.

Wenn man von einem Stundenlohn auf ein monatliches Gehalt übergeht, nimmt man an, dass man zusätzliche Verantwortung übernimmt. Und man geht davon aus, dass man sich um einen kümmert. Das Schlimmste an der Arbeit in der Küche ist aber zu sehen, wie weit man gehen muss, um weiterzukommen. Die Dinge, die Leute sich gegenseitig antun, die sie ihren Mitarbeitern antun; die Einstellung, die sie plötzlich haben. Ich habe schon beobachtet, wie Küchenchefs Mitarbeiter gegeneinander ausspielen, wie sie andere dazu bringen, ihre Schicht zu übernehmen, nur damit diese Person nicht in den Urlaub fahren kann. Ganz klare Vetternwirtschaft.

In vielen Küchen geht es richtig gemein zu. Das Konkurrenzdenken ist groß und in den höheren Positionen stehen einem alle hierarchisch Unterlegenen zu Diensten und man manipuliert sie, damit man seinen Status beibehält. Wer einmal diese Position erreicht hat, dem kann man sie kaum wieder wegnehmen, weil man immer noch woanders hingehen könnte, wenn man es erst einmal auf dem Lebenslauf stehen hat.

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Viele fangen als Sous-Chefs an und beschweren sich über alles, was im Restaurant falsch läuft. Sie mussten nie Vorarbeit leisten und delegieren einfach Probleme an andere. Sie beschweren sich und kündigen dann. Diese komischen Köche mit ihren sechs Monate langen Karrieren. Ein Tellerwäscher bleibt drei Jahre und die Sous-Chefs wechseln alle drei Monate.

Ich glaube nicht, das liegt nicht unbedingt daran, dass die Arbeitgeber ihre Angestellten ausnutzen. Wenn man anfängt, in einer Küche zu arbeiten, hat man das Gefühl, dass man etwas erreichen kann und es eine gute Erfahrung ist. Weil es einfach so viele Restaurants gibt, die zu wenig bezahlen, macht man einfach mit. Vielen Leuten ist nicht einmal klar, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, eine Grenze zu ziehen oder nein zu sagen.

Man ist einfach eine billige Arbeitskraft.

Die Arbeit in der Küche ist genauso anstrengend wie die der Kellner, wenn nicht sogar anstrengender. Aber es gleicht sich nicht aus, sogar mit dem höheren Stundenlohn verdient man immer weniger, auch wenn man viel länger arbeitet.

Viele Kellner werden im Grunde durch ihr Trinkgeld bezahlt. Das Geld, das sie jeden Monat auf dem Konto haben, ist nur ein kleiner Prozentsatz im Vergleich zum Trinkgeld.

Die Arbeit in der Küche ist mindestens genauso anstrengend wie die der Kellner, wenn nicht sogar anstrengender. Manchmal ist der Stundenlohn der Küchenarbeiter höher als der der Kellner, und manchmal wünscht man sich eher ein fixes Gehalt, auf das man sich verlassen kann, als das variierende Trinkgeld der Kellner. Aber es gleicht sich nicht aus, sogar mit dem höheren Stundenlohn verdient man immer weniger, auch wenn man viel länger arbeitet.

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Ich habe auch schon in Küchen gearbeitet, in denen das Trinkgeld aufgeteilt wurde. Das einzige Restaurant, in dem das funktioniert hat, war ein Japaner in San Francisco, in dem alle gleich behandelt wurden. Das Trinkgeld wurde automatisch zum Preis dazu gerechnet und ganz unten auf der Rechnung wurde darauf hingewiesen. Jeder Mitarbeiter bekam gleich viel Trinkgeld, je nachdem wie viele Stunden man gearbeitet hatte. Der Kellner, die Hostess—jeder hatte den gleichen Stundenlohn und bekam das gleiche Trinkgeld. Das fand ich super, weil es diese komische Spannung zwischen Kunde und Mitarbeiter auflöste. Das Trinkgeld-System hat einfach grundsätzlich seine Fehler, daran besteht kein Zweifel.

Wann verdient man als Küchenchef so viel, dass man weiß, dass man es geschafft hat? Und wie viel wäre das? Gerade heute habe ich darüber nachgedacht. Ich bin mir nicht sicher, ob es das überhaupt gibt. Man arbeitet wahrscheinlich immer gleich viel, aber man richtet seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge—wenn man anfängt, Speisekarten zu schreiben, Restaurantkonzepte zu entwickeln, Investoren zu finden, Leute, die mit deinem Talent und deinen Ideen Geld verdienen wollen. Aber ich habe keine Ahnung, wo diese Gläserne Decke ist.

Es ist wie mit dem Schreiben. Die Presse und der Journalismus sind gesättigte Branchen, genauso verhält es sich mit Restaurants und Essen. Ich schätze, das Geheimnis liegt darin, in diesem ganzen Meer von mittelmäßiger Scheiße besonders zu sein. Man muss nicht nur der beste Koch sein, sondern auch das beste Essen kochen.

Ich bin gerne Koch. Ich habe gerne meine paar Aufgaben, die machbar sind und die ich an einem Tag erledige. Und ich kümmere mich gerne um andere Leute.

Aufgezeichnet von Hilary Pollack